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Wenn Videospiele das Gesundheitssystem unterstützen

Dr. Gitendra Uswatte, Professor für Psychologie an der Universität von Alabama at Birmingham.

Videospiele werden häufig mit negativen Effekten auf die Gesundheit assoziiert, doch wenn richtig eingesetzt, können sie auch von großer Hilfe sein, zum Beispiel für Schlaganfallpatienten. In den USA entwickelten Wissenschaftler eine Form der Schlaganfalltherapie, die mit Hilfe von Videospielen zu Hause durchgeführt werden kann und somit viele Kosten und anstrengende Klinikbesuche erspart.

Schlaganfälle beschädigen das zentrale Nervensystem, was oft zu Lähmungen einzelner Körperteile führt. Eine weltweit sehr verbreitete Methode diese Lähmungen zu behandeln, ist die „Constrained-Induced Movement“-Therapie (CI-Therapie) oder auf Deutsch die “Taubsche Therapie”.


Ihr Erfinder, Neurowissenschaftler Edward Taub vom UBA-Institut in den USA, vermutete, dass die Betroffenen ihre schwächeren Glieder nicht mehr benutzen, weil sie durch die damit verbundenen Schwierigkeiten entmutigt seien, so schreibt das Max-Planck Institut. Er glaubte, die Bewegungsfähigkeit könne wiedererlernt werden, wenn das gesunde Glied eingeschränkt und das schwache Glied mit intensiven, repetitiven Übungen trainiert würde. Seine erfolgreiche Forschung und die daraus entstandene Behandlung hilft heute tausenden von Schlaganfallpatienten, ihre Bewegungsfähigkeit zurückzuerlangen.


Die Modernisierung

Obwohl die CI-Therapie als erfolgreich gilt, wird sie nur an wenigen Kliniken in den USA angeboten, erklärt uns per E-Mail Dr. Gitendra Uswatte, der die klinische Forschung der CI-Therapie betreut und eng mit Edward Taub zusammenarbeitet. Dafür gebe es zwei Gründe: Zum einen die hohen Kosten für den Personalaufwand, zum anderen seien spezialisierten Therapeuten meistens nur an akademischen Kliniken zu finden, weshalb die Behandlung für Menschen in ländlichen Gegenden schwer zugänglich sei.

Um diese Barrieren zu umgehen, suchte Dr. Uswatte nach moderneren Ansätzen. 2013 startete er zunächst den Versuch, die CI-Therapie übers Internet laufen zu lassen. Dabei wurde eine automatisierte Therapiestation in den Heimen von zwanzig Testpatienten eingerichtet, die darüber aus der Ferne von Therapeuten betreut wurden. Es stellte sich heraus, dass diese Art der Behandlung genauso erfolgreich ist wie die ursprüngliche persönliche CI-Therapie.


Dieses Ergebnis ist der Grundstein für die derzeitig laufende Studie, die CI-Therapie mittels Videospielen zu automatisieren. Statt der traditionellen Übungen müssen die Patienten zum Beispiel ein Kayak durch einen Fluss lenken oder Früchte vom Baum pflücken. Um an der Studie teilzunehmen, müssen die Betroffenen ihre Finger, ihren Ellenbogen und ihre Schulter mindestens ein bisschen bewegen können. Leiterin dieser noch laufenden Studie ist die Verhaltenspsychologien Dr. Lynne Gauthier.

Sie erzählt uns von den Vorteilen für die Patienten:


“Für die meisten Menschen sind die Übungen zu Hause viel weniger schlimm, wenn sie Videospiele spielen müssen, anstatt die traditionellen Übungen auszuführen. Je mehr die Leute üben, umso schneller werden die Bewegungsfunktionen wiederhergestellt“


Ein weiteres Plus sei, dass die Spiele die Fortschritte der Patienten dokumentieren, was vorher schwierig gewesen sei. Dadurch, dass die Patienten zwischen ihren Terminen in der Klinik üben können, würden auch schneller positive Ergebnisse erzielt. Außerdem übernehmen die Spiele selbst therapeutische Aufgaben, indem sie lernen, wie gut oder schlecht ein Patient Bewegungen ausführt, sich daran orientieren und den Schwierigkeitsgrad entsprechend anpassen.

In diesem Video stellt Dr. Gauthiers Team die Spiele vor:

Die Spiele werden von Dr. Gauthiers Team selbst entwickelt und können auf ihrer Webseite GamesthatMoveYou heruntergeladen werden. Sie laufen auf PC-Plattformen mit Microsoft Kinect und machen Gebrauch von VR-Technologie. Für 200 US-Dollar können Patienten eine Lizenz über ein Jahr erwerben.


Eine Behandlung für alle

Die Vorteile der videospielbasierten Behandlung sind eindeutig: Sie ist weitaus kostengünstiger, sowohl für die Kliniken, als auch für die Patienten, sie ist auch Menschen in ländlichen Gegenden zugänglich und die Patienten erzielen schneller Erfolge, da sie zusätzlich zu Hause üben können.


Für die Zukunft wünscht sich Dr. Gauthier, das Modell der Therapie-Betreuung zu verändern, indem die Behandlung besser zugänglich für alle wird und das bei einem geringeren Kostenaufwand.


“Wir hoffen, dass die Studie ergibt, dass die videospielbasierte Behandlung genauso effektiv ist wie die traditionelle, klinische Therapie, denn dann werden Versicherungen anfangen, die Kosten für solche Technologien zu übernehmen."


Die derzeitige Studie wird vom Patient Centered Outcomes Research Institute in den USA gesponsert. Die traditionelle CI-Therapie ist in Deutschland bereits weit verbreitet. Wenn die Studie erfolgreiche Ergebnisse liefert, können wir also vielleicht auch in Deutschland mit der Videospiel-Behandlung rechnen.

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