Franziska Horn

Autorin. Freie Journalistin, München

7 Abos und 4 Abonnenten
Artikel

Mode in Deutschland – die Mischung macht's

Die deutschen und die Mode – für den Tennissocken in Sandalen tragenden Deutschen gibt es genügend Gegenbeispiele.

Nach wie vor ist Deutschland kein klassisches Modeland. Doch mit einem Mix aus etablierten Designerinnen und Designern, erfolgreichen Marken, jungen Talenten und Berlin als kreativem Epizentrum gewinnt es als Modestandort an Bedeutung.

„Designer wie Jil Sander, Karl Lagerfeld, Wolfgang Joop haben einen Weg bereitet, der nun von Michalsky und Co. weitergeführt wird. Aber es sind nicht nur die bekannten Designer, die international anerkannt sind. Es sind auch hochwertige Marken wie Boss und Strenesse ebenso wie Labels der Mitte, etwa Gerry Weber“, so Kirsten Rahmann vom Gesamtverband der deutschen Textil- und Modeindustrie.

National und international erfolgreich
Lea Groß, Moderedakteurin bei der deutschen Vogue, beschreibt die aktuelle Lage ähnlich und verweist neben den anerkannten deutschen Modemarken auch auf jüngere Labels wie Lala Berlin oder René Storck, die national und international sehr erfolgreich sind. „Und auch in einigen Newcomern sehen wir viel unternehmerisches und kreatives Potenzial. Deutschland ist darüber hinaus ein bedeutender Absatzmarkt für internationale Modemarken.“ Um international noch stärker Beachtung zu finden, streben viele deutsche Jungdesigner danach, ihre Kollektionen auf den Schauen in Mailand, London oder Paris zu zeigen. Ihre Vorbilder sind Markus Lupfer, John Ribbe, Lutz Hülle, Bernhard Willhelm oder Stephan Schneider, die sich einen Platz in London, Paris oder Antwerpen erobert haben und dort auch arbeiten. Darüber hinaus sind einige deutsche Designer als Creative Directors für internationale Marken tätig wie Tomas Maier für das italienische Label Bottega Veneta oder Dirk Schönberger für die Sport Style Division von Adidas, abgesehen von Karl Lagerfeld, der neben seiner eigenen Marke auch für Chanel und Fendi verantwortlich zeichnet.

Geballte Kreativität
In Deutschland wird Mode an vielen Orten kreiert. „Es gibt eine Konzentration von Mode- und Textildesignern auf bestimmte Städte, das können wir aufgrund unserer Mitglieder nachvollziehen: Großraum Düsseldorf-Köln, die Städte München, Berlin und Hamburg sowie die Region Stuttgart bis Schwäbische Alb. Speziell in den Großstädten, insbesondere Berlin, gibt es eine große Zahl von Freiberuflern, sowohl Dienstleister als auch Selbständige mit eigenen Ateliers, sagt Claudia Ollenhauer-Ries, Sprecherin des Verbands Deutscher Mode- und Textil-Designer VDMD. Darunter viele Etablierte wie Eva Gronbach in Köln, Talbot & Runhof in München, Herr von Eden in Hamburg oder Anja Gockel in Mainz.

Dass Berlin international die modische Fahne so hoch halten kann, dafür sorgen nicht zuletzt gut besuchte Messen. Vor allem die Mercedes-Benz Fashion Week gilt als Mode-Magnet für Einkäufer, Besucher und Fachpresse. Seit ihrem Start 2007 findet sie international Resonanz, auch aus Ländern wie China, Japan und den USA. Neben jungen Designerinnen und Designern aus ganz Deutschland – wie unter anderem Patrick Mohr oder Marcel Ostertag aus München, Stefan Eckert oder Hausach Couture aus Hamburg, Michael Sontag oder Kilian Kerner aus Berlin – zeigten und zeigen dort auch Labels wie Calvin Klein, Vivienne Westwood, Zac Posen oder Custo ihre Kollektionen. Daniel Aubke, Pressesprecher des Veranstalters IMG Fashion Europe, erklärt den Boom so: „In Paris oder Mailand ist es für die jüngeren Label oft schwer, neben den vielen etablierten Designern wahrgenommen zu werden. Hier in Berlin sind sie die Stars und stehen mit ihren Arbeiten im Rampenlicht. Davon profitiert die deutsche Modeszene insgesamt, da man in Frankreich oder Italien sehr genau mitbekommt, wie viel geballte Kreativität von Berlin ausgeht.“

