Es ist dieses Grün, das den Blick hypnotisch ansaugt. Ein magisches Grün mit einem Stich Türkis, Petrol und Jade darin. Grün ist die Farbe des Islam. Grün ist der Farbton des Wassers, das sich hier in einem natürlichen Pool zwischen sonnenerwärmten Felsen sammelt. Rechts und links ragen jäh die staubroten, teils ockerfarbenen Steinwände des Canyons auf, mehrere hundert Meter hoch. Wir waten immer tiefer in den engen Schlund. Hier unten im Flussbett des Wadi schwirren leuchtend rote Libellen über die Wasseroberfläche, darunter kitzeln winzige schwarze Nibbelfische an den Füßen. Wir sind die einzigen Menschen hier. Tiefer Frieden liegt über der Szene, die fast biblisch erscheint.
Fast eine Stunde sind wir durch den wilden Wadi Shab hierher gewandert. Anfangs durch Haine von Dattelpalmen und Bananenstauden, später auf schmalen Pfaden. Sind über Felsstufen geklettert und durch Naturpools gewschwommen, die Kameras im wasserdichten Packsack. Die bizarre Schönheit saugt uns immer tiefer in die zerklüftete Schlucht. Tourguide Kamal Abi-Karam arbeitet für den omanischen Veranstalter Passion Trek, er selbst stammt aus dem Libanon. "Kamal heißt auf arabisch Perfektion", sagt er. Er ist Skilehrer und Wüstenführer in Personalunion – was für ein Mix. Die Wadis im Oman kennt er so gut wie die Berge seiner Heimat rund um Beirut. Am Ende der Schlucht überrascht uns ein tiefes Becken."Kommt mit!", ruft Kamal und springt hinein. Schwimmend verschwindet er in einem schmalen Felsspalt, gerade breit genug für den Kopf. Ein schmaler Durchlass. Nach ein paar Metern weiten sich die Wände zu einer Grotte mit tiefblauem Wasser, darüber Stalaktiten, ein kleines Loch Himmelsblau, ein Wasserfall der in das Becken rauscht. Ein Naturwunder. Ein natürliches Spa, besser als jeder Wellnessdesigner es erdenken kann.
Per Auto fahren wir später durch eine archaische Landschaft ins Hinterland. Kamal zeigt auf den Rücken des Hadschar Gebirges, das sich 450 Kilometer durch den nördlichen Oman zieht. Die Gegend ist menschenleer. Vereinzelte, struppige Akazienbäume. Morgens ist der Himmel meist klar, mittags wird es heiß. Gegen 16 Uhr wird die Luft dunstig-staubig, der Himmel bleiern gelb. Die perfekte Szenerie für ein Roadmovie. Ab und zu stehen freilaufende Ziegen am Straßenrand, wilde Esel, ein Kamel. "1000 Euro kostet so ein Kamel, das man für Fleisch züchtet. Bis zu 100.000 dagegen ein Rennkamel. Auch Schönheitswettbewerbe gibt es", weiß Kamal. Kamal ist Christ, sehr offen und diskutiert gern. Und: Er will, dass seine Gäste wissen, wo sie sind. Er zeigt auf trockene, bröselige Gesteinsschichten. "Hier rechts seht ihr Ophiolithe, Sedimente wie es sie nur am Grund eines Ozeans gibt". Also fahren wir gerade über Meeresgrund? All right. In Abständen halten wir an militärischen Kontrollstationen. Ein kurzer Dialog: "Salam aleikum" und "Al hamdullilah". Passkontrolle. "Das ist neu", sagt Kamal. "Obwohl sich der Krieg im rund 1000 km entfernten Jemen abspielt, überlässt der omanische Sultan Ibn Quabus nichts dem Zufall. Er hat sein Land fest im Griff." Im nächsten Dorf halten wir auf einen Limejuice, ein Mix aus Limone, Limonensirup, Minzblätter und gestoßenem Eis. Schmeckt unsagbar gut und erfrischend. Kamal erzählt: "Die Ibaditen machen rund 70 Prozent der Bevölkerung aus. Sie praktizieren einen gemäßigten, bescheidenen Islam. Im Land hier leben Moslems, Hindi, Christen – sogar Kirchen gibt es." Dann erzählt er von den Portugiesen, die von 1500 bis 1650 Bastionen entlang der Küste bauten und von der Tradition des Oman als alte Seefahrer- und Handelsnation, von Persien beeinflusst, mit Kolonien in Ostafrika – daher stammt die heutige Weltoffenheit.
