Franziska Horn

Autorin. Freie Journalistin, München

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Trend-Thema "Athleisure" - Sportswear fürs Büro

Mit dem True Wetsuit von Quiksilver aus Zwei-Millimeter-Neopren steigt man vom Business-Meeting direkt aufs Surfboard.

"Wer eine Jogginghose trägt, hat die Kontrolle über sein Leben verloren", sagte Karl Lagerfeld 2012 in einer Talkshow. Schnee von gestern. Das Gebot der Stunde heisst "Athleisure", eine Wortkombination aus "athlet" und "leisure". Was das ist? Sie tragen es sicher schon selbst. Sogar das englischsprachige Merriam-Webster's Dictionary hat den Begriff aufgenommen.

Athleisure heisst der Trend, der Fitness mit Freizeit verbindet. Und das optisch sichtbar. Ein Stil, der tagsüber im Büro, danach zum Fitness und auch beim Ausgehen funktioniert. Ein Lagenlook aus Stretchmaterialien, bequem, mit Kapuzenpulli, Leggings, Tanktop, Turnschuhen und so weiter. Eine sportive Vielzweckmontur, alles in einem. Praktisch für die einen, ein riesiges Marktsegment für die anderen. Um das sich Topdesigner reissen. Auch Karl Lagerfeld, der längst Sportswear-Couture entwirft . Oder Stella McCartney mit ihrer Kollektion Stella for Adidas. Ein simpler Klamottentrend? Weit gefehlt. "Nur oberflächliche Leute urteilen nicht nach dem Aussehen", hat Oscar Wilde mal gesagt. Und der lag ja immer irgendwie richtig.

Auf der Ispo 2016 in München analysierte der Trendexperte David R. Shaw vom Magazin "Textile View" in einem Vortrag die Hintergründe. In den USA wird nur noch die Hälfte der verkauften Sportkleidung tatsächlich zum Training genutzt, sagt er. Ein Ausdruck des aktuellen Fitnesskults, der beinahe alle Lebensbereiche erobert hat. Denn Fitness verleiht moralische Überlegenheit: Ich mache Sport, ich kontrolliere mein Gewicht und meinen Körper, ich beweise Disziplin. Das ist das Gegenteil von dem, was Lagerfeld einst monierte.

"Wir leben im Zeitalter der Disziplin", sagt David Shaw. "Das gilt auch fürs Kochen und Essen. Gwyneth Paltrow hats vorgemacht." Die changiert zwischen vegan, makrobiotisch oder gar nix essen - alles esoterisch verbrämt. 2015 eröffnete sie einen Fitnessclub. Was ihr Blog Goop.com als "richtiges Leben" verkauft, klingt eher wie ein schlecht verkleidetes Diktat der zwanghaften Selbstoptimierung. Im Pressetext der Ispo heisst es zum Thema: "Fitness ist Lifestyle. Fitness ist ein Statussymbol. Wer Fitnesskleidung trägt, signalisiert Jugend und Sportlichkeit. Nicht nur beim Training, sondern auch im Alltag."

"Active wear is everywhere", sagt David Shaw. Früher habe man beim Büroklatsch in der Kaffeeküche noch gefragt: "Wann heiratest du endlich?" Heute interessiere, wie viele