Inga Pylypchuk

Journalistin, Berlin - Kyjiw

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Donbass: Kann man miteinander reden, wo geschossen wird?

Foto: Jan Vollmer

Kann man ukrainische Separatisten, die zusammen mit russischen Soldaten und Freiwilligen im Donbass gegen die ukrainische Armee kämpfen, als "Terroristen" bezeichnen? Nein, meinte vor Kurzem die ukrainische Reporterin Anastasia Stanko vom Onlinesender hromadske.tv bei ihrem Vortrag "Wie man die Sprache des Hasses überwinden kann".

Man sollte neutralere Worte dafür finden, wie "Milizen" oder "Separatisten", Wörter, die weniger polarisieren. Aus dem gleichen Grund versuche sie zusammen mit ihren Kollegen von hromadske.tv zu vermeiden, die ukrainische Armee als "unsere Soldaten" oder "Helden" zu bezeichnen, wie dies andere Medien in der Ukraine gern tun.

Die Kategorien "unsere/eure" seien kontraproduktiv, meinte Stanko, weil sie die Menschen nur spalteten. Stanko stammt aus dem Gebiet Iwano-Frankiwsk in der Westukraine, in den letzten zwei Jahren hat sie sich immer wieder in die gefährlichsten Zonen des Konflikts gewagt.

Im Sommer 2014 wurde sie von Separatisten im Lugansker Gebiet festgenommen und einige Tage lang in einem Keller in Gefangenschaft gehalten.

Nachdem ihr Vortrag ins Internet gestellt wurde, erntete Stanko das, wogegen sie sich eigentlich zu wehren versuchte: puren Hass. Und das nicht nur in Form zahlloser Kommentare beleidigter Facebook-Hobby-Brüller, wie man sie heutzutage aus fast jeder Diskussion kennt.

Die wohl berühmteste ukrainische Schriftstellerin Oksana Sabuschko bezeichnete Stanko als "Informationsgehilfin russischer Terroristen" und der Schriftsteller Jurij Wynnytschuk äußerte sich empört in einem Blogeintrag, dem er den sarkastischen Titel gab: "Wie nützlich es manchmal ist, eine Weile in einem Keller gesessen zu haben."

Es gehöre Mut dazu, die Dinge beim Namen zu nennen, widersprach der Journalist Witalij Owtscharenko aus Donezk, der bis vor Kurzem an der Front an der Seite der ukrainischen Armee gekämpft hatte, ebenfalls in einem Blogeintrag. Man sollte Okkupanten Okkupanten nennen, und Terroristen Terroristen, meinte er.

Und er fragte Stanko: "Sind die ukrainischen Soldaten wirklich nicht Ihre Helden? Warum?" Warum schäme sich die Journalistin, ukrainische Soldaten als "unsere Soldaten" zu bezeichnen? "Sie kämpfen doch auch für Sie, dafür, dass der Feind nicht bis nach Kiew kommt", schrieb Owtscharenko weiter.

Der Widerstand, der Stankos Vorschlag über eine verbale Abrüstung in der Ukraine entgegenschlug, zeugt nicht nur davon, in welch gereiztem Zustand sich die ukrainische Gesellschaft befindet.

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