Auch der malerische Ort Sur hat eine portugiesische Vergangenheit. Perlmuttfarben liegen seine Häuser in der Nachmittagssonne, dahinter weite Sandstrände. Die Machart seiner hölzernen Türen erinnert an Sansibar. Am Leuchtturm von Al-Aija treffen wir ein paar junge Männer, sie fragen nach einem gemeinsamen Photo. Sie bekommen es. Nicht weit davon entdecken wir eine Werkstatt für kleine Holzmodelle von Dhau-Schiffen. Jahrhundertelang wurden die berühmten Boote in Sur gebaut. Wir ziehen die Schuhe aus, treten ein, bekommen ein halbvolles Schnapsglas voll Kaffee mit Kardamom angeboten – "voll wäre unhöflich!", sagt Kamal und greift nach ein paar Datteln. "Und, ein Tipp: Ihr bekommt solange nach geschenkt, bis ihr das leere Glas schüttelt".
Rund 30 km weiter, bei Ras al Had, wird das Land flacher. Dann ein einsames Dorf: Ras al Jinz. Ein paar versprengten Bauten, eine winzige Moschee. Dahinter eine lange flache Sandbucht. Blassblaugrün liegt das Arabische Meer im Abendlicht. An diesen Ufern nistet die Grünrückenschildkröte, das ganze Jahr über, vor allem im August. Sie kommen nachts, graben ein Loch, legen die Eier hinein. "Es ist die Temperatur des Sandes, die über das Geschlecht der Babies entscheidet. Bei 28 Grad entstehen mehr weibliche, bei 27 Grad eher männliche Junge. 30 Tage später schlüpfen sie dann, aber nur ein Prozent erreicht das Erwachsenenalter. Die Reflektion des Mondlichts auf den Wellen weist ihnen dann die Richtung ins Meer. Es gibt viele Räuber wie Krabben, Fische, Füchse. Nicht zuletzt den Mensch", sagt Kamal beim abendlichen Strandwandern. Im Licht der Stirnlampen huschen Hunderte weiß leuchtender Krabben aus bis zu wadendicken Löchern, die sie in den nassen Sand graben, in Richtung Meer. Hin und wieder stolpern wir in Mulden, darin die noch feuchte, leere Schalen von Schildkröteneiern. "Die sind maximal zwei, drei Tage alt", sagt Kamal und weist auf die Schleifspuren der bis zu 180 Kilo schweren Panzer. Sie führen direkt Richtung Meer.
Für das Open-air-Dinner am Abend macht Kamal ein Feuer, röstet Kartoffeln in Alufolie. Picknicken ist eine alte arabische Tradition und beinahe so etwas wie ein Nationalsport. Er breitet einen Teppich aus, dann reicht er uns Gläser, einen Aperitivo mit weißlichem Inhalt. "Das ist Kamelmilch!", lacht er. Nein. Natürlich nicht. Es ist verdünnter Arrak, mitgebracht aus dem Libanon. Hier im Nirgendwo, am Ende der arabischen Welt, grillt er frische Kebap-Spieße, zaubert gebratenes Gemüse und Auberginenpüree namens Babaganoush wie aus dem Nichts auf die Picknickteller. "Laila saiida" – Gute Nacht", sagt er später und macht es sich auf dem Dach des Jeeps bequem. Wir schlüpfen in unser Zweimann-Zelt, hören beim Einschlafen das Meer rauschen. Am nächsten Morgen Punkt sechs Uhr steigt ein fahler Feuerball aus dem Arabischen Meer und taucht den Sand in weiches Licht. Ein kurzes Frühstück mit Kaffee, Dattelpalmensirup und frischen Fladen, dann kehren wir zurück ins Landesinnere.
