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Kurden-Krawalle: Ein Polizist am Ende seiner Möglichkeiten

Dieter Schäfer (56) ist ein überzeugter Polizist. Einer, der Recht durchsetzt. Auch mit harten Mitteln, wenn es sein muss. Da gibt es kein Vertun. Aber auch einer, der immer zuerst an die Vernunft appelliert und im Idealfall nichts durchsetzen muss.

Der Angriff auf die von ihm geführten Beamten durch mehrere Hundert Steinewerfer, darunter Kinder und Jugendliche, beim Mannheimer Kurdenfestival hat ihn verändert: "Ich bin jetzt 33 Jahre im Dienst und habe 2.000 Einsatzstunden bei Menschenansammlungen aller Art verbracht, darunter viele Problemeinsätze. Aber ich bin noch niemals von einer so massiven und gezielten Gewalt überrascht worden", sagt der Polizeidirektor.

Die Bilanz des 8. Septembers 2012 und dreier Gewaltwellen gegen die Polizei: 73 verletzte Beamte, mehrere beschädigte Streifenwagen und weitere Sachschäden. Und eine von CDU-Abgeordneten und Tageszeitungen auf Landesebene geführte Debatte, ob man nicht "härter" gegen die Steinewerfer hätte vorgehen müssen. Hätte man nicht, befanden alle, die sich intensiv mit der Situation auseinandergesetzt haben.

Der Autor

Hardy Prothmann (46) ist freier Journalist in Mannheim und Chefredakteur von Rheinneckarblog. Er war wenige Minuten nach dem massivsten Steinhagel selbst vor Ort und wurde aus der Menge heraus ebenfalls mit Steinen beworfen, als er Fotos von der Szenerie machte.

Dieter Schäfer hat sich den Einsatz in einem Buch von der Seele geschrieben: Die Gewaltfalle schildert eindrücklich eine unfassbare Aggression und eine Polizei nicht nur am Rande, sondern am Ende ihrer Möglichkeiten.

Polizisten im Steinehagel

Das Buch ist eine detailreiche und hochinteressante Dokumentation. Eine Pflichtlektüre für alle, die mit Polizeieinsätzen zu tun haben. Es handelt von der Vorgeschichte eines Marschs von rund 150 Kurden über mehrere Tage von Straßburg nach Mannheim bis zum Hagel Tausender Steine, der urplötzlich auf die Beamten niederging, von denen viele weder Helme noch Schutzkleidung anhatten.

"Ich musste dieses Buch schreiben, für mich und meine Kollegen", sagte der Polizist. Wochenlang habe er nicht schlafen können, Reizhusten bekommen. Folgen einer Belastungsstörung. Was Schäfer umtreibt, ist die Frage nach der Verantwortung: "Von mir wird Führung und umsichtiges Handeln erwartet. Was aber tut man, wenn die staatliche Autorität nicht nur nicht anerkannt, sondern geradezu als hochgradige Provokation gesehen wird?"

Bei der ersten Gewaltwelle wurde eine Hundertschaft Beamte in Straßenuniform auf dem Maimarktgelände von einem wütenden Mob kurdischer junger Männer angegriffen. Die warfen mit allem. Eine Getränkedose erwischte einen Beamten auf der Brust. Der ging zu Boden. Ein weiterer ebenfalls. Die Polizisten hielten die Angreifer mit Schlagstöcken auf Abstand und mussten sich und die verletzten Kollegen einzeln durch ein Drehkreuz vom Gelände retten.

Die Katastrophe war nahe

Herr Schäfer sitzt am Besprechungstisch in seinem Dienstzimmer. Er guckt eindringlich und sagt: "Die Situation war so gefährlich, dass die Beamten zum Selbstschutz von der Dienstwaffe hätten Gebrauch machen können." Und dann: "Stellen Sie sich das mal vor. Es hat wirklich nicht viel gefehlt. Schusswaffeneinsatz auf einem 'Kulturfestival' mit 40.000 Menschen. Wie fürchterlich wäre das gewesen? Das ist überhaupt nicht vorstellbar, aber es war ganz, ganz knapp davor."

Im Buch schildert ein Polizeiobermeisters die Situation so: "Im Pulk von ca. 30-40 Beamten, umringt von Ordnern bewegten wir uns im Steinhagel in Richtung Ausgangstore. Der schreiende und tobende kurdische Mob drängte uns hinterher und warf alles auf uns, was ihnen in die Hände fiel. (...) Ich habe bei meinen bisherigen Einsätzen noch nie so eine gegen uns aufgebrachte, zu allem entschlossene, hasserfüllte, brutale Menschenmenge erlebt."

Was Schäfer im Buch schreibt, schildert er auch im Gespräch: "Allein unsere Gegenwart wurde als massive Provokation verstanden. So gut wie alle Absprachen mit den Organisatoren hatten keine Gültigkeit. Das Maimarktgelände war kurzzeitig ein rechtsfreier Raum - wie ein Krisengebiet."

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