Warum passen zwei Menschen zusammen? In einer Serie sprechen besondere Paare über ihr Leben. Heute: Gwen Weisser und Patrick Allgaier sind dreieinhalb Jahre lang um die Welt gereist. Von Hanna Spanhel
Freiburg - Ein paar Reisegewohnheiten haben sie noch immer nicht abgelegt, aber der klapprige VW-Bus aus Mexiko wurde durch einen Wohnwagen ersetzt, und statt per Anhalter durch Pakistan, Indien oder die Mongolei reisen sie jetzt durchs Ländle, um ihren selbst produzierten Film zu zeigen. Sechs Monate ist es nun her, dass Gwen Weisser (24) und Patrick Allgaier (33) aus Freiburg von ihrer Weltreise zurückkamen, nach 97 000 Kilometern und mit kleinem, angespartem Budget. In diesen Wochen zeigen sie ihren Film "Weit." in ausgewählten Kinos.
Wie sind Sie auf die Idee gekommen, um die Welt zu reisen, ohne dabei ein Flugzeug zu besteigen?
Patrick Allgaier Ich habe es immer bewundert, wenn andere Leute ein Jahr oder länger unterwegs waren. Aber mir hat lange jemand gefehlt, der mitkommt. Dann habe ich irgendwann Gwen kennengelernt . . .
Gwen Weisser Ich habe damals gerade mein Abi gemacht und während dieser Zeit eigentlich nur aus dem Fenster geguckt und überlegt, was ich alles mache, wenn ich fertig bin. Ich hatte den Plan, über Land Richtung Mongolei zu reisen - alleine. Dann haben wir uns kennengelernt, und es war ziemlich schnell klar, dass wir zusammen losgehen.
Patrick A. Es hat dann noch gedauert, bis wir alles vorbereitet und genug Geld gespart hatten. Als wir losgereist sind, waren wir ein Jahr zusammen - und noch frisch verliebt.
War es nicht riskant, nach so kurzer Zeit als Paar zusammen eine lange Reise zu planen?
Gwen W. Wir haben damals gar nicht groß darüber nachgedacht. Man weiß ja eh nie, wie es wird, und so eine Reise kann man ja jederzeit abbrechen.
Patrick A. Wir waren einfach neugierig darauf, die Welt kennenzulernen und Menschen zu begegnen. Dieses Gefühl war viel stärker als irgendwelche Gedanken darüber, was theoretisch alles schiefgehen könnte. Das war vielleicht auch das Besondere.
Sie sind dreieinhalb Jahre gereist, von Süddeutschland bis in den Iran, durch Pakistan, die Mongolei, China und Mittelamerika. Was haben Sie dabei voneinander gelernt?
Patrick A. Gwen ist spontaner als ich. Ich habe den Weg gezeigt, und Gwen ist immer wieder nach rechts und links abgebogen. Ich habe von ihr gelernt, mich einfach treiben zu lassen, nicht immer nur stur geradeaus zu gehen.
Gwen W. Und ich habe von Patrick gelernt, auch mal ruhiger zu sein, mal nur zuzuhören, statt immer gleich vorzupreschen.
Patrick A. Wir haben beide gelernt, den anderen so zu akzeptieren, wie er ist. Wenn Gwen anders mit Dingen umgeht, meiner Ansicht nach unstrukturierter, dann versuche ich, ihr nicht zu erklären, dass sie es so machen soll, wie ich das mache. Sie hat ihren eigenen Stil und kommt zu einem eigenen, guten Ergebnis.
Gwen W. Diese Unterschiede zu bewahren ist, glaube ich, superwichtig. Also eben auch zu sagen: Ja gut, dann findet er halt Fußball toll. Dieser Prozess ist aber noch in Arbeit (lacht).
Was war auf der Reise die größte Herausforderung für Ihre Beziehung?
Patrick A. Nicht zu einer Person zu werden, auch nach außen hin nicht. Wir sind ja immer zusammen gewesen, 24 Stunden am Tag.
Gwen W. Nach ungefähr einem Jahr, in Indien, wollte ich mal alleine losziehen - um zu sehen, was ich eigentlich selbst kann, was ich mich ohne Patrick traue und wer ich eigentlich alleine bin. Vier Wochen wollten wir getrennt reisen. Nach einer Woche haben wir uns wieder getroffen, zufällig, weil wir beide auf das gleiche Festival wollten - und dann sind wir doch zusammen weiter. Ich hatte schon in dieser einen Woche gemerkt, dass das Reisen genauso gut alleine funktionieren würde. Aber diese Bestätigung zwischendrin habe ich gebraucht, weil es krass ist, wenn man so verschmilzt.
Patrick A. Ich bin nicht der Typ, der alleine reisen würde. Für mich war es extrem schön, wenn wir abends im Zelt lagen und den ganzen Tag noch mal durchdacht haben: wen wir alles getroffen haben, was alles passiert ist. Zu zweit kann man viele Dinge besser verarbeiten und analysieren. Das ist ein wichtiger Prozess auf so einer Reise, weil man viel Input hat.
Gwen W. Ich habe Patrick oft einfach zugehört. Manchmal bin ich dabei eingeschlafen.
Wie funktioniert ein gutes Reiseteam?
Gwen W. Wichtig ist, dass jeder seinen Bereich hat, in dem er stärker ist als der andere – und man sich genau darin gut ergänzt.