Im Ort Ibra treffen wir unseren omanischen Guide zum Ausflug in die Sandwüste Wahiba Sands. Wie jeder Omani, der auf sich hält, trägt auch Jamal el Jufaily, 43, eine reinweiße Dishdasha, das bodenlange Gewand. Dazu eine bestickte Kumma, das typische Käppi. Im vollklimatisierten SUV kredenzt Jamal eisgekühlten Mangosaft, dazu Khalash-Datteln, die beste Sorte. Dann geht es los. Am Rand der Wüste lässt er etwas Luft aus den Reifen, damit die Räder im Sand besser greifen. Über eine Stunde lang brettern wir bei 100 kmh die schnurgerade Sandpiste hinein ins Dünenmeer, vorbei an einem der letzten Beduinencamps. Anders als in der Stadt, wo die Frauen schwarze Abbayas tragen, hüllen sich die Beduinenfrauen in farbige Gewänder. "Die Beduinen werden immer weniger und die Stämme immer sesshafter", erzählt Jamal. "Bis 1980 hat auch meine Familie in Zelten gelebt. Auch zur Schule gingen wir in ein Zelt. Mein Vater hatte vier Frauen. Wenn heute die Familie zusammenkommt, sind das mehr als 100 Leute". Er selbst habe ,nur' eine Frau, drei Kinder, sagt er. "Vor Sultan Ibn Qabus gab es nur drei Schulen im Oman. Unser Sultan hat das Land ins Heute katapultiert. Aktuell baut er Autobahnen, verbindet die Orte. Und in Muscat ist ein weiterer Flughafen als Drehkreuz für Touristen geplant".
Die Sonne sinkt tiefer, ein heftiger Wind verwischt alle Formen und die Ränder der Fahrpiste. Ein Sandsturm. Sogar der Himmel ist nun sandfarben, das Licht scheint bleiern, zwischen den Zähnen knirscht es. Wir passieren kleine Gehege mit Kamelen, die im Nichts gedeihen. Plötzlich schwenkt Jamal nach links, scheidet forsch die Flanke einer Düne an. "Dune bashing" nennt man diese Dünenrallyes offiziell. Die sogenannten Söhne der Wüste beherrschen ihre Motoren mindestens ebenso gut wie früher das Kamelreiten. Und da – vom Kamm der Düne aus entdecken wir ein Wellental, darin unser Camp. Zugegeben, es sind Luxuslager, die der Veranstalter Hud Hud Travels auf Nachfrage aufbaut. Originale schwarz-weiß gestreifte Beduinenzelte reihen sich aneinander, ein Bild wie wohl vor 200 Jahren. Im Camp zeigt Lagerchef Taimur zuerst das nomadische Wohnzelt, "Majlis" genannt. Eine Art Lounge. Darin Teppiche, Sitzkissen, Tabletts mit Teegläsern. Der Wind bewegt die winzigen Schellen an den Zeltschüren – ein leises, silbrighelles Glöckchenklingeln liegt über dam Camp. Davor ein Lagerfeuer, Fackeln weisen den Weg zum Baldachin über den Essplatz. Zur Begrüßung gibt es Limettensaft und Snacks: Oliven und heiße, scharf gewürzte Mandeln. "Bitte im Lager nicht barfuß laufen", sagt Taimur. "Skorpione sind selten, aber es gibt sie."
In den Schlafzelten wartet ein monumentales King-Size-Holzrahmenbett, darauf ein Gastgeschenk: ein Schal mit Quasten, wie man ihn in Salalah im Süden des Landes trägt. Der Wind stoppt plötzlich. Unter dem Baldachin serviert Camp-Chef Taimur ein Fest-Essen. Garnelen vom Holzspieß, dazu Tahinisauce und Tomatensalat. Ein tiefes Grunzen dringt plötzlich aus der Wüste. Noch einmal, rostig tönt es, wie eine antike Türangel. Ein brünftiger Hirsch, mitten in der Wüste? Fragezeichen. "Ist nur ein Kamel, das vorbei zieht", grinst Taimur. Der Strahl seiner Taschenlampe leuchtet die nachtschwarzen Dünen hinauf. Tatsächlich – da steht es und stößt tiefe, kehlige Laute aus. "Es kommt es vor, dass sie nachts einen der Strohstühle schnappen und kilometerweit mitschleppen", schimpft Taimur. Dann serviert er Lamm, stundenlang im Ofen geschmort, würzig mit Zimt, mit frischer Gurken-Raita und Granatapfel-Zwiebel-Salat. Dazu Butternusskürbis mit Okraschoten und Pinienkernen. Hier in der Wildnis zu sitzen, weitab der nächsten Siedlung, bei einem Gourmet-Dinner, das ist Luxus pur.
