Heike Lachnit

Journalistin, Texterin, Bloggerin, Elz

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Artikel

"Was gerade abläuft, ist nicht in Worte zu fassen!" - HL-Journal

Die vielen Tote durch Corona bringt die Bestattungsunternehmer an ihre Grenzen.

Alle mahnen, dass die Menschen ihre Kontakte einschränken, zu Hause bleiben sollen - Politiker, Mediziner, Virologen. Jetzt schließt sich eine weitere Berufsgruppe diesen Mahnungen an - die Bestattungsunternehmer.

Jeden Tag gibt es neue Rekordmeldungen, wie viele Menschen von einen auf den anderen Tag verstorben sind. Wenn wir im Frühjahr dachten, die Zahlen seien hoch gewesen, müssen wir uns korrigieren, denn jetzt sind die Zahlen richtig hoch. Am 15. April gab es in Deutschland die Höchstzahl im Frühjahr mit 510 Toten. Gerade heute gab es einen neuen traurigen Rekord mit 952 Toten in ganz Deutschland. Im Landkreis sah es auch die ganzen Monate moderat aus. Als im September langsam die Zahlen der Corona-Infizierten anstiegen, verzeichneten wir im Landkreis acht Verstorbene. Inzwischen sind im Landkreis 45 Menschen an Corona verstorben.


In einer Pressekonferenz zur Situation im Landkreis teilte Landrat Michael Köberle und sein Team mit, dass es hauptsächlich die alten Menschen sind, die an Corona sterben. Und betrachtet auf ganz Deutschland zeigt die Statistik, dass 80 Prozent der Verstorbenen 70+ sind (Quelle Statista). Aber auch jüngere Menschen sterben an dem Virus. Nun mahnen die Bestattungsunternehmer, denn sie stehen am Ende der Kette und auch sie kommen an ihre Grenzen.

„Muss das sein?"

Benedikt Kirchberg von Bestattungen Kirchberg Geschwister Ehmann KG sowie Sascha Schermert vom Bestattungshaus Ehmann sind froh, dass der harte Lockdown jetzt kommt. In ihren Augen war es schon längst an der Zeit, dass etwas gemacht wird. „Seit zwei, drei Wochen ist es unschön, was wir erleben", so Benedikt Kirchberg. Da es noch keine ausreichenden Daten gibt, empfiehlt das Robert-Koch-Institut den Umgang mit Corona-Verstorbenen nach dem Infektionsschutzgesetz. Die Toten werden daher als ansteckend angesehen. Daher steigt der Mehraufwand an Schutzausrüstungen für die Bestattungsunternehmen. Die Körper der Verstorbenen kommen in Leichenhüllen. Ein Waschen und Ankleiden sowie Verabschieden ist bei ihnen nicht möglich. „Es ist nicht in Worte zu fassen, was gerade abgeht", so Sascha Schermert, „es kratzt an der Berufsehre. Wir können die Verstorbenen nicht mehr würdig verabschieden. Schön ist das nicht." Und auch an Kirchberg nagt diese Situation, dass so vieles verloren geht, was sonst bei einer Bestattung und dem Umgang mit den Toten sowie den Angehörigen dazugehört.

Daher können die Bestattungsunternehmer nicht verstehen, dass noch so stark auf die Eigenverantwortung der Bevölkerung gesetzt wird. „Ich denke mir so oft, muss das sein?", so Kirchberg. Er selbst schaut, dass die Kontakte soweit wie möglich eingeschränkt werden, Beratungen der Angehörigen findet übers Telefon statt. Im Unternehmen wird die Sicherheit groß geschrieben. Er hätte sich gewünscht, dass es bereits mit dem Lockdown light eine Regelung für die Bestattungen gegeben hätte. Er wünscht sich nicht so harte Regeln wie im Frühjahr, aber dennoch eine Einschränkung. Rheinland-Pfalz sei da strenger, denn da dürfen nur Familienangehörige und Verwandte 1. Grades an der Beerdigung teilnehmen. „Es sind die alten Leute, die auf Beisetzungen gehen. Diese finden zwar im Freien statt, aber die Menschen stehen eng beisammen. Das sind Gefahrenherde", so Kirchberg.

Finanzielle Herausforderung

Mit dem zunehmenden Bedarf an Schutzausrüstung sind auch die Preise explodiert, was die Bestattungsunternehmen vor eine finanzielle Herausforderung stellt. „Die Preise sind explodiert. Für Schutzhandschuhe, welche wir schon immer im Umgang mit den Toten verwenden, haben sich die Preise verdreifacht", so Schermert. Und zu den gestiegenen Kosten benötigen sie einfach mehr Ausrüstung in dieser Zeit. Kirchberg hat in den vergangenen Jahren immer bis zu 20 Leichensäcke benötigt. „So viele habe ich alleine letzten Woche gebraucht", so Kirchberg.

Und weil sie am Ende der Zahlen stehen, können sie einfach nicht verstehen, dass es noch immer Menschen gibt, welche Corona leugnen oder ihre Kontakte nicht einschränken. „Mir fehlt absolut das Verständnis dafür. Viele Leute haben die Situation einfach noch nicht erkannt, die Gefahr, welche auf uns wirkt", so Schermert, „jeder, der Corona leugnet, sollte mal eine Woche Praktikum mit uns machen." Sie als Bestattungsunternehmer reduzieren ihre Kontakte und setzen sich dennoch täglich durch ihren Beruf dieser gefährlichen Situation aus. Zudem kritisiert Schermert, dass die Bestattungsunternehmen auch ständig vergessen werden. Es dauerte eine Weile, bis sie bei den systemrelevanten Berufen aufgeführt wurden. Um ihre Schutzausrüstung müssen sie sich bis heute selbst bemühen. Dabei fahren sie derzeit an ihren Grenzen.

Und beide glauben, dass der Höchstpunkt noch nicht erreicht ist. Sie rechnen eher damit, dass dieser nach Weihnachten kommt. „Ich kann nur allen raten, sich am Riemen zu reißen", so Kirchberg, „alle können gemeinsam kämpfen und mal nichts tun." Wie alle anderen würde er sich freuen, wenn das Leben wieder normal funktioniert und es geht derzeit vieles verloren, aber mit gemeinsamer Anstrengung ist dies zu meistern. Und dann sollen die Menschen ihre Kontakte einschränken und auf Skype oder Videoanrufe zurückgreifen, damit sie im nächsten Jahr wieder gemeinsam Weihnachten feiern können.

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