Gerd Blank

Autor, Text, Podcast, Moderation, Hamburg

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ANC-Kopfhörer JBL Club 950 NC im Test: Wuchtig mit ANC

Anfang Design Soundqualität Akku Preis Fazit Kommentare Bequemer Sitz Gute Verarbeitung Lange Akkulaufzeit Die 200-Euro-Kopfhörer von JBL locken mit ANC und Flaggschiff-Technik aus dem Club One. TechStage hat das Over-Ear-Modell in der Praxis getestet. Schwache Tiefen Hohes Gewicht Durchschnittlicher Klang ab 195,00 Euro

On- und Over-Ear-Kopfhörer mit ANC gehören mittlerweile zum Standardrepertoire der meisten Hersteller. In den letzten Monaten haben wir folgende Modelle getestet:

Weitere Kopfhörer mit aktiver Geräuschunterdrückung finden sich auf unserer ANC-Themenseite.

Der JBL Club 950 NC kann sich ganz schön klein machen: Nimmt man die relativ kleine Schutzhülle in die Hand, mag man kaum glauben, zu welcher Größe sich der Kopfhörer entfaltet. Der 372 g recht schwere Over-Ear-Kopfhörer liegt wuchtig in der Hand. Die Treiber und Batterien stecken im hochwertigen Kunststoff der Hörteile, die wiederum an einem Stahlbügel angebracht sind. Das flexible Scharnier erlaubt es, dass sich die Hörer leicht schwenken lassen, wodurch der JBL Club auf ganz unterschiedliche Kopfformen passt. Zieht man die Stahlhalterung aus dem Kopfbügel, hört man ein sattes Geräusch, was man bei Kopfhörern dieser Preisklasse eher selten wahrnehmen kann. Beim Verbindungskabel zwischen den beiden Hörteilen hat JBL aus der Not eine Tugend gemacht: Statt dieses möglichst zu verstecken - was bei dem Scharnier auch kaum möglich wäre - hat man auf ein Textilkabel gesetzt und es so wie ein Design-Element in Szene gesetzt. Die Verarbeitung ist sehr gut, alles fühlt sich wertig und vor allem stimmig an. Die dicken Polster aus Memory-Schaum sind mit weichem Kunstleder bezogen, zudem sind die Polster magnetisch befestigt und lassen sich so leicht austauschen. Auch der Kopfbügel ist gepolstert. Dadurch sitzt der JBL Club trotz des hohen Gewichts auch nach längerem Tragen sehr bequem.

Das Design des Club 950 NC ist unauffällig.

Bei den Bedienelementen hat JBL einen Tick zu viel gewollt: Auf der linken Seite befindet sich direkt auf der Rückseite des Hörers eine große Aktionstaste zur Steuerung des Google Assistenten. Per App lässt sich immerhin festlegen, ob man die Assistenz von Google oder Amazon nutzen möchte. Nutzt man dieses System nicht, ist die Taste nutzlos. Mehr noch: Drückt man versehentlich darauf, sagt eine nette Stimme: The Google Assistent ist not connected. Danke für diesen Hinweis, aber das wussten wir selbst. Schön wäre es, wenn die Taste für andere Zwecke belegt werden könnte - oder sie zumindest ausschaltbar wäre. Zumal man beim Zurechtrücken des Kopfhörers immer wieder gegen die Taste stößt. Auf der hinteren Kante der linken Seite befinden sich noch der Powerbutton, die Bluetooth-Taste, eine Taste zur Aktivierung von ANC und Talkthru sowie den Anschluss für ein Klinkenkabel. Auf der rechten Seite gibt es Lautstärke-Tasten mit einem Multifunktionstaster in der Mitte, eine Taste zur Bass-Verstärkung und den USB-C-Anschluss zum Aufladen.