Die nächtliche Stille der Wüste ist raumgreifend. Das kleine Waschzelt ist oben offen – das ist das Tolle daran: Duschen unter freiem Nachthimmel. Während sonnenwarmes Wasser aus dem Kanister feinen Sandstaub aus den Poren spült, funkeln hoch darüber die Sterne. Zurück im Schlafzelt rieselt pudriger Staubsand von den grob gewebten Tuchbahnen des Zeltdachs, eine Eidechse huscht über den Sandboden. Zum Frühstück serviert Taimur frischen Minztee, Croissants, Toast mit Honig und frische Früchte. Und ja, Datteln natürlich. Rund 220 Sorten gibt es, übrigens: "Bei uns im Omani gibt es morgens Datteln und Kaffee, noch vor dem eigentlichen Frühstück, das aus Brot und Honig besteht".
Zurück in der Hauptstadt möchten wir dorthin, wo die Stadt am ursprünglichsten ist: im Souk von Alt-Muskat. Im Gassengewirr des Souks kommen zwei junge Frauen auf uns zu, in bodenlangen Abbayas, das Gesicht unverschleiert. Ob sie ein Foto von uns machen dürfen? Klar, sagen wir. Selma und Noof sind 20 und 21 Jahre alt. Noof heißt eigentlich Noofan, kommt aus Sur, Stadt der Dhau-Werften. Ihre Abbaya, das schwarze, bodenlange Gewand, hat sie nach eigenen Entwürfen anfertigen lassen. Erst auf den zweiten Blick lassen sich Unterschiede in Schnitt und Dekor finden – jede Abbaya hat ihre eigene Note. Beide tragen dezentes Make-up, Kajal. Selma stammt aus Salallah im Süden, wo der berühmte Weihrauchbaum wächst. Wofür die Bilder von uns Touristen? Sie lachen. "Wir posten auf Instagram, nie auf Facebook. Skypen ist im Oman übrigens verboten", erzählt Noof. Die beiden Schülerinnen studieren Fotografie am Higher College of Technology in Maskat, machen bald ihren Abschluss. Kameras bekommen sie von der Schule gestellt, die Ausbildung bezahlt der Staat. Natürlich lernen sie auch Englisch. "Erziehung ist wichtig", sagt Noof. Später wollen die beiden sich zusammen selbstständig machen. Spontan gehen wir zusammen in ein kleines Restaurant essen, Falafel und Hummus im Fladenbrot.
Welche Stellung Ibn Quabos im eigenen Land hat? "Der Sultan hat uns Wohlstand gebracht. Wir Frauen sind in Ausbildung und Beruf gleichberechtigt", sagt Selma ehrfürchtig. Und doch zeigt auch die Lebenswirklichkeit des Alltags im Oman jene typisch arabische Geschlechtertrennung, die auch Touristen respektieren sollten, wenn sie mit Einheimischen in Kontakt kommen. Für den nächsten Tag empfiehlt Selma einen Besuch der Großen Moschee, übrigens die einzige des Landes, die Nicht-Moslems betreten dürfen. 2001 wurde die Große Moschee vollendet, ein harmonisch-beeindruckender Bau aus hellem Sandstein und Marmor, Ton in Ton, mit Minaretten und Bögen, mit klaren ruhigen Linien, mit Innenhöfen und Gängen, reich verziert mit grafischen Kalligrafien und Arabesken, Wasser plätschert in den Außenbecken. Die eher bescheidene Glaubensrichtung der Ibaditen mag weder Protz noch Prunk. Größter Schmuck des riesigen Gebetsraums mit dem blau ausgelegten Teppich ist ein riesiger Lüster aus Swarovski-Kristallen, der über dem Saal schwebt.
