Gerd Blank

Autor, Text, Podcast, Moderation, Hamburg

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Die Wirklichkeit, zum Greifen nahe

Spricht man von dem Effekt, den virtuelle oder fiktionale Welten auf einen Betrachter haben, wird dafür üblicherweise der Begriff „immersiv" verwendet. Dieser leitet sich vom englischen „immersion" ab - was so viel wie „eintauchen" oder „Vertiefung in eine Sache" bedeutet. Dabei vermindert sich die Wahrnehmung der realen Welt, der Betrachter identifiziert sich zunehmend mit der fiktiven Welt: Er taucht sozusagen komplett in die Scheinwelt ein. Mit der Immersive Technology wird also die Realität komplett in der digitalen Welt abgebildet - oder mit ausgewählten Informationen angereichert.

Man unterscheidet dabei zwischen zwei Varianten: Bei Virtual Reality (VR) handelt es sich um eine vollständig computergenerierte, interaktive Umgebung. Augmented Reality (AR) erweitert dagegen die mit einer Kamera erfassten Bilder der Wirklichkeit um digitale Funktionen. Zusammengefasst kennt man beide Technologien auch unter der Bezeichnung Mixed Reality (MR). VR und AR eint, dass Nutzer in den jeweiligen Welten relativ frei navigieren können - ganz egal, ob die Inhalte per Datenbrille oder auf einem Bildschirm dargestellt werden. Jan Christoph Jähne, der bei DB Systel das Venture Immersive Technology betreut, erklärt es so: „Man kann sich eine Linie vorstellen, von der sich links die Realität befindet und rechts die komplette digitale Welt. Je weiter man nach rechts wandert, desto mehr verschwindet die Realität." Der Nutzer taucht also in eine virtuelle Welt ein, in der die Elemente aus der Realität keine Rolle mehr spielen. Mixed Reality (MR) ist wiederum eine Mischung beider Varianten.

Virtual Reality (VR) Das gesamte Sichtfeld des Anwenders wird durch ein virtuelles Sichtfeld überdeckt.

Augmented Reality (AR) Das reale Sichtfeld wird mit virtuellen Objekten und Informationen überlagert.

Mixed Reality (MR) Der Begriff beschreibt generell Umgebungen oder Systeme, die die natürliche Wahrnehmung eines Nutzers mit einer künstlichen (computererzeugten) Wahrnehmung vermischen.

Immersive Technology Mit der Technologie wird die Grenze zwischen der physischen Welt und der digitalen oder simulierten Welt verwischt und dadurch ein Gefühl der Immersion (des Eintauchens) erzeugt.

Für die Hersteller von Hardware und Software ist dieses Eintauchen in eine virtuelle Realität fast schon ein alter Hut. Sowohl Google, Microsoft, Facebook oder HTC beschäftigen sich bereits seit Jahren damit, dass Nutzer mit ihren Geräten in eine digitale Nachbildung der Realität eintauchen und diese interaktiv nutzen können. „Besonders in den vergangenen zwei Jahren haben immersive Technologien deutlich an Fahrt aufgenommen", sagt Jähne. „Durch eine höhere Rechenleistung, bessere Grafik und schnellere Prozessabläufe ist einerseits die Darstellung realistischer, andererseits lassen sich Projekte schneller umsetzen." Usman Ghias, Product Owner von EVE, ergänzt einen weiteren wichtigen Aspekt: „Mit Stand-alone VR Headsets kann eine größere Kundenbasis auf die Technologie zugreifen - wobei auch die Preise für die Headsets fallen und heute vergleichbar sind mit einem durchschnittlichen Handy."

Das Team Immersive Technology von der DB Systel bietet für alle Varianten die gesamte Leistungskette aus einer Hand. „Dabei ist es uns wichtig, die Diskussion vom Kundennutzen her zu starten. Unsere Vision ist es nicht nur, die Technologie zu fördern, sondern mit dieser Technologie den Kunden bestmöglich zu unterstützen", sagt Usman Ghias.

Unternehmen nutzen heute in vielen Bereichen 3-D-Daten, etwa für die Planung und das Design von Bauwerken und Fahrzeugen oder für die Abbildung technischer Bauteile und Anlagen. Mit EVE Studio hat DB Systel eine VR-Umgebung entwickelt, in die Kunden eigene 3-D-Modelle laden und Szenarien konfigurieren können. © DB Systel GmbH

Ganz unterschiedliche VR- und AR-Projekte bei der Deutschen Bahn belegen, dass diese Technologie inzwischen viel mehr ist als eine Spielerei, sondern die operative Leistungsfähigkeit des Konzerns verbessert. So werden beispielsweise bereits Mitarbeiter des Bahnbetriebs mit immersiven Technologien bei ihrer Ausbildung darin unterstützt, das Gelernte sicher umzusetzen. Doch es ist noch viel mehr möglich: Mittlerweile können 3-D-Modelle, virtuelle Objekte und der Realität überlagerte Darstellungen bei vielen Anwendungsfeldern wie Planung, Wartung oder Reparatur die Arbeitsprozesse massiv unterstützen und erleichtern. Die DB Systel hat dieses Potenzial früh erkannt und baut ihr Portfolio rund um immersive Technologie schrittweise aus. Mit EVE Studio wurde zum Beispiel eine virtuelle Umgebung entwickelt, mit der individuelle Kundenprojekte aus generierten oder bereits vorhandenen 3-D-Daten und entsprechende Szenarien konfiguriert werden können. Dadurch lassen sich entsprechende VR-Projekte schnell und effizient umsetzen.

