Fassaden verkohlen, um sie zu veredeln: Yakisugi heißt die traditionelle Methode aus Japan, die Holzhäuser robuster macht. Auch in Deutschland hat die Technik immer mehr Fans.
Zwischen Moorlandschaft und Seen steht in Mecklenburg ein Gebäude, das
auf den ersten Blick aussieht wie ein verkohltes Ufo. Und der zweite
Blick bestätigt den ersten Eindruck. In Waren an der Müritz haben sie
sich redlich Mühe gegeben, die 1600 Quadratmeter große Außenwand des
Naturerlebniszentrums mit dem Gasbrenner anzukokeln. Holzlatte um
Holzlatte wurde kurz entflammt, nur um sie dann rasch wieder mit Wasser
abzulöschen.
Auf den dritten Blick ist die Fassade des ovalen Baus auch keine
angekokelte Oberfläche, sondern eine Innovation im Massivholzbau.
Yakisugi wird die jahrhundertealte Methode genannt, bei der Holz so
geschickt verkohlt wird, dass es anschließend nicht nur wertiger
aussieht, sondern auch robuster und langlebiger ist. „Sugi“ ist dabei
der japanische Name der Sicheltanne (auch japanische Zeder genannt),
„yaki“ heißt übersetzt grillen.
Bereits im antiken Griechenland wurden Holzpfähle verkohlt, bevor sie verbaut wurden. Denn das Feuer zerstört die Holzoberfläche nicht, sondern veredelt und konserviert sie. Die Zellen im Holz verdichten sich und machen es resistent gegen Schimmel, Verwitterung, Insekten- und Pilzbefall. Von der Überlegenheit des Yakisugi erzählt auch die Horyu-ji-Pagode in der japanischen Präfektur Nara. 1413 errichtet, zählt das Unesco-Welterbe zu den ältesten Holzbauten der Welt. Auch die kaiserliche Katsura-Villa ist teilweise aus abgebranntem Zedernholz gefertigt, das im Westen Japans Shou-Sugi-Holz heißt. Ein weiterer Begriff für dieselbe Art, Holz zu veredeln, die in Europa kaum Beachtung findet.
Und so dachte der Mann, der in Müritz die Idee mit der schwarzen
Holzfassade hatte, auch nicht an einen japanischen Tempel. Bei einem
Spaziergang in seiner Heimat Schweden blickte der Architekt Gert
Wingårdh auf eine Scheune, die vor Jahrzehnten abgebrannt war. Statt zu
Asche zu verfallen, blieb der Holzbau unverwüstlich stehen. Wingårdh war
davon so fasziniert, dass er in dem Zusammenspiel von Feuer und Holz
die perfekte Holzverkleidung für den Museumsbau sah. So erzählt es
jedenfalls Fabian Siebeke, der mit dem Ankohlen der Fassade beauftragt
wurde. Oder wie es der Experte selbst nennt: mit dem Karbonisieren.
Zusammen mit seinen Kollegen von der Hochschule Eberswalde wälzte der
Ingenieur Fachliteratur, denn auf vergleichbare Modellprojekte konnten
sie nicht zurückgreifen. „Das ist kein Hexenwerk, aber es braucht
Erfahrungswerte“, sagt Siebeke. Die schwarze Holzkohle-Schicht entsteht,
wenn trockenes Holz ohne Sauerstoffzufuhr erhitzt wird, so dass
Bestandteile wie Harze verbrennen. Einzigartige Maserung und
Faserstrukturen treten hervor, ungebürstete Oberflächen erhalten eine
Lederoptik, die ganz treffend „Alligatorhaut“ genannt wird. Um das Holz
phoenixhaft über sich hinauswachsen zu lassen, werden bei der
traditionellen japanischen Verkohlung drei Holzbretter senkrecht
aufgestellt und zu einem Dreieck zusammengebunden. Die Schwierigkeit
besteht darin, große Flächen gleichmäßig zu bearbeiten.
Seit 2007 steht das Müritzeum an der Mecklenburgischen Seenplatte. Mit dem Ergebnis ist Siebeke sehr zufrieden. Vor zwei Jahren war er noch mal persönlich da. Das Holz dunkelt auf natürliche Weise nach, aber trotzt der Witterung auch ohne aufwendige Pflege.
In den vergangenen Jahren haben sich einige Architekten und Holzproduzenten das 14 Millionen teure Vorzeigebauwerk zum Vorbild genommen. Der Ulmer Holzprofilhersteller Mocopinus schreibt sich auf die Fahnen, Vorreiter im dekorativen Holzgewerbe zu sein. Als erstes und bislang einziges Unternehmen in Deutschland stellt der Spezialist Yakisugi-Holz im Industrieverfahren her. Dazu hat Mocopinus eine Holzbeflammungsanlage errichtet, die innerhalb weniger Augenblicke helle Holzlatten mit einer 2 bis 3 Millimeter dicken schwarzen Rußschicht überzieht. „Opferholz" nennt Geschäftsführer Eric Erdmann die karbonisierte Oberfläche. Wie auf einem Fließband werden Hölzer von Lärche, Fichte, Douglasie, roter Zeder und Eiche an einer Gasflamme vorbeigezogen, die je nach Holzart 800 bis 1200 Grad heiß ist.
Die größte Herausforderung wartet dabei erst nach dem Karbonisieren. Das Holz rußt, was schnell dazu führen kann, dass der stolze Bauherr zum Schornsteinfeger mutiert - kohlrabenschwarz von den kleinen, ungebundenen Kohlepartikeln. Auch der erste Regenschauer kann die Rußschicht abwaschen, weshalb man sich bei Mocopinus früh Gedanken über einen Lackschutz gemacht hat. Im Labor ist ein wasserbasiertes Oberflächen-Coating entstanden, das den Ruß bindet.
Unter ökologischen Gesichtspunkten kann Yakisugi punkten.
Zur Straßenseite hin hat die rußig-schwarze Außenwand weder Fenster noch Türen. „Wann wird die Garage endlich fertig?", hätten ihn Anwohner gefragt, als er mit seiner vierköpfigen Familie längst eingezogen war, erzählt Beck. Das mit mehreren Designpreisen ausgezeichnete Wohnhaus setzt auf Kontraste. Im 135 Quadratmeter großen Wohnbereich dominiert warmes, helles Holz. Lange Zeit hieß es unter Bauherren und Architekten, Massivholzbau sei zu teuer und damit unattraktiv. Auch weil Fräsmaschinen mittlerweile große und komplexe Bauteile millimetergenau ausschneiden können, wird der Modulbau aus Holz deutlich vereinfacht. Kostengünstiges Bauen und Yakisugi sind für Beck kein Widerspruch. „Die Holzbauweise ist heute nur noch fünf Prozent teurer als das Massivhaus aus Stein", sagt Beck. Mehrkosten, die durch das Verkohlen, Abschrecken und Reinigen der Oberfläche entstanden sind, konnte er an anderer Stelle einsparen. Die Wände sind dünner, unverputzt und müssen nicht tapeziert werden.
Ob Yakisugi auf absehbare Zeit unser Stadtbild prägt? „Puh, darauf deutet momentan noch wenig hin", meint Beck. Zu groß seien noch die Vorbehalte, zu ungewohnt der Anblick auf eine verkohlte Außenfassade. Doch die nächste Generation könnte das schon anders sehen. Als seine Tochter in der Schule ein Haus zeichnen sollte, schaute sie in überraschte Gesichter. Sie hatte die komplette Hausfläche kohlrabenschwarz angemalt.
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