Gerd Blank

Autor, Text, Podcast, Moderation, Hamburg

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Creative Outlier Gold: Dauerläufer mit Schwächen

Anfang Design Handling Sound Akku Preis Fazit Kommentare Lange Laufzeit Guter Sitz Highres True Wireless steht auch bei Creative im Fokus. Der Soundspezialist verzichtet beim Outlier Gold zwar auf Kabel, spendiert ihm aber einige Extras. Wie das klingt, verrät der Test. Mitten und Höhen mäßig Unausgewogener Sound Material wirkt billig ab 86,14 Euro Neueste Artikel E-Scooter-Test: Preis-Leistungs-Kracher Iconbit IK-1969K Auch E-Scooter im unteren Preissegment sind mittlerweile sehr brauchbar, wie der Test des sehr günstigen E-Tretrollers Iconbit IK-1969K zeigt. Verdunstungskühler im Vergleich: Kühle Brise ab 20 € Tronxy X5SA im Test: Günstiger 3D-Drucker mit XL-Bauraum Realme X3 SuperZoom im Test: Schnäppchen mit Makel Roborock S6 MaxV im Test: Is(s)t kein Scheiß Mehr Aktuell auf TechStage E-Scooter-Test: Preis-Leistungs-Kracher Iconbit IK-1969K Verdunstungskühler im Vergleich: Kühle Brise ab 20 € Tronxy X5SA im Test: Günstiger 3D-Drucker mit XL-Bauraum

Auch Creative will weiter im True-Wireless-Geschäft mitmischen. Wir testen, wie gut die Kopfhörer gegenüber der Konkurrenz abschneiden und klären, ob sich der Kauf lohnt. Der Test erscheint in unserer Themenwelt zu True-Wireless-Kopfhörern.

Dort haben wir beispielsweise erst kürzlich die Sennheiser Momentum True Wireless 2 (Testbericht) und die Soundcore Spirit Dots 2 (Testbericht) getestet. Im Ratgeber True-Wireless-Kopfhörer: Wie viel muss man investieren? zeigen wir zudem, wie viel vernünftige True-Wireless-Headsets kosten. Und wir prüfen im Artikel Die günstigsten True-Wireless-Kopfhörer, wie gut die wirklich billigen Geräte sind.

Das Design der True-Wireless-Kopfhörer von Creativeist eine runde Sache - im wahrsten Sinne. Alles wirkt geschwunden, Symmetrie sucht man vergebens. Die Rückseite der goldfarbenen Kopfhörer wird komplett von einem runden Bedienelement eingenommen. Dieses reagiert auf Druck und nicht auf Touch. Zum schwarzen Klangtrichter hin erweitert sich der Körper, nur um sich bis zum Silikonaufsatz zu verjüngen. Von der Seite und in der richtigen Position hat der Kopfhörer die Form von einem Apostroph. Um den großen Button herum sitzt ein LED-Ring, der zur Signalisierung von bestimmen Betriebszuständen in verschiedenen Farben aufleuchtet. Vor Spritzwasser und Schweiß besteht keine Gefahr, die Kopfhörer sind mit dem Standard IPX5 zertifiziert.

Die Ladebox ist farblich im gleichen Goldton gehalten wie die In-Ears. Um die Box zu öffnen, wird eine Schublade herausgedrückt, in der die Kopfhörer magnetisch halten. An einer Seite befindet sich Ladeanzeige für die Kopfhörer und die Box sowie der USB-C-Anschluss. Die längliche Ladebox wiegt 54 g, die Kopfhörer jeweils 10 g.

Die Ladekontakte sind gut zu erkennen.

Die Verarbeitung von Box und Kopfhörer ist gut und solide, aber bei der Materialwahl ist noch viel Luft oben. Der Korpus der In-Ears wirkt so, als wäre er aus günstigem Plastik hergestellt worden. Auch die Ladebox fühlt sich eher nach Discounter als nach Boutique an. Bei den Silikonaufsätzen wurde ebenfalls gespart, sie sind äußert dünn. Dafür war Creative bei der Anzahl der Aufsätze großzügig, denn insgesamt liegen für jede der drei Größen zwei Paar in der Verpackung.

Ein USB-C-Kabel zum Nachladen gehört ebenfalls zum Lieferumfang.