Die Verarbeitung des JBL Club 950 NC ist prima, das Design ist gefällig, allerdings ohne Chance, dafür einen Preis verliehen zu bekommen. Es ist eher ein optisch unauffälliger Kopfhörer. In der Verpackung sind neben dem Case auch ein Textil-Klinkenkabel mit Fernbedienung und Mikrofon und ein flaches USB-C-Ladekabel enthalten.

Beim Übertragungs-Codec bietet der JBL Club 950 NC mit SMB lediglich sparsame Standardware. Dennoch wird der Sound ordentlich dargestellt, bei Film und Spielen gibt es keine spürbare Latenz. Da das Ding nun einmal das Wort Club im Namen trägt, gehen wir mit dem ersten Track unserer Test-Playlist genau dorthin.

Mit Bline macht Bronson den Dancefloor klar. Ein paar Geräusche, in paar höhere Synthie-Samples und Voice-Loops bilden das Intro. Die JBL bieten dem Klang viel Raum, der Sound entfaltet sich langsam, mit geschlossen Augen fühlt man sich fast, als wäre man mittendrin. Dann setzen Beats und Bässe ein - und die aufgebaute Spannung verpufft. Das klingt nicht nach Club, sondern nach Kindergeburtstag, bei dem die Nachbarn nicht verärgert werden sollen. Die Bässe existieren nur dem Namen nach, kein Druck, kein Flair. Mehr noch: Wo eben noch die Höhen für Klarheit sorgten, werden sie hier zum Störenfried. Die ordentlichen Mitten versuchen den Sound beieinander zu halten - scheitern aber.

Die Verarbeitung ist hochwertig.

Nächster Versuch, diesmal mit Forwardism von Rival Consoles, ein Sound, der den JBL gefallen müsste. Und wieder ein überzeugender Einstieg, die ersten elektronischen Klänge strotzen nur so vor Klarheit, vielleicht sogar einen Tick zu sehr, denn in den Spitzen verzerrt der Sound ein wenig. Leicht schleicht sich von Hinten der Bass an, ebbt kurz ab, nur um dann endlich ein Fundament aufbauen zu wollen. Aber es fehlt ihm die Kraft. Das Potenzial für mehr Power ist zwar da, aber irgendwie traut sich der Club nicht, seine Power zu entfesseln. Wie ein sensibler Muskelprotz, der lieber ins Ballett geht, als in den Sportclub.

Aber vielleicht ist mit Club ja auch eher so ein elitärer Verein gemeint, in dem es um leise Töne geht. Und die gibt es von Haux auf Of The Age. Grillen zirpen im Hintergrund, eine Gitarre erklingt, die fast flüsternde Stimme von Woodson Black setzt ein, ganz nah am Ohr, eindringlich, schön. Der Sound erobert die gesamte Wahrnehmung, warm und weich schafft es der Bass endlich, die richtige Balance zwischen Zurückhaltung und Kraft zu zeigen. Die Höhen sind ein wenig scharf, aber das hält sich noch im akzeptablen Rahmen. Die Mitten haben allerdings bei steigender Dynamik ein wenig Mühe mit der genauen Klang-Differenzierung. Aber hey, wir sind ja im Club - und da werden Details mit einem dicken Pinsel gemalt.

Zum Schluss noch ein bisschen deutscher Schlager, wobei Julian le Play seine Musik wahrscheinlich eher als Poesie bezeichnen würde. Aber der JBL Club mag den Sound. Die Stimme, nimmt viel Raum ein, sehr klar, sehr voll. Man kann sich richtig vorstellen, wie der Baukasten-Sound im ZDF Fernsehgarten zum Mitklatschen animiert. Nein, fein ist der Sound auch hier nicht - was aber nicht am Track liegt. Der JBL Club 950 NC ist beim Sound das, was Fast Food bei der Ernährung ist: Es schmeckt erst einmal ganz ordentlich, aber je länger man darauf rum kaut, desto mehr fehlt der Biss.

Die Bedienelemente des Club 950 NC.

