Kommunalpolitik ist sehr oft ein undankbares Geschäft. Vor allem dann, wenn man für eine kleine, von vielen verfehmte Partei arbeitet. Szenen aus dem Innenleben der Linken.
Der harte Kern dieser Partei ist in Bergisch Gladbach sogar für den kleinen Sitzungssaal im historischen Rathaus zu klein. Acht Personen verlieren sich am massiven Tisch, zwei von ihnen sind Gäste der Mitgliederversammlung. Und dann gibt es noch „die Presse", die sich hierher verirrt hat. Fast drei Stunden werde ich ausharren - und mit ungeschminkten Einblicken in das Seelenleben der Gladbacher Linken belohnt werden. Und ob Sie es glauben oder nicht: Langeweile kommt nicht auf.
Für viele Beobachter besteht die Linke in GL nur aus einer einzigen Person: Tomas M. Santillan, Chef der Minifraktion im Rat und in allen städtischen Debatten höchst aktiv. Doch hier, im Ortsverein, ist TMS „nur" Schriftführer, stapelt er tief. Tatsächlich führt er die Genossen mit klarer Hand durch den Abend, konzentriert und konstruktiv.
Wie bei jeder ordentlichen Mitgliederversammlung sind zunächst die Rechenschaftsberichte dran. Vorstandssprecher Peter Tschorny schildert in kargen Worten, womit sich die Partei tagein tagaus beschäftigt. Ehrenamtlich, versteht sich. Und das sind neben den üblichen Parteiformalia vor allem die Sozialberatungen für Hartz-IV-Empfänger, die Fraktion und Ortsverein anbieten, die auf sehr große Nachfrage stoßen, aber außerhalb der direkten Zielgruppe von kaum jemanden wahrgenommen werden.
Das Elend einer kleinen ParteiDann ist Santillan dran, der ein wenig ausführlicher die Initiativen der Fraktion zugunsten der sozial Schwachen schildert. Und sich dann Kritik des Kreisvorsitzenden Rainer Schneider gefallen lassen muss: Santillan trete dem Bürgermeister nicht genügend auf die Füße, damit die Räume im Rathaus ohne Probleme für Behinderte zugänglich sind. Und, man glaubt es kaum, Santillan verteidigt die Verwaltung. Natürlich sei man mit dem Zustand nicht zufrieden, renne aber in vielen Punkten gegen die Wand. Und er räumt ein, dass durchaus ebenerdige Räume zur Verfügung gestellt werden.
Zu diesem Thema kann jeder etwas sagen. Das dauert.
Jetzt endlich kommt es zu den Vorstandswahlen. Und die offenbaren das ganze Elend dieser Partei. Ok, nicht nur dieser Partei - denn auch alle anderen Gruppierungen leiden unter der formalen Last des Parteiengesetz, dass eine Ortsvereinsversammlung zu einer quälenderen Veranstaltung als eine Schulpflegschaftssitzung machen.
Das spezielle Problem der Linken in Bergisch Gladbach ist jedoch ihre peinliche Personaldecke. Sechs Parteimitglieder sind anwesend, Santillan ist mit 49 Jahren mit Abstand der Jüngste. Der Älteste ist weit jenseits der 70 und, nun ja, empört. Dauernd.
Wer Karriere machen will, ist hier falsch
Warum in der Linken in Bergisch Gladbach so wenige Menschen aktiv sind, fragt sich Rainer Dlugosch, Vize-Sprecher und Anwalt. Die Zeit, als die Linke mit der PDS gleich gesetzt wurde, sei doch vorbei, von Ressentiments kaum noch etwas zu spüren. Bei den informellen Dialogen am Tisch wird aber rasch klar: hier sitzen gleich zwei Personen, die auch aufgrund ihres Engagements bei der Linken ihre Jobs als Versicherungsvertreter verloren haben. Sich für die Linke zu engagieren ist, im Gegensatz zu den größeren Parteien, wenig Karriere-tauglich.
Warum so wenig Frauen aktiv sind, ist für die anwesenden Herren ebenfalls nicht erklärbar. Am Tisch sitzt keine einzige, was gleich zum Problem werden wird. Selbst Melissa Dönmez, neben Santillan das einzige Ratsmitglied der Partei, habe sich ganz schon rar gemacht und fehle an diesem Abend ohne Abmeldung, mosern Teile des Altherrenclubs.
