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Anders Behring Breivik (37) ermordete in Oslo und auf der Insel Utøya 77 Menschen
Oslo (Norwegen) - Massenmörder Anders Behring Breivik (37) führt einen Prozess gegen Norwegen. Sein Vorwurf: die Verletzung seiner Menschenrechte. Heute, am zweiten Prozesstag, kam er selbst zu Wort. Breivik lieferte eine Jammer-Show.
Der Mann, der 77 Menschenleben auslöschte, hatte vom Gericht drei Stunden Zeit bekommen, seine Klagen vorzubringen und zu erklären. Aus Sicherheitsgründen gab es am zweiten Prozesstag allerdings keine Live-Übertragung aus dem Pro-forma-Gerichtssaal im Skien-Gefängnis.
Grund: Das Gericht hatte Angst, dass sich in seiner geplanten Rede versteckte Hinweise an rechtsradikale Gleichgesinnte verbergen könnten.
Die Sorge des Gerichts erwies sich als unbegründet. Der Mann jammerte schier endlos über die Haftbedingungen. Seine Argumente gingen dabei zum Teil ins Absurde. So beklagte er sich u.a. über kalten Kaffee und über Fertiggerichte.Breivik beschwerte sich allerdings auch ausführlich über die Isolationshaft, die bei ihm besonders strikt eingehalten wird. Das Gefängnis hat - um psychische Erkrankungen aufgrund der Isolation zu vermeiden - einen Profi-Besuchsfreund organisiert. Breivik bezeichnete diese Besuche als „sinnlose Beziehung".
Er träume von einem „nationalsozialistischen Freund" oder am besten von einer „nationalsozialistisch gesinnten Ehefrau". Die Chancen, eine zu finden, seien jedoch klein, da seine gesamte Post zensiert werde. Tatsächlich hat Breivik drei Zellen zur Verfügung - eine Wohnzelle, eine Zelle mit Fitness-Geräten und eine Arbeitszelle. Er erklärte jedoch, er bleibe immer häufiger den ganzen Tag in einer Zelle, da er beim Zellenwechsel jedes Mal gründlich kontrolliert werde. Dazu müsse er sich nackt ausziehen - auch vor weiblichen Gefängniswärterinnen.„Ich bin seit 2012 885 Mal nackt untersucht worden. Das ist bei einer unberechenbaren Person verständlich. Aber ich habe mich seit 2012 vorbildlich benommen. Das ist belastend, demütigend und verletzend."
Reality-Shows als Zeichen psychischer Probleme?Breivik versuchte, dem Gericht so eindringlich wie möglich zu erklären, wie hart ihm das alles zusetze. Dabei kam es einige Male zu unfreiwilliger Komik.
Im Gerichtssaal schossen die Augenbrauen in die Höhe und einige Zuhörer mussten Lachen unterdrücken. In den sozialen Medien wird inzwischen ausführlich über Breiviks Jammer gelästert.
Auszug aus Breiviks langer Jammer-Rede: „Die Isolation hat mich apathisch gemacht. Alles wirkt sinnlos. Das einzige, was meinem Leben einen Sinn geben könnte, wäre eine nationalsozialistische Ehefrau. Der norwegische Staat versucht, mich in den Selbstmord zu treiben. Nach all den Jahren in Isolation, liebe ich heute die Sendung ‚Paradise Hotel'. Das ist ein Zeichen dafür, dass ich einen ernsten Schaden erlitten habe."
„Paradise Hotel" gehört zu den beliebtesten Reality-Shows in Skandinavien. Die heutige Prinzessin Sophia von Schweden nahm vor vielen Jahren an dieser Show teil, wurde so schon im ganzen Land bekannt, noch bevor sie den Schwedischen Prinzen kennenlernte...
Kalter Kaffee, schlechtes EssenBreivik hat in seinen Zellen vier Fitness-Geräte, einen Stress-less-Sessel mit Fußbank, eine Playstation, einen Computer, einen Fernseher und vieles mehr. Er kann in begrenztem Umfang sogar selbst sein Essen aufwärmen.
Trotzdem jammerte er auch über die Verpflegung: „Ich werde gezwungen, Fertiggerichte zu essen. Es handelt sich um die billigsten Produkte. Manchmal gibt es das gleiche Essen zwei Mal hintereinander. Manche sehen das vielleicht nicht als so schlimm an, aber alle aus Oslo-West (Anmerkung: Der Stadtteil, aus dem er stammt), werden mit mir darin einig sein, dass das schlimmer als Waterboarding ist."
Waterboarding gilt als eine der schlimmsten Folterformen überhaupt. Folteropfer werden dabei so lange unter Wasser gehalten wird, bis sie fast ertrinken.Außerdem beklagte Breivik sich über Plastikbesteck und darüber, dass der Kaffee oft kalt ist. Zusätzlich muss er sich oft Sachen über den Lautsprecher anhören, die nichts mit ihm zu tun haben und bekommt nicht genug Kaffee und offenbar auch keine Zigaretten. „Der Zugang zu Koffein und Nikotin wird mir verweigert."
Breivik versuchte mehrere Male, seine Gesinnung zu erklären. Er sagte, er sei schon seit seinem zwölften Lebensjahr Nazi und habe mit vierzehn zum ersten Mal „Mein Kampf" gelesen. Richterin Helen Andeanaes Sekulic (43) wies ihn jedoch jedes Mal an, beim Thema zu bleiben. Es ginge einzig und alleine um die Haftbedingungen und nicht um seine Gesinnung. Immer wieder betonte er, ein vorbildlicher Gefangener zu sein, der heute auch nicht mehr an Gewalt glaubt, sondern Probleme „politisch" lösen will. Er wolle z.B. eine eigene Partei gründen, aber auch das erlaube man ihm nicht.Der Massenmörder erwähnte mit keinem einzigen Wort die 77 Menschen, die er umgebracht hat. Es gab auch kein Zeichen des Bedauerns für die über Fünfhundert anderen, die er verletzte oder denen er ein lebenslanges Trauma zufügte.
Psychiater: „Ein Selbstdarsteller"Der norwegische Gerichtspsychologe Henning Verøy hat den Prozess aufmerksam beobachtet. Er sagte anschließend gegenüber der Presse: „Er versucht, sich als Opfer darzustellen. Einiges von dem, was er vorgetragen hat, ist ja ungewollt komisch. Wenn er z.B. das Essen mit einer Foltermethode vergleicht. Aber er merkt das gar nicht. Es ist ihm auch vollkommen egal, was er anderen Menschen zugefügt hat. Das spielt keine Rolle für ihn."
Ob er deshalb geisteskrank ist? Der Psychiater: „Nicht offensichtlich. Er ist unreif, identitätslos und ein Narzisst, der Aufmerksamkeit haben möchte." Der Prozess, der in Norwegen erst positiv betrachtet wurde, da er zeigt, dass Norwegen in allen Situationen ein Rechtsstaat bleibt, wird nun immer mehr kritisiert. Die Zeitung „VG" bezeichnet den Prozess als „absurdes Theater", das man sich hätte sparen können.Nach Breiviks langen Klagen werden in den kommenden Tagen Gefängniswärter, Ärzte und Psychologen vor Gericht darüber befragt werden, wie sie die Situation sehen.
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