Nach Wüste, Meer und Hauptstadt peilen wir die Berge des Hadschar Gebirges an. Bis zu 3000 Meter ragt es auf, geprägt von Schotter, brüchigem Gestein, tiefen Einschnitten. Seine Wildheit fasziniert, seine Gesteinsschichten sind ein Fest für jeden Geologen. Hinter einem 2020 Meter hohen Pass erreichen wir die Rosengärten vom Dorf Dorf Al-Ayn – hier entstehen die berühmten Parfüms von Amouge. Fünf Kilo Rosenblätter sind nötig für eine Flasche Parfüm. Granatapfelbäume wachsen hier, Mandeln, Walnüsse und Pfirsiche. Wir passieren den Bauernhof des Sultans in 2300 Meter Höhe, dann die Hochebene von Jebel Akhdar mit ihren Olivenbäumen. An der Schnittstelle dreier Canyons liegt hier auf einem Plateau, spektakulär neben einem 1000 Meter tiefen Abgrund, das neue Alila Jabal Akhdar Designhotel. Mit seinen Natursteinmauern aus Granit scheint der massive Bau direkt aus dem felsigen Grund zu wachsen. 2014 eröffnet, greift es örtliche Bautraditionen auf, während sein Interieur in modern-schlichten Noncolours schwelgt. Die obligatorische Begrüßung mit Datteln und Kaffee, dann beziehen wir unsere Horizon View Suite über dem Canyon, die ihrem Namen Ehre macht. Für dieses Haus sollte man sich Zeit nehmen, denn die grandiose Natur, die atmosphärischen Pools mit Blick in die Bergwelt und die Bücherei mit ihren ausgestellten Korallen und Fossilien muss man einfach wirken lassen.
Ali Al-Abri, 28 Jahre, gehört zur starken, jungen Generation bestens ausgebildeter Omanis. Er arbeitet als Guide für das Alila Jabal Akhdar Hotel. Auf einer Tagestour in die nahe Stadt Nizwa parliert er in perfektem Englisch über Land und Leute. Dass es Ibaditen auch in Lybien, Tunesien und Algerien gibt, erzählt er bei einem Stop an der Straße und holt für alle einen Chai Tea "to go". Sieben Millionen Ibaditen sind es weltweit. "Zu unseren Grundwerten zählen Frieden, Toleranz, Menschlichkeit. Religion soll mit dem Wort verbreitet werden, nicht mit dem Schwert", sagt er und "Du darfst hier über alles reden, aber nicht gegen andere Religionen. Wir wollen hier keinen Hass. Und unser Sultan ist ein Mann mit Vision!". Während Ali uns die berühmten Töpferwaren von Nizwa zeigt, den Dattelmarkt, den Souk und das Fort, ist ihm keine Frage zuviel: "2020 wird der Oman ein anderes Land sein, es wird viel geplant und gebaut, Straßen, Bahnen, Flughäfen. Wir haben uns von der Seehandels- zur Industrienation entwickelt. Heute sind wir das Tor zur östlichen Welt." Zurück im Alila Jabal Akhdar Hotel verabschieden wir uns von Ali.
Etwa eine Flugstunde von Maskat liegt die Enklave Musandam, eine Halbinsel mit 30.000 Einwohnern, einst persisch besiedelt. Früher gab es Leoparden hier im wildesten Teil des Landes, manche sagen, es gibt sie noch immer. Bis 1992 war Musandam militärische Zone, öffnete sich erst dann für Touristen. Der Warenschmuggel aus dem nahen Iran blüht seit Jahren. An der alten Burg von Khasab treffen wir Tourguide Hanif zur Mountain Safari. Hanif stammt aus Südindien. Wir starten. Kleine Staubtornados wirbeln über den flachen Talboden mit Stachelakazien, an deren Zweigen die Ziegen zupfen. "Jede Familie hat mindestens eine Ziege, denn Skorpione und Schlangen hassen ihren Geruch", sagt Hanif. Unser Ziel ist ein Plateau unter dem 2087 Meter hohen Berg Jebel Harim. Die Schotterpiste führt in Serpentinen über aufgefaltete Bergrücken, vorbei an monolithischen Felsklötzen – eine Mondlandschaft wie von einem anderen Planeten. Das Gebirge macht 95 Prozent von Musandam aus. Auf schmalen Terrassen bauen die wenigen Beduinen Gemüse an, das es inzwischen im Supermarkt billig zu kaufen gibt. In den Kehren machen wir Halt, schauen auf tiefblau leuchtende Fjorde. Wasser ist neben Stein das zweite prägende Naturelement von Musandam. Oben vom Plateau 1400 Meter Höhe erspähen wir den Golf von Oman und die Straße von Hormus, eine 60 Kilometer schmale Meerenge, die den Oman vom Iran trennt. Ganze Clans kommen hier aufs Plateau zum Picknicken, breiten ihre Decken zwischen den berühmten Versteinerungen und Ammoniten aus.