Vorstandsposten aber, so will es das eigene Statut, müssen paritätisch besetzt werden.
44 Mitglieder, sechs Vorstandsposten?
Was tun? Santillan erläutert geduldig die Optionen. Am Ende läuft es darauf hinaus, nur die Hälfte der Ämter zu besetzen und die Quotensitze bei nächster Gelegenheit nachzuwählen. Allerdings - drei Posten würden die Herren am Tisch schon gerne vergeben. Damit müsste man einen sechsköpfigen Vorstand installieren.
Und das bei 44 Mitgliedern. Vielleicht doch ein wenig überproportioniert? Der Aufseher vom Kreisverband, geht die Mitgliederliste noch einmal durch. Ein, zwei ... und siehe da: von 44 Mitgliedern sind nur neun weiblich. Also weniger als ein Viertel, was eine Vergabe der Hälfte der Posten an Frauen erfordern würde.
Jetzt muss nur noch geklärt werden, ob es einen gleichberechtigten Sprecherrat geben soll - oder eine klassisch hierarchische Struktur. Es setzt sich das Argument durch, dass man in dieser Wahlkampfzeit eine klare Struktur braucht, damit sich die Gewählten nicht aus der Verantwortung stehlen. Was die Partei durchaus schon erlebt hat.
Kreuzverhör, Kampfabstimmung und einige schmutzige Wäsche
Also schreitet man zu Wahl, zwei Sprecher des Vorstandes, zwei Vize-Sprecher und ein Beisitzer-Posten sind zu vergeben. Zwei Jobs bleiben für die Frauen frei. Und egal, wie gut man sich kennt, wie klein der Kreis: jeder Bewerber stellt sich vor und muss sich einem Kreuzverhör stellen, bei dem einige schmutzige Wäsche gewaschen wird.
Harmonisch läuft noch die Wahl des Vorstandssprechers ab. Peter Tschorny wird ohne Gegenkandidat einstimmig bestätigt. Natürlich per schriftlicher Wahl, sauber durchgeführt mit einer Marktkauf-Tasche als mobiler Wahlurne.
Doch dann kommen zwei Kampfabstimmungen. Bei der Vertreterwahl trifft Dlugosch auf einen Konkurrenten, mit dem er schon häufiger die Klinge gekreuzt hat. Werner Schwamborn berichtet ausführlich, wie er sich zunächst mit den Grauen Panthern, den Grünen und der BfBB überworfen hat - und im Dezember stolzes Jungmitglied der Linken wurde.
Allerdings muss er sich rechtfertigen. Warum er denn der Linken noch vor nicht allzu langer Zeit eine Unterwanderung durch die PKK vorgehalten hat. Warum seine Sprache von so eindeutig rechten Formulierungen geprägt sei. Wie sein Verhältnis zu Frank Samirae, dem Ex-Linken und nun Chef der Bürgerpartei GL, sei. Warum er der Linken mit öffentlicher Kritik so eindeutig geschadet habe - und nun ohne Bewährungszeit gleich einen Vorstandsposten anstrebe.
Doch Schwamborn schlägt sich wacker. Man wisse doch, wie „die Presse" einem das Wort im Munde verdrehe. Nein, er sei nicht Samiraes U-Boot, habe mit dem Jungunternehmer nur über eine Solargenossenschaft geredet. Und ja, er wolle jetzt ernsthaft für die Linke arbeiten. Das kommt zwar bei einem Teil der Anwesenden an, aber Schwamborn verliert 2:4 gegen Dlugosch.
Bei der Wahl zum Beisitzer tritt er erneut an. Im ersten Wahlgang gegen Thomas Klein, der gar nicht anwesend ist und seine Kandidatur schriftlich eingereicht hatte, gibt es ein Patt. Erst in der zweiten Runde gewinnt Klein 4 zu 2. Doch Santillan tröstet Schwamborn: die offene Aussprache habe die alten Animositäten bereinigt, jetzt könne sich das Jungmitglied erst mal in der Linken bewähren und später erneut antreten.
Damit ist die Sitzung noch nicht zu Ende, zumindest die Terminplanung für die Kommunalwahl soll noch besprochen werden. Doch es ist inzwischen kurz vor 22 Uhr. Die Presse zieht sich nach fast drei Stunden zurück. Und wie gesagt: langweilig war es nie.
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