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Christoph Menke: Der Antifaschismus des Denkens

Christoph Menke: Der Antifaschismus des Denkens

Der Philosoph Christoph Menke spricht in der Berliner Galerie Sprechsaal über den Antifaschismus. Dabei erinnert er an den Gründer seiner Schule – und stellt die Wichtigkeit des Denkens heraus.

Christoph Menke ist nicht dafür bekannt, große politische Reden zu halten. Der Frankfurter Philosoph, dritte Generation der Kritischen Theorie, versteht sich vielmehr als Denker – und damit zumindest in dieser Weise ganz in der Tradition Theodor W. Adornos („Theorie ist radikaler als Praxis“). Sich zur aktuellen politischen Lage äußern? Allein diagnostisch, tapsend nach der Wahrheit suchend und sie so lange umkreisen, bis sie eine solche auch sein darf. In seinem unglaublich dichten und überzeugenden Werk „Kraft der Kunst“ (2013) schreibt er: „Die Theorie ist Zuschauen, passives, sinnliches Hingerissensein, und Berichten von diesem Zuschauen, aktive, diskursive Artikulation für andere.“ Und dennoch: es gibt seinerseits Beispiele des politischen Eingriffs. Erstmals interveniert er gemeinsam mit Axel Honneth wegen einer Aussage Peter Sloterdijks zur Agenda 2010. Ende 2016 mischt er sich in die Debatte um die Berliner Volksbühne ein und schlägt sich auf die Seite einer Idee von Theater des langjährigen Intendanten Frank Castorf. Im Oktober 2017 verfasst er zusammen mit dem Berliner Philosophen Alexander García Düttmann einen Beitrag, der sich für die Unabhängigkeit Kataloniens ausspricht. Ausnahmen.

Allein schon deswegen dürfte es spannend sein, was Menke, Jahrgang 1958, geboren in Köln, aufgewachsen in Barcelona, und nun in die Berlin-Mitte Galerie „Sprechsaal“ gekommen und neben dessen inhaltlichen Konzeptor, Lars Dreiucker, sitzend, zum angekündigten Thema „Der explizite und implizite Antifaschismus“ zu sagen hat. Doch, so viel sei hier schon vorweggenommen: wenig. Denn es bleibt, vor allem aufgrund der teilweise deplatziert wirkenden Fragen Dreiuckers, der zu Beginn doch so viel Hoffnung macht, weil er ein explizit nicht-philosophisches Gespräch, zeitnah und gegenwärtig ankündigt, ausschließlich implizit, was wir von Menke über Antifaschismus erfahren. Das Gespräch kreist vor allem um drei Blöcke. Da geht es einmal darum, welche Verantwortung Menke und die Philosophen an der heutigen Misere haben – und inwiefern sie als Antifaschisten auftreten (müssten). Menke sagt: „Philosophisches Denken und politische Positionierung sollten in einem direkten Verhältnis zueinanderstehen.“ Und er sagt auch, dass es an den deutschen Universitäten viel zu wenige Kollegen gibt, die sich einmischen, deren Schriften als Denken über die Krise, über den Antifaschismus zu verstehen sind. Sofern sie es tun, tun sie es falsch. Explizit wendet er sich etwa gegen solche Kollegen wie Daniel-Pascal Zorn, Per Leo und Maximilian Steinbeis und dessen „Leitfaden“ „Mit Rechten reden“ (2017), weil sie dabei nicht versuchten, so sein Vorwurf, sich wie Adorno klar zu machen, inwiefern das philosophische Denken als solches etwas mit der faschistischen Bedrohung zu tun habe. Adorno, über den aufgrund einer Neuauflage seines Vortrags aus dem April 1967 über das Wiedererstarken der NPD in Deutschland wieder vermehrt gesprochen wird, versteht den Antifaschismus als Kampf im Medium des Denkens, erinnert Menke. Adorno habe sich ja nicht ohne Grund die Finger gegen Martin Heidegger wund geschrieben, den er mit seinem Denken zur „philosophischen Legitimationsmaschine“ für den Nationalsozialismus mitverantwortlich machte.

In einem zweiten Block wird die Philosophie und deren Tätigkeit selbst reflektiert. Hier gibt Menke zu bedenken: „Die Aufgabe der Theorie ist es, zu sagen, wie die Elemente, die das Funktionieren dieser Gesellschaft ausmachen, zusammenhängen. Und das macht zunächst einmal veränderndes Handeln schwerer.“

Seine Praxis als Theoretiker, stellt er heraus, sei eine des (Aufforderns zum) Nachdenken, um Scheitern zu antizipieren – und damit also den Faschismus zu verhindern. Adornos Texte und sein Vortrag zum Faschismus täten das exemplarisch: Einerseits frage er dort nach den ökonomischen Bedingungen, andererseits danach, was die spezifische Sozialpsychologie ist, die die faschistische Reaktion ausmache. Und da hätten wir auf der objektiven Seite die beständige Produktion von Überflüssigkeit, von gesellschaftlichen Bereichen, die nach dem Verwertungsgesetz keine Existenzberechtigung haben. Heiner Müller hat das mal so ausgedrückt: Als Faschist weiß man, für alle reicht es nicht.
Mit einem besseren Verständnis des Faschismus, können wir also auch besser Antifaschismus betreiben. Als Form von Politik, so wird schließlich deutlich, bedeutet dies für den Frankfurter Philosoph eine – wie er selbst sagt und pathetisch ausdrückt: „Beteiligung an den Kämpfen der Zeit.“ Sich als Teilnehmer davon zu verstehen. Mit der gegenwärtigen Krise der Demokratie, dem Wiedererstarken rechter Parteien – und damit eingeschlossen natürlich auch eines rechten Denkens innerhalb der Gesellschaft – zählt der Antifaschismus sicherlich dazu. Hannah Arendt, die im Hintergrund über das Gespräch wacht, gemalt von Christoph Meyer, hätte das nicht besser sagen können.

https://www.neues-deutschland.de/artikel/1123754.sofern-sie-es-tun-tun-sie-es-falsch.html