Helena Düll

freiberufliche Journalistin (helenaduell.de) , Berlin

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Instagram will dich vereinnahmen! - WELT

Wie bei jedem Update dauert es noch, bis die Funktion bei allen Nutzern in der Foto- und Video-App integriert ist. Schon jetzt gibt es Stories - eine Funktion innerhalb der App, mit der Nutzer eine Slideshow aus Bildern und Videos zusammenstellen können, die 24 Stunden lang sichtbar bleibt. Stories befindet sich auf dem Startbildschirm der App am oberen Rand. Innerhalb dieser Funktion können Nutzer nun auch Live-Videos posten.

Facebook bietet eine ähnliche Funktion seit knapp einem Jahr an. Instagram gehört seit 2012 zu Zuckerbergs Imperium. Überhaupt zeigt sich anhand der rasanten Entwicklung im Bereich des Live-Streamings, wie schnell sich die digitale Welt verändert: Im März 2015 fing alles mit Periscope an. Die erste Echtzeitstreaming-App gehört zu Twitter und gab dem Zuschauer das erste Mal die Möglichkeit, mit dem Streamenden in Echtzeit zu interagieren. Das bedeutet beispielsweise, dass der Zuschauer Kommentare schreiben kann, die derjenige, der den Stream gestartet hat, sofort lesen und in seinen Stream aufnehmen kann. Jetzt, knapp zwei Jahre später, ist das interaktive Live-Streaming aus der Nische heraus- und in der breiten Masse angekommen.

Eine Entwicklung, die Fragen aufwirft: Ist Instagram Live Video nur ein billiger Abklatsch von etwas, das es schon längst gibt? Diesen Vorwurf musste sich das Netzwerk bereits anhören, als es die Stories-Funktion einführte. Bilder und Videos in eine Galerie hochladen, die nach 24 Stunden automatisch verschwindet - das war längst die Nachmittagsbeschäftigung zahlreicher Teenies. Sie nutzen dafür aber hauptsächlich die App Snapchat, denn dort gibt es die „Story"-Funktion bereits seit Ende 2011.

Hier stellt sich auch die Frage: Wenn der Nutzer in allen sozialen Netzwerken posten, Nachrichten schreiben und live streamen kann, weshalb sollte er dann überhaupt noch unterschiedliche Kanäle bespielen? Zum einen unterscheidet sich die Live-Funktion von Instagram noch von der von Facebook (und auch von Snapchat-Videos, die vom Postenden gespeichert werden können und für den Zuschauer 24 Stunden lang verfügbar sind). Live-Videos auf Facebook können gespeichert werden und so auch nach dem Live-Moment angeschaut, geliket und geteilt werden. Anders bei Instagram Live Video: „Deine Live-Story verschwindet sofort aus der App, wenn du fertig bist, sodass du ganz einfach alles jederzeit teilen kannst", so das Netzwerk auf seinem Blog. Post und weg also.

Dennoch ist Instagram Live Video die nächste logische Konsequenz im hart umkämpften Markt der sozialen Netzwerke. Ob wir uns damit auf dem Weg zu einem „Social-Media-Monopol" befinden, lässt sich noch nicht prognostizieren. Ein weiteres Zeichen dafür könnte Instagram Live Video aber durchaus sein. Zum anderen hat Instagram entscheidende Vorteile: Wer sich nicht erst seit gestern auf Instagram herumtreibt, verfügt dort über eine große und beständige Followerschaft, der er die Live-Videos präsentieren kann. Vor allem für Marken dürfte das ein guter Weg sein, auf sich und die Produkte aufmerksam zu machen. Zusätzlich zu den ohnehin schon bestehenden Sponsored Posts in Form von als Bildern getarnter Werbung. Auf dem vor allem bei jungen Nutzern beliebten Snapchat hingegen lassen sich nur schwer Follower generieren.

Auch Facebook hat Nachteile: Viele, gerade junge Nutzer, sind dort gar nicht erst angemeldet. Sprich; egal, wie bevorzugt der Algorithmus Live-Videos dort in den Newsfeed des Users spült - die jungen Menschen bekommen das gar nicht erst mit. Hinzu kommt, dass gerade virale Seiten wie Buzzfeed und Co. das Prinzip Live auf Facebook missbrauchen. Sie nutzen einfache Abstimmungen über Reactions - wie beispielsweise ein Herz für Clinton versus einen weinenden Smiley für Trump -, um damit Reichweite zu generieren. Das nervt, und deswegen ist Instagram vielleicht eine gute Alternative.

Instagram Live Video funktioniert einfach: Auf dem Startbildschirm muss der Nutzer nach rechts wischen, um die Story-Kamera zu öffnen. Im unteren Bildrand kann man den Modus „Live" auswählen und einen Stream starten. „Deine Freunde erhalten eine Benachrichtigung, wenn du live sendest, damit sie deine Inhalte verfolgen können," schreibt Instagram auf seinem Blog. Genau wie bei Facebook kann der User während des Streams sehen, wer ihm zuschaut und auch hier ist Interaktion gefragt: Likes und Kommentare sind möglich und erwünscht. „Wenn du live sendest, kannst du einen für alle sichtbaren Kommentar anhängen oder die Kommentare deaktivieren," erklärt das Unternehmen. Etwas komplizierter ist es, zu sehen, wann genau ein Nutzer live ist. Das geht nämlich nur, wenn man die App ohnehin gerade geöffnet hat: Unter dem Profilbild erscheint in der Story-Leiste (oben auf dem Startbildschirm) dann das Symbol „Live".

Die Live-Funktion bindet den Nutzer noch stärker an die Plattform als bisher. Live-Streamings von Usern, bei denen Live bereits freigeschaltet ist, können von allen Instagram-Nutzern weltweit angesehen werden - vorausgesetzt, der Account ist nicht auf privat gestellt. Genauso wie auf Facebook kann Instagram eine Benachrichtigung an die Follower des Users schicken, sobald dieser Live ist. Die Erfahrung zeigt aber, dass diese Benachrichtigungen sehr anstrengend sind und schon nach kurzer Zeit ignoriert werden. Inwiefern sich das Konzept des sofortigen Löschens durchsetzen wird, bleibt abzuwarten. Zusätzlich ist die Dauer des Streams auf eine Stunde beschränkt.

Instagram Live Video kann sich zu einer erfolgreichen Live-Streaming-Plattform entwickeln, hat die Plattform doch im Gegensatz zu Konkurrenten wie Snapchat und Periscope einen entscheidenden Vorteil: eine halbe Milliarde Nutzer.

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