Zur erstmaligen Einrichtung werden die In-Ears aus dem Ladeetui genommen, wodurch sie sich automatisch einschalten und in den Bluetooth-Modus wechseln - erkennbar am rot-blauen Blinken. Die Verbindung wird per Smartphone mit einem der beiden In-Ears hergestellt. Bei uns heißt dieser in der Bluetooth-Liste „Outlier Gold R (SX:a!zjEZdTW)". Der andere wird in der Liste lediglich mit Headset aufgeführt - wir sind unsicher, was uns besser gefällt. Sind die beiden Goldstücke verbunden, funktionieren sie ohne weitere Einrichtung. Allerdings gibt es für Smartphones die SXFI-App, mit der vor allem ein Equalizer eingestellt wird.

Es gibt keine Sensoren, die erkennen, ob die Outlier in die Ohren gesteckt oder herausgenommen werden. Das bedeutet, dass die Musik weiterspielt, wenn man sie entnimmt und nicht startet, wenn man sie einsetzt.

Für die Bedienung werden die beiden großen Tasten auf der Rückseite der In-Ears genutzt - und das ist äußerst unangenehm. Will man Musik starten oder stoppen, muss der Button auf einer der Seiten einmal gedrückt werden. Der Druckpunkt ist aber sehr hart - mit jedem Druck wird der In-Ear gleichzeitig tief ins Ohr gedrückt. Schlimmer wird es, wenn mit zweimaligem Drücken zum nächsten Track (rechts) oder vorigen Track (links) gedrückt wird. Und am schlimmsten ist es, wenn durch Gedrückthalten der Taste die Lautstärke reguliert wird. Wir sind nach kurzer Zeit dazu übergangen, die Bedienung direkt am In-Ear zu vermeiden und haben dafür lieber das Smartphone benutzt.

Wo Design und Hardware Schwächen hat, punktet der Sound - denn damit kennt sich Creative aus. Die Outlier Gold nutzen die Standards AAC und SBC, darüber hinaus ist auch der höherauflösende Standard aptX an Bord. So eignen sie sich auch zum Fernsehen oder zum Zocken.

Starten wir unsere Test-Playlist "Provinz". Die Newcomer stammen aus der Umgebung von Ravensburg und haben gerade das Album „Wir bauten uns Amerika" veröffentlicht. Der Song „Chaos" beginnt mit leichten Gitarrengeklimper, leichten Schlägen auf die Drums und einem tiefen „Ahaha" von Jungmännerstimmen. Als der Gesang einsetzt, öffnet sich schnell der akustische Raum. Das Tiefenfundament macht einen ordentlichen Job, die Mitten sind aber nur mittelmäßig, die Höhen ein bisschen scharf. Es fehlt die Nähe und Wärme.

Die Schublade wird seitlich herausgeschoben.

Die gibt es bei „Lianne La Havas" mit Bittersweet in Hülle und Fülle. Bass und Keyboard geben den groovigen Takt vor. Das Schlagzeug setzt mit geschickt platzierten Breaks ein. Ein wohliger Sound, als wäre man mit einer Zeitmaschine in die 70er gereist, um bei Motown reinzuhören. Die samtige Stimme von Lianne La Havas fängt sachte an, steigert sich immer mehr und legt sich wie ein Schirm über die unaufgeregte Soundcollage. Die Outlier schaffen es insgesamt ganz prächtig, den Sound wiederzugeben. Allerdings wirkt es ein wenig gedämpft in den Mitten, als lägen ein paar Lagen zu viel Stoff über den Boxen. Fast klingt es so, als würde man die Musik mit einer alten Anlage hören, ganz analog und ohne technischen Schnickschnack. In diesem Fall wird die klangliche Schwäche sogar zu einer Stärke - zumindest für diesen Song.

Probieren wir mal ein bisschen Großraumdisko mit David Guetta. „Kill Me Slow" beginnt mit dem typischen treibenden Synthie-Sound, der ein bisschen so klingt wie ein hochgepuschter Klingelton, den man früher bei einer Abo-Falle versehentlich auf sein Tastentelefon geladen hat. Dennoch haben wir die Lautstärke mal auf Anschlag gestellt - schönen Gruß an dieser Stelle an den HNO-Arzt. Der Sound nimmt an Fahrt auf, die Bässe wummern, die Drum-Loops duffdischen herum, die Synthietapete versucht sich aus dem Hintergrund heraus Gehör zu verschaffen. So muss es klingen, wenn man zu lange ohne Hörschutz an den Boxen gestanden hat: kein Ausdruck, Bässe zu lasch, die Mitten langweilig und die Höhen bringen kaum Klarheit in den Soundwust. Schnell weg hier.

Mit Run The Jewels und deren Track „Ooh la la" schließen wir die Playlist. Schräge Piano-Klänge, ein paar Rhymes und dann ein treibender Bass - man wird automatisch zum Kopfnicker. Musikalisch passiert nicht viel, die Dynamik wächst durch die ständige Wiederholung der Tonfolgen und der Strophen. Der Bass arbeitet und pumpt, er klopft mit Wucht an die Tür, tritt aber nicht hindurch. Es fehlt zwar nicht viel Power - aber sie fehlt. Und wieder sind es die Mitten, die verwaschen wirken, statt dem Song Halt zu geben. Und die Höhen sind wahrscheinlich gerade mit den Gedanken ganz woanders und kümmern sich nur mit halber Kraft darum, für mehr Klarheit zu sorgen.

Der Sound ist - um es positiv zu formulieren - mittelmäßig. Aber Creative wäre nicht Creative, wenn es nicht noch einen Ass im Ärmel hätte. Das Unternehmen hat mit der Eigenentwicklung Super X-Fi noch ein wenig an der Soundschraube gedreht. Sounds, die lokal auf dem Smartphone gespeichert sind und mit der App abgespielt werden, erhalten einen nach Herstellerangaben „kinoreifen Sound". Im Test haben wir die Sounds ohne diesen Sound-Turbo gehört, da wir feststellen wollten, wie gut die Outlier mit Bordmitteln arbeiten. Dennoch lässt sich sagen, dass Musik über diese Einstellung tatsächlich mehr Druck an allen Ecken und Enden bekommt, ohne dabei zu versuppen. Man kann das mit einer Bildbearbeitungs-App fürs Smartphone vergleichen. Fotos können durch Filter und Einstellung verändert werden, damit sie auf dem kleinen Display deutlich besser, schärfer oder farblich intensiver aussehen. Allerdings ist das häufig eine Augenwischerei: Vergrößert man das Foto nach der Bearbeitung, verliert es an Brillanz. So ähnlich wirkt auch der Sound-Turbo: Die Musik wird lediglich für die Qualität der In-Ears und die Größe der Treiber optimiert. Wir hätten uns gewünscht, dass man dafür keine App benötigt, sondern dass die In-Ears von Haus aus den bestmöglichen Klang liefern. Außerdem bringt der Sound-Turbo nichts, wenn man seine Musik per Spotify & Co. hört. Die genannten Testtracks sind auf der Spotify-Playlist „In the name of the review" zu finden.

Die App hilft bei der Optimierung des Sounds.

Bei Telefonaten machen die Outlier Gold keinen herausragenden, aber immerhin einen ordentlichen Job. Und als wir die In-Ears für eine Netflix-Session genutzt haben, konnten wir keine Verzögerungen feststellen.

Laut Creative halten die Outlier Gold bei mittlerer Lautstärke rund 14 Stunden durch. Ein überragender Wert, selbst wenn dieser in der Praxis nicht ganz erreicht wird. In Verbindung mit dem Ladeetui sind insgesamt sogar bis zu 39 Stunden Laufzeit drin. Das gibt ein Sternchen im Klassenbuch.

Der Preis der Creative Outlier Gold ist mit über 80 Euro zwar in Ordnung, ein Schnäppchen sind die Kopfhörer allerdings nicht.

Die Outlier Gold von Creative sind in vielen Punkten mittelmäßige Kopfhörer, was überhaupt kein Problem bei dem Preis ist. Die Verarbeitung ist gut, das Material wirkt dagegen billig. Das Design ist gefällig, dagegen stehen fehlende Sensoren und eine unschöne Bedienung.

Die Akku-Laufzeit ist großartig, die App dagegen unausgereift. Der Sound ist in Ordnung, wenn man keine großen Erwartungen hat. Wer zum Beispiel vor allem Podcasts und Hörbücher hört oder Filme mit Kopfhörer schaut, kann zugreifen. Auch all jene, die Musik nur zum Sport oder als Hintergrundbeschallung nutzen, werden sicher zufrieden sein. Wer allerdings einen mindestens ausgewogenen Sound erwartet, wird nicht glücklich. Und der Soundturbo entpuppt sich als Rohrkrepierer, wenn man seine Musik streamt. Insgesamt macht man bei dem relativ günstigen Preis für das Gesamtpaket nicht viel falsch - aber eben auch nicht alles richtig.

Wer sich mehr Klangqualität wünscht, sollte sich die Sennheiser Momentum True Wireless 2 (Testbericht) ansehen. Diese bieten Spitzensound, auch ohne App. Allerdings sind sie bedeutend teurer. Für kanpp 180 Euro wären auch die RHA True Connect (Testbericht) eine Überlegung wert.

Weitere Einzeltests und Ratgeber gibt es in unserer Übersicht zur Themenwelt True-Wireless-Kopfhörer.

Permalink: https://techstage.de/-4846840

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