Aber wollen wir mal Fair bleiben: Per App lässt sich der Okay-Sound nach ganz persönlichen Vorlieben verbessern. Dafür hat JBL nicht nur einen manuellen Equalizer integriert, sondern auch verschiedene Presets voreingestellt. Der Vorteil an dieser Methode ist, dass man mit dem Club sowohl Fans ganz unterschiedlicher Stilrichtungen ansprechen kann. Wir finden es aber insgesamt eher störend, wenn man für einen möglichst optimalen Sound eine App nutzen muss.

JBL hat dem JBL Club ANC spendiert. Dabei handelt es sich in diesem Fall um die Geräuschunterdrückung Adaptive Noise Cancelling. Dabei wird der abgespielte Sound so verändert, dass Umgebungsgeräusche nicht mehr so stark wahrnehmbar sind. Im Gegensatz dazu werden - grob gesprochen - beim Active Noise Cancelling Umgebungsgeräusche erfasst und ein entsprechender Antischall zur Neutralisierung eingesetzt. Den Unterschied hört man, wenn keine Musik abgespielt wird: Die aktive Methode ist in dem Szenario der adaptiven deutlich überlegen. Durch die komplette Ohrabdeckung beim JBL Club werden Außengeräusche grundsätzlich sehr gut abgeschirmt, dadurch ist der Effekt generell eher gering. Die Talkthru-Funkion funktioniert dagegen sehr gut, sobald diese aktiviert ist, kann man dem Geschehen unterwegs gut folgen. Insgesamt spielt der JBL Club 950 auch in dieser Disziplin in einer deutlich niedrigeren Klasse als Sony mit dem WH-1000XM3 (Testbericht) und Bose mit seinen NC 700 (Testbericht) oder dem Quietcomfort 35 II (Testbericht).

Laut Hersteller hält der nicht wechselbare Akku, abhängig von der gewählten Lautstärke, bis zu 55 Stunden durch, wenn lediglich Bluetooth aktiviert ist. Mit zusätzlich eingeschaltetem ANC reduziert sich die Laufzeit auf immer noch ordentliche 22 Stunden. Im Kabelbetrieb und mit ANC kommt man auf 30 Stunden. Das sind erfreuliche Werte, die für ein paar Bonuspunkte sorgen.

Der UVP des JBL Club 950 NC liegt bei 222 Euro. Der tatsächliche Marktpreis liegt mittlerweile knapp unter 200 Euro. Für einen Kopfhörer in dieser Qualität und mit den Leistungswerten ist das ein fairer Preis.

Mit dem Club 950 NC versucht JBL den Spagat zwischen Flaggschiff und Einstiegsmodell. Und den Platz in der Mittelklasse hat sich der Kopfhörer redlich verdient. Die Verarbeitung ist sehr gut und der Tragekomfort trotz des zu hohen Gewichts hoch. Die Bedienung ist durch die vielen Tasten allerdings unnötig kompliziert, die Taste für den Sprachassistenten lässt sich weder deaktivieren noch neu belegen. Das eher langweilige Design sorgt nicht für Begeisterungsstürme, dafür unterwirft sich JBL keinen modischen Trend, der Kopfhörer ist auch in ein paar Jahren noch tragbar. Die Sound-Qualität ist insgesamt in Ordnung - ohne Ausreißer nach oben und unten. Der Bass hat wenig Druck, die Höhen sind an einigen Stellen überbetont und die Mitten haben bei einigen Genres Mühe, für einen klanglichen Zusammenhalt zu sorgen. Dafür ist die Akkuleistung vorbildlich.

Auch wenn es negativer klingt, als es gemeint ist: Der Club 950 NC ist einer dieser kann-man-machen-Kopfhörer - man macht damit mehr richtig als falsch. Andere interessante Modelle in dieser Preisklasse sind beispielsweise der Jabra Elite 85h (Testbericht), der Skullcandy Crusher (Testbericht) oder der Teufel Real Blue NC (Testbericht).

Übrigens: Alle Testtracks sind auf der Spotify-Playlist „In the name of the review" zu finden.

Permalink: https://techstage.de/-4872083

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