„Berlin hat Mode im Blut!“
Geadelt wurde das Event durch lobende Worte der berüchtigten New Yorker Fachjournalistin Suzy Menkes von der International Herald Tribune: „Berlin hat Mode im Blut!“ Auch die Bread & Butter, Leitmesse für Street- und Urbanwear, sowie „Premium“ mit hochwertigen Designerkollektionen aus den Bereichen Denim, High-Fashion und Accessoires zeigen sich im Aufwind. Daneben steht Berlin mit neun Modeschulen für eine außergewöhnlich hohe Dichte in Europa, darunter Esmod, AMD, Lette-Verein oder die Kunsthochschule Berlin-Weißensee. Dazu kommen 600 bis 800 überwiegend junge Designerinnen und Designer, deren Spektrum von hochpreisiger Couture über Green Fashion bis zu Streetwear und von Einzelstücken bis hin zu breiten Kollektionen reicht – darunter Labels wie c.neeon, Bless, Claudia Skoda, Penkov, Kostas Murkudis, Kaviar Gauche, Frida Weyer, Firma, Frank Leder oder Franzius und viele andere mehr. In der Hauptstadt erscheinen auch eine ganze Reihe von Independent-Magazinen, die sich ausschließlich oder teilweise mit Mode beschäftigen, wie Achtung, 032c, Liebling oder Dummy.

Messen und Medien
Neben Berlin zählt Kirsten Rahmann vom Gesamtverband der deutschen Textil- und Modeindustrie auch Düsseldorf mit der zweimal jährlich stattfindenden CPD – Internationale Fachmesse für Womenswear & Accessories zu den wichtigen Modezentren: „Auch wenn der Stellenwert der CPD immer wieder in der Diskussion ist, haben doch sehr viele Labels einen Showroom in Düsseldorf und machen dort gute Geschäfte.“
Zum Ruf Münchens als Modestadt tragen Zeitschriften-Verlage wie Burda, Condé Nast oder MVG mit Titeln wie Elle, Vogue oder Cosmopolitan ebenso wie die drei renommierten Modeschulen AMD, Esmod und die Meisterschule für Mode bei. Dazu kommen Messen wie die Stoffbekleidungsmesse munich fabric start im Munich Order Center M.O.C, die europaweit als führend in diesem Segment gilt. Auch die Ispo, internationale Fachmesse für Sportartikel, Sportmode- und Lifestyle, setzt als weltweit führende Messe in diesem Segment Maßstäbe.

Die Deutschen und die Mode
Frischen Wind in die Szene bringen Modeblogs, deren Relevanz und Aussagekraft stetig steigt. Hochaktiv, reaktionsschnell und oft unkonventionell präsentieren deutsche Blogs wie unter anderem LesMads, Modepilot, Stilinberlin oder Styleclicker Trends und Themen. Eine ständig anwachsende Anhängerschaft bezeugt ihre Popularität.
„Meine ganz persönliche Einschätzung ist die, dass Deutschland erst dann internationaler Trendsetter werden kann, wenn sich die Deutschen mit ihrer Mode identifizieren und als Ausdrucksform der Gesellschaft sowie als Kulturgut verstehen. Allerdings muss auch mal gesagt werden, dass es für den Tennissocken in Sandalen tragenden Deutschen auch genügend Gegenbeispiele von stilvoll gekleideten Landsleuten gibt. Vielleicht lässt sich dieses Bild ja über die wachsende Zahl an Modeblogs korrigieren“, meint Kirsten Rahmann.
 
Franziska Horn
ist studierte Dipl.-Designerin (FH) und schreibt als Fachjournalistin zu den Themenschwerpunkten Design und Modernes Leben.

Zum Original