Patrick A. Die Grundphilosophie und das Verständnis vom Reisen müssen schon ähnlich sein. Gwen und ich sind beide nicht zimperlich, wenn es mal etwas unbequemer wird.
Gwen W. Wichtig ist auch, dass jeder dazu bereit ist, Kompromisse einzugehen.
Ging es gut, solche Kompromisse zu schließen?
Patrick A. Ja. Irgendwann hatten wir ein Gefühl dafür, wann dem anderen etwas wichtiger war, und dann haben wir das so gemacht. Aber ohne Strichlisten zu führen – das hat sich von alleine ausgeglichen.
Gab es denn überhaupt keine Unstimmigkeiten?
Patrick A. Wenn’s wirklich mal richtig stressig war, etwa weil wir irgendwo kein Visum bekommen haben, dann waren wir schon gereizt. Aber das war stets den Umständen geschuldet.
Gwen W. Während der Reise haben wir uns lustigerweise nie richtig gezofft. Wir hatten ja auch die Zeit, viel zu kommunizieren.
Patrick A. Wenn uns etwas stört, sprechen wir das direkt an. Die Nähe auf der Reise hat das leichter gemacht – wenn man nebeneinander ist, spürt man vieles.
Gwen W. Erst am Ende der Reise waren wir angespannter und haben uns ab und zu angezickt – in den letzten drei, vier Wochen, als wir von Barcelona aus nach Hause gelaufen sind und immer nervöser wurden.
Patrick A. Da waren wir auch körperlich manchmal wirklich am Anschlag. Das hat dann auf die Laune geschlagen.
Ist Ihnen eine besonders heikle Situation von der Reise im Kopf geblieben?
Gwen W. Wir haben uns in Mexiko einen Bus gekauft, als wir wussten, dass wir ein Kind kriegen. Der Bus lief aber nicht richtig, und wir sind von Werkstatt zu Werkstatt gezogen. Es war klar, dass es mit unserem Kind ohne den Bus nicht weitergegangen wäre.
Patrick A. Geschweige denn, dass wir genug Geld gehabt hätten, uns einen neuen zu kaufen. Irgendwann konnte der Bus aber doch noch repariert werden.
Bruno, Ihr Sohn, kam im Mai 2015 in Mexiko zur Welt. Haben Sie nie darüber nachgedacht, die Reise abzubrechen, als das klar war?
Gwen W. Wir haben uns offengehalten, nach Hause zu fahren, wenn es Probleme geben sollte. Aber es war ziemlich schnell klar, dass wir weiterreisen, auch schwanger und mit Kind.
Patrick A. Wir waren zuversichtlich, dass wir auch in Mexiko Leute finden würden, die ähnliche Vorstellungen von einer Geburt haben wie wir – und so war es dann auch.
Gwen W. Wir wussten auch: Wenn wir nach Hause gehen, muss einer von uns wieder arbeiten. Und wenn wir weiterreisen, sind wir rund um die Uhr als Familie zusammen. Das war natürlich ein unschlagbares Argument.
Was hat sich durch die Geburt von Bruno auf der Reise verändert?
Gwen W. Ein Kind ist definitiv eine Herausforderung für eine Beziehung. Da geht es dann eben nicht mehr nur darum, Kompromisse untereinander zu finden, sondern da ist dann auf einmal noch ein neues, völlig anderes Bedürfnis. In Bezug auf das Reisen hat das bedeutet, dass wir uns viel weniger mit den fremden Kulturen beschäftigt haben. Wir haben uns stärker auf uns konzentriert und die Hauptenergie in unsere Familie gelegt.
Patrick A. Man ist natürlich automatisch organisierter. Die ersten zwei Jahre haben wir uns beim Reisen völlig treiben lassen – da war auch nicht wichtig, wo wir abends schlafen. Manchmal sind wir bis nachts noch getrampt. Mit Bruno wäre das nicht gegangen – wir mussten gucken, dass wir regelmäßig essen und schlafen. Das war eine völlige Umstellung.
Jetzt sind Sie zurück in Ihrer Heimatstadt Freiburg und kümmern sich erst einmal um den Vertrieb von dem Film, den Sie aus den Reiseaufnahmen produziert haben. Bleibt etwas von dem zurück, was Sie auf der Reise gelernt haben? Gwen W. Hoffentlich die Flexibilität – einfach zu gucken, was kommt. Und das Wissen, dass man mit einer positiven Einstellung und mit Vertrauen in die Welt weit kommen kann.
Patrick A. Wir wurden auf unserer Reise fast nie enttäuscht. Im Gegenteil, die Sachen, die man sich so denkt über Pakistan oder den Iran, stellen sich vor Ort ganz anders dar. In unserem Film sagen wir: Wir haben Fantasie mit Erfahrung getauscht. Wir haben gelernt, dass es nichts bringt, alles detailliert zu planen. Das zeigt sich jetzt wieder: Wir hatten nicht geplant, einen Kinofilm zu machen. Jetzt geht dieses Projekt auf seine Reise – und wir auch. Wir haben einen kleinen Wohnwagen, darin schlafen wir, solange wir mit dem Film durchs Land touren. Das alles wird uns wieder irgendwo hinführen.
Gwen W. Wir haben keinen Plan für die nächsten fünf Jahre. Aber wir haben gelernt, große Träume zu haben – und in kleinen Schritten zu planen. Und für unsere Beziehung: sich nicht stressen zu lassen und sich Zeit zu nehmen für das Kommunizieren.
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