Der mutmaßliche Sporthallen-Brandstifter Maik Schneider (31) hat zwei Wochen vor seiner Verhaftung mitbekommen, dass er observiert wird. Das bestätigten die Anwälte des ehemaligen NPD-Kommunalpolitikers der MAZ. Demnach stieß der Nauener auf einen GPS-Peilsender, als er das Rücklicht seiner T4-VW-Busses reparieren wollte. Das Glas war abgefallen. Schneider habe zum Werkzeugkasten gegriffen, um seinen Wagen wieder in einen verkehrssicheren Zustand zu versetzen, sagte sein Anwalt Sven-Oliver Milke.
Dem Verfassungsschutz des Landes, der den Peilsender Ende Dezember 2015 an dem Transporter angebracht hatte, fiel auf, dass sein elektronisches Ortungsgerät keine Signale mehr sendete. Was Schneider mit der Funkwanze des Verfassungsschutzes nach dem Entfernen tat, ist unbekannt.
Wie gut kannte der Verfassungsschutz Schneider?
Diese Verfassungsschutz-Episode eröffnet in dem Prozess gegen den Mann, der im August 2015 gemeinsam mit anderen Neonazis eine als Flüchtlings-Notunterkunft vorgesehene Sporthalle in Brand gesetzt haben soll, eine neue Flanke. Denn die verschwiegene Behörde spielte im ersten Prozess praktisch keine Rolle. Ihre Erkenntnisse könnten aber neue Rückschlüsse auf die angeklagten Taten liefern.
Die Anwälte gehen davon aus, dass Schneider auch schon vor der Hallen-Brandstiftung beobachtet wurde. „Fand die Brandlegung an der Turnhalle unter den Augen und Ohren des Verfassungsschutzes statt?“ fragt Verteidiger Milke. Er und sein Kollege Mathias Noll wollen den Verfassungsschutz-Chef Frank Nürnberger sowie leitende Mitarbeiter der Behörde als Zeugen laden.
Quellenauswertung auf unterer NPD-Führungsebene
Folgende Anhaltspunkte für eine der Tat vorgelagerte Überwachung sehen Schneiders Verteidiger: Im Dezember 2012 mussten deutschlandweit Geheimdienste ihre Quellen in der NPD-Führungsriege abschalten – Grund war das laufende NPD-Verbotsverfahren. Die Quellenauswertung auf der unteren Führungsebene sei aber weiter gegangen, sagt Anwalt Milke. Und zu jener Gruppe von Parteiaktiven habe auch der Bundestagskandidat und Kreistagsabgeordnete Schneider gehört.
Schneider sei außerdem führend in der Neonazi-Gruppierung „Freie Kräfte Neuruppin/Osthavelland“ gewesen, die ebenfalls im Focus der Behörden gestanden habe. Der NPD-Mann war auch Mitglied der 2009 verbotenen „Heimattreuen Deutschen Jugend“ (HDJ) – das war jener Verein, dessen Pfingstlager der heutige AfD-Landeschef Andreas Kalbitz 2007 besuchte.
Auf Nachfrage teilte das Brandenburger Innenministerium, es seien „keine nachrichtendienstlichen Maßnahmen zum Zeitpunkt des Anschlags auf die Sporthalle“ gelaufen. Hinweise auf den bevorstehenden Brandanschlag habe es nicht gegeben, so Ministeriumssprecher Ingo Decker.
Es sei allerdings „richtig, dass die NPD ein Beobachtungsobjekt des Verfassungsschutzes und Maik Schneider seit 2006 den Behörden als Rechtsextremist bekannt ist“.
Ab Ende Dezember 2015 beziehungsweise Anfang 2016 habe man „zum Einsatz bestimmter nachrichtendienstlicher Mittel gegen Maik Schneider“ gegriffen, weil er als Tatverdächtiger von Nauen galt. Die Sache mit dem Peilsender wollte das Ministerium nicht kommentieren.
Ein Mittäter – mehr nicht?
Der Brandanschlag auf die Flüchtlings-Notunterkunft Nauen im Sommer 2015 hatte bundesweit Entsetzen ausgelöst. Die Bilder des lichterloh brennenden Gebäudes markierten einen Höhepunkt ausländerfeindlicher Gewalt mitten in der Flüchtlingskrise. Schneider hatte im ersten Prozess eingeräumt, das Feuer vor der Halle gelegt zu haben.
Schneiders Anwälte wollen das Gericht jetzt davon überzeugen, dass ihr Mandant bei dem Feuer nur Mittäter war und ursprünglich die Fassade der Turnhalle nur anschwärzen wollte. Das hatte Schneider im ersten Prozess bereits behauptet. Haupttäter soll – so die Darstellung der Schneider-Verteidiger – ein Mitangeklagter der Nauener Neonazi-Zelle sein. Er hatte im ersten Prozess Schneider belastet.
Seit März 2016 sitzt Schneider in Untersuchungshaft. Ihm werden neben dem Brand auch Nötigung wegen der Störung einer Stadtverordnetenversammlung in Nauen und weitere ausländerfeindliche Straftaten vorgeworfen. Im ersten Prozess erhielt der gelernte Erzieher neuneinhalb Jahre Haft. Der Bundesgerichtshof hob das Urteil aber auf, weil ein Schöffe eine parteiische Bemerkung gemacht hatte.
Von Ulrich Wangemann
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