Zur Blauen Stunde sind wir zurück im Hauptort Kasabh – das bedeutet Kasbah. Die Leichter gehen an, von den Moscheen singen die Muezzine, es klingt ein bisschen wehmütig. Fünf Mal am Tag wird gebetet, in natura, nicht vom Band. Als letztes Abenteuer planen wir eine Bootstour in den Khor Aschab, mit 17 Kilomtern der längster Fjord von Musandam. Er ist bekannt für seine Population von rund 100 Langnasendelfinen. Im Hafen besteigen wir eine Dhau, die Crew besteht aus einem Tunesier, einem Bangladeschi, der Kapitän ist Inder. Der Oman ein Einwanderungsland.
Vom Wasser aus wirken die Felsgrate von Musandam noch gewaltiger. Winzige Fischerdörfer nisten in den Buchten. Mit Händeklatschen und hohen Pfiffen lockt der Käpt'n die Delfine an. Und tatsächlich – da sind sie: In hohen Bögen springen sie zu zweit, zu dritt aus den Wellen, pflügen in Bughöhe lange neben dem Schiff her. Bei einem Bade-Stopp an der Telegrafeninsel tummeln sich schwarz-gelb gestreifte Bananenfische in den Fluten, eine zweite Dhau legt neben uns an. Darauf rund vierzehn Frauen in schwarzen Abbayas, ein Junge, ein älterer Mann. "No Fotos! No Facebook!", rufen die Frauen aufgebracht, als sie unsere Kameras erblicken. Wir richten den Fokus auf die Bananenfische. Beim Sprung ins Wasser sehen wir: Das Holz unseres Schiffes ist auf die rostigen Stahlwände nur aufgemalt – wo viele Touristen sind, herrscht oft mehr Schein als Sein. Doch auf dem Rückweg treffen wir ein so echtes Stück Natur, dass es uns die Sprache verschlägt: Durch Klopfen und Rufen angelockt, springt eine Gruppe Delfine viele Male in hohen Bögen aus dem Wasser. Wir sitzen auf breiten Teppichen im Schiffsheck, lassen das Haar im Fahrtwind trocknen, trinken schwarzen Tee aus winzigen Gläsern, währen oben am Mast die Flagge von Musandam weht: Darauf zwei gekreuzte Krummdolche und drei farbige Streifen: Weiß für Frieden, Rot für die Hauptstadt Maskat, Grün als Symbol für Fruchtbarkeit – und als Farbe des Islam.
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Allgemein: Beste Reisezeit ist von Oktober bis März. Zum Schildkröten beobachten ist Juni bis November die günstigste Zeit. Der europäische Samstag ist hier ein Sonntag, der europäische Sonntag ein Werktag. Siesta-Zeit ist ca, von 12:30 bis ca. 16:30. Dresscode: Generell sollte man die Schultern bedecken und auch in der Stadt lange Hosen oder Röcke tragen. Vor allem im ländlichen Bereich empfiehlt sich für Frauen ein Tuch, als Schleier getragen. Hilfreiche Tipps zu Respekt und Etikette unter http://oman.etraveler.de
Allgemeine Infos: Sultanat of Oman, Ministry of Tourism, www.omantourism.de oder www.omantourism.gov.om. Ebenso unter www.oman.de.
Reisetechnisch gilt der Oman weitgehend als sehr sicheres Land. Die landesüblichen Sitten sollte man respektvoll einhalten und beachten, dann erweisen sich die Omanis als herzliche und freundliche Gastgeber. Neben kulturellen Standards sollte man natürlich ebenso die ökologischen beachten, die weltweit zählen. Veranstalter passen das Programm gerne individuell an.
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