Ines Schaffranek

Bloggerin und Produktmanagerin Online Marketing, Hamburg

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Mobile Geschäftsmodelle aus Japan

Als ich 2006 nach Japan gefahren bin, habe ich meinen alten Handy-Knochen zurück gelassen und gegen ein Hightech-Mobiltelefon ausgetauscht. Mal abgesehen von der hohen Datenübertragungsgeschwindigkeit, habe ich plötzlich nicht nur mobil Emails verschickt (Was sind denn SMS?!), über Messenger Bildchen und Videos versendet und Fernsehen geschaut, sondern auch mit dem Telefon kontaktlos bezahlt.

Für die SEO Campixx habe ich einen Vortrag vorbereitet, der die mobile Infrastruktur Japans und die Entwicklungsgeschichte dahinter aufgezeigt hat. Herzstück meiner Präsentation waren aber mobilen Geschäftsmodelle, die 2013/2014 den Markt aufmischen. Zwei davon möchte ich Euch hier vorstellen.

Mobile Gaming: dominantes Geschäftsmodell

Mobile Spiele generieren weltweit sehr viel Umsatz - so waren es 2013 ca. 13 Milliarden US-Dollar. Davon wurden 1,78 Milliarden US-Dollar in den USA verspielt, aber ganze 4 Milliarden allein in Japan.

Fünf große Publisher beherrschen den japanischen Spielemarkt: GungHo Online, Colopl, Sega, Namco Bandai und Line. Es lohnt sich, sich mit jedem Publisher zu beschäftigen, exemplarisch stelle ich Euch aber Line vor:

Line funktioniert ähnlich wie WhatsApp, nur dass sie respektablen Umsatz zu verzeichnen haben (4. Quartal 2013: 120 Millionen US-Dollar). Über 300 Millionen Nutzer kommen in den Genuss des Messengers und einer Vielzahl von ineinandergreifenden Anwendungen wie Line Games, Line Manga, Line Camera etc.

Der Erfolg von Line wird stark von den fiktiven Charakteren der Firma getragen. Diese Figuren sind die Werbebotschafter von Line und nehmen auch in der App selbst eine prominente Stellung ein. Als sogenannte Stamps fungieren sie ähnlich wie unsere kleinen WhatsApp-Smileys, nur dass sie durch die Größe, Details und Varianz viel ausdrucksstärker sind.

Man erhält ein großes Set an kostenlosen Stamps, kann aber auch Bildchen dazukaufen. Zu jeder Gelegenheit werden passende Stamps ausgespielt und sind entweder gratis, oder für 0,80 Euro bis 2,00 Euro zu haben.

Viele Firmen haben inzwischen das Potential der Stamps entdeckt und gehen Kooperationen mit Line ein, um den mobilen und direkten Kontakt zur Zielgruppe zu suchen. Das zahlt sich für Line aus: so wurden 40 % des Umsatzes 2013 über Stamps, gesponserte Stamps und Merchandise eingenommen. Die anderen 60 % über Spiele.

2014 hat Line noch viel vor und wird u.a. den Markt für Stamps öffnen, so dass auch kleinere Designer und Firmen ihre Bildchen vertreiben können. Besonders spannend ist allerdings " Line Business Connect": Durch eine API können Unternehmen ihr eigenes CRM-System mit Daten von Line befüttern. So hat L`Oreal zum Beispiel Ende 2013 in einem Kosmetik-Flashsale über 5 Millionen Produkte an Line-Benutzer abverkauft. Weitere denkbare Szenarien ist das Bestellen von Pizza oder Rufen von Taxis einfach durch das Abschicken des entsprechenden Stamps.

Kundenbeziehung: mobile Emotionalität

Zu Coca-Cola gehört auch die Firma Georgia, die kalten und heißen Kaffee in Dosen anbietet. Der wichtigste Vertriebskanal sind die modernen Getränkeautomaten, die allein 2012 Getränke im Wert von 18,6 Milliarden US-Dollar an den Mann gebracht haben. Um den hart umkämpften Getränkemarkt für sich zu entscheiden, hat Georgia eine innovative App zur Kundenbindung entwickelt.

Die App heißt wörtlich übersetzt "Der sprechende Automat" und richtet sich an die Kernzielgruppe von Georgia, dem männlichen Arbeitnehmer.

Die können sich durch die App an einem Automaten ihrer Wahl registrieren:

Im nächste Schritt kann man sich eine Kaffeedame aussuchen, die fortan als Kontaktperson dient:

Wenn man sich nun eine Dose kauft, erscheint eine Messenger-Oberfläche (ähnlich wie Line). Die Botschaft der virtuellen Dame: "Hallo, vielen Dank, dass Du Kaffee gekauft. Ich freue mich, wenn Du wieder vorbeikommst".

Die Software merkt sich, wann man und wo man etwas gekauft hast. Der Benutzer sammelt automatisch Bonuspunkte. Außerdem kann die Anwendung Wetterdaten ausspielen und merkt sich, wann der Benutzer in der Regel am Automaten vorbei kommt. So sind dann auch solche Nachrichten möglich:

"Guten Morgen, heute wird es leicht regnen. Vergiss Deinen Regenschirm nicht. Ich freue mich, Dich gleich auf einen Kaffee zu treffen".

Die App wurde im japanischen Fernsehen beworben hat für einige Aufmerksamkeit gesorgt. Die zuständige Agentur Dentsu hat nach eigenen Angaben erreicht, dass sich 68,5 % der Marke Georgia näher fühlen, und 41 % der Nutzer öfter zum Automaten ihrer Wahl gehen (Quelle: Werbevideo).

Zusammenfassung

Japan profitiert von den Erfahrungen, die es seit 1999 mit einer stabilen, mobilen Infrastruktur sammeln konnte. Insbesondere in der Monetarisierung von Inhalten und Anwendungen ist das Land uns einen Schritt voraus.

Es werden vor allem über Spiele Umsätze generiert, aber auch hier lohnt es sich ganz genau hinzuschauen: Wie genau schaffen die Publisher es, unglaubliche Summen durch Spiele zu verdienen? Welche Mechanismen greifen hier so effektiv?

Neben dem dominanten Spielemarkt gibt es zahlreiche kreative Anwendungen und Integrationen von Mobile im Alltag, die uns staunen lassen.

Bevor die Kulturkeule ausgeholt wird, nach dem Motto: "Das ist halt typisch Japan und funktioniert hier nicht", lasst Euch vom i-Mode-Erfinder Takeshi Natsuno gesagt sein:

"It's not about being Japanese. It's about knowing what people want and how to sell it the right way."

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