Mit „EVE Training" lernen Mitarbeiter in einer virtuellen Umgebung praxisnah die Arbeitsschritte, die sie für ihre Arbeit benötigen. Dadurch gewinnen sie Handlungssicherheit - insbesondere in kritischen Situationen, denen sie nicht regelmäßig ausgesetzt sind.

© DB Systel GmbH

Lernanwendungen stehen im Vordergrund der Aktivitäten des Teams Immersive Technology, denn mit EVE werden virtuelle Trainings und Ausbildungstools für Mitarbeiter gestaltet. Das bringt viele Vorteile - sowohl für Mitarbeiter als auch für den Konzern. Lerninhalte sind im wahrsten Sinne viel greifbarer. Und besonders komplizierte Vorgänge, bei denen Mitarbeiter bisher vor Ort geschult wurden, können nun überall durchgeführt werden. So können Kollegen mithilfe verschiedener EVE-Anwendungen lernen, wie Züge gekoppelt werden, wie die Einstiegshilfe beim neuen ICE 4 funktioniert oder mechanische Stellwerke bedient werden - ohne einen Zug überhaupt betreten zu müssen. Das erhöht die Kapazitäten und spart Zeit und Kosten: Es können mehr Mitarbeiter geschult werden. Aber vor allem: Fehler innerhalb einer VR-Anwendung gefährden niemanden und kosten nichts.

Holo Assist für Reparatur und Wartung

Eine Mixed Reality-Brille zeigt animierte Hologramme und leistet gezielt wertvolle Unterstützung bei der Reparatur.

© DB Systel GmbH

Der Einsatz der immersiven Technologie erleichtert Wartungsarbeiten und Reparaturen nachhaltig. Mit Holo Assist werden Techniker am echten Objekt Schritt für Schritt selbst durch hochkomplexe Reparaturen geleitet. Eine Augmented-Reality-Brille zeigt animierte Hologramme und leistet gezielt wertvolle Unterstützung bei der Reparatur. Mitarbeiter brauchen so nicht mehr in Handbüchern nach Informationen zu suchen, wenn Maschinen überprüft oder repariert werden müssen. Das reduziert Fehler und schützt Mitarbeiter vor Unfällen. Gleichzeitig wird gewährleistet, dass Wartungen überall auf dem gleichen hohen Niveau erfolgen - inklusive einer automatischen Dokumentation aller Vorgänge. Dadurch werden die Qualität und die Geschwindigkeit der Umsetzung erhöht.

Besser planen, bauen und kommunizieren

Eine erste Visualisierung eines Zukunftbahnhofes mit Immersive Technology, in dem man nicht nur darstellen kann, wie dieser aussehen könnte, sondern sich in Echtzeit frei durch das Modell bewegt. Die Anwendung wurde für das Projekt „Smart Cities" von DB Station&Service erstellt.

© DB Station&Service

Bei der Planung von großen und komplexen Bau- und Infrastrukturprojekten kommen Menschen leicht an die Grenze ihres Vorstellungsvermögens. Dann wird es schwierig, sie von der Qualität des Vorhabens zu überzeugen. Bereits seit fünf Jahren dient World Insight im Konzern als wichtiges Visualisierungswerkzeug, das detailgetreu computergestützte 3-D-Modelle erstellt. Gerade in Kombination mit dem Produktportfolio des Teams Immersive Technology lassen sich für Kunden immer bessere und technologisch fortgeschrittene Lösungen anbieten. So kann man nicht nur darstellen, wie ein geplantes Bauvorhaben aussehen soll, sondern sich in Echtzeit frei durch das Modell bewegen. Mehr noch: Bei Planungsänderungen werden sofort die Auswirkungen auf benötigtes Material und Kosten eingerechnet.

VR- und AR-Lösungen sind also in der Lage, selbst komplexe Themen greifbarer zu machen. Aber immersive Technologie ist nicht nur fachlich interessant, es ist auch ein menschliches und kulturelles Thema, das künftig immer größere Auswirkungen auf die Arbeitswelt haben wird. Dabei geht es nicht mehr nur um die reine Informationsvermittlung. Zum Beispiel könnten auch vermehrt Meetings mit Kollegen virtuell stattfinden, die sich real an unterschiedlichen Orten befinden. „Mit einer AR-Brille wirkt es dennoch so, als wären alle in einem Raum", sagt Jan Christoph Jähne. Trotzdem vermeidet er bei seinen Projekten den Vergleich mit Computerspielen. „Wir wollen mit unseren durchdachten und komplexen Lösungen alle Konzernbereiche davon überzeugen, dass immersive Technologien keine Spielereien sind, sondern betriebliche Vorteile bringen. Aber wenn die Nutzung Spaß bringt, habe ich natürlich auch nichts dagegen."

Sie möchten mehr über die Möglichkeiten erfahren, die Immersive Technology Ihnen bieten? Kontaktinformationen finden Sie in DB Planet (nur für DB-Mitarbeiter).

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