Der modebewusste Mann ist zur Norm geworden. Wobei es von seiner modischen Inszenierung zum Sexobjekt nicht weit war. Der Effekt auf die Mode zeigt sich in Männermodeblogs.
Männer, die ihre Körper im Fitness-Center definieren und in enger Kleidung inszenieren, sind neuerdings einer Art Sexismus ausgeliefert, die bisher eher den Frauen vorbehalten war. Dass sie damit nicht einverstanden sind, zeigt Jon Hamm, Darsteller der US-Kultserie Mad Man. Er ist einer der ersten, der sich via Medien darüber beschwert hat, dass seine eindrucksvolle Anatomie sexistisch online diskutiert wurde. Verletzt von der nicht enden wollenden Ironie um die Größe seiner Genitalien, fordert er, dass man ihm wieder ins Gesicht sehen und aufhören möge, schmutzige Gedanken zu haben. Auslöser für den Internet-Eklat war das Gerücht, dass er am Set ohne Unterwäsche gehe ... Zum Bearbeiten hier klicken .
David Roth (29) und Jakob Haupt (29), die enfant terribles hinter dem deutschen Männermodeblog www.dandydiary.de, würden sich das Ausmaß dieser Publicity sicher wünschen. Die Art vielleicht weniger. In den Sexismen auf ihrem Blog geht es jedenfalls klar um den weiblichen Körper. Eine Verweigerung von political correctness, die wohl ihrer Hipster-Mentalität geschuldet ist. Die beiden befinden sich in Berlin, der europäischen Hipster-Metropole. Des weiteren nennen die beiden Modeblogger ihre Spezies "Männer" - und nicht Herren. Die visuelle Entsprechung dessen sind Muskeln, Tätowierungen und Ironie. Tabus zu brechen ist ihr tägliches Geschäft - das übrigens nicht nur online stattfindet, sondern auch im realen Leben, mit spektakulären Partys und Performances sowie der daraus resultierenden Medienberichterstattung. So haben sie zum Auftakt der Berlin Fashion Week im Jänner 2012 einen Modeporno gedreht und bei der Dolce & Gabbana Show Frühling/Sommer 2014 einen Flitzer über den Laufsteg geschickt. Die beiden Endzwanziger werden auch "die Punks der Modeblogger-Szene" genannt. Explizit sind sie angetreten, um die Mode zu demokratisieren - und das machen sie mit einer vielfältig inszenierten Satire auf elitäre Modediktate im Stil von Veteranen wie Anna Wintour und Karl Lagerfeld. Moderevolution
Ihr satirischer Modeblog sorgt für Publicity, ist aber nicht gerade gewinnbringend. Im wirklichen Leben arbeitet David als Modejournalist und Jakob als Markenberater. Die Blogger behaupten, dass eine Reihe von Strafanzeigen gegen Dandy Diary laufen würden. Grund dafür könnten Rezension wie folgende der Kollektion Givenchy Accessoires Herbst/Winter 2013 sein:
"... Außerdem hat Chefdesigner Riccardo Tisci mal wieder im Angebot: seinen Rottweiler-Kopf. Diesmal zwar auf einen Rucksack gedruckt, doch dieser Print war schon vor zwei Saisons so überpräsent, dass er uns gehörig auf den Sack ging. Wir wollen den einfach nicht mehr sehen, Ricci!"Ebenso "ehrlich" berichten die Blogger auch über Kollektionen, die ihnen gut gefallen, wie etwa jene von "Hood by Air", aus New York, das sie als "das aktuell koolste (sic!) Streetwear Label auf der ganzen Welt" bezeichnen. Darin werden unterhalb der Brust abgeschnittene Eighties-Tops, schmale Torsi und Kilts mit typischen Merkmalen der amerikanischen Streetwear kombiniert: tiefsitzende Taille und oversized Elemente. Mit ihrer Präferenz für Tätowierungen und informelle Bekleidungscodes positionieren sich die Blogger im Stil der europäischen Avantgarde: Auch Haider Ackermann und Martin Margiela schicken derzeit männliche Models mit Tätowierungen über den Laufsteg. Allerdings sind Streetwear-Einflüsse in deren Kollektionen subtiler als in jener des oben erwähnten Labels Hood by Air. Zweifellos Teil der Strategie ist auch der Sprachgebrauch der beiden Modeblogger, in den sich Pubertäres und manchmal auch Kindliches mischt. Ebenso die Tendenz sich zu kostümieren - David trägt meist eine Russenmütze - mutet kindlich an. In den USA haben Leute wie sie schon einen Namen: "adultescent". Gemeint sind über Dreißigjährige, die nicht an Familienplanung und Hauskauf denken, sondern weiter Partys feiern und die übliche Erwachsenenverantwortung noch zehn Jahre aufschieben. Mode-Alltag
Konventionellere Blogs geben ein wesentlich realistischeres Bild vom Status Quo auf deutschsprachigen Herrenmodemärkten. Der Blog www.shiggersonstreet.com wurde 2008 von dem damals 14-jährigen Dustin Hanke gegründet. Er featured Streetstyles in verschiedenen europäischen Metropolen und zeigt - Zufall oder nicht - dass Männer in London und Mailand sowohl in Looks als auch in Farben wesentlich kreativer und individueller sind, als Männer in Berlin. Die Streetstyles aus Berlin sind formeller und zeigen ziemlich stereotyp Männer in schmalen Jeans, Kurzmänteln, Lederjacken und Ankleboots. Farben sind nicht existent. Es dominiert Schwarz mit wenig Grau. www.fashionboxx.net, ein weiterer, ebenfalls deutscher Männermodeblog führt noch tiefer in den Alltag männlichen Kleidungsverhaltens: Die Betreiber leisten reale Hilfestellung bei Stylingproblemen. Im Feedback der Rezipienten zeigt sich, dass auch Männer ständig auf der Suche nach gut passenden Hosen sind. Außerdem bestätigt sich das Klischée, dass sie unsicher im Umgang mit Farben sind. Vor allem aber zeigt das rege Feedback die Relevanz von Mode für Männer. Zum Bearbeiten hier klicken .
Expansiver Herrenmodemarkt
Ging das Online-/Print-Magazin "Another Man" schon bei seiner Gründung 2008 von einem expansiven Herrenmodemarkt aus, dann lässt der fünfjährige Alonso Mateo aus Kalifornien ahnen, dass wir erst ganz am Anfang dieser Entwicklung stehen: Die Mutter der jüngsten Mode-Ikone, Luisa Fernanda Espinosa, eine Stylistin, kleidet ihn in Labels wie Gucci und Marc Jacobs und veröffentlicht seine Styles täglich auf Instagramm, wo Alonso mehr als 22.000 hat. In einem Online-Interview im Times Magazin sagt die Mutter, sie sei nicht sicher, ob Alonso die Modewelt schon verstehe: "Ich glaube nicht, dass er weiß, dass er Trendsetter ist. Er ist noch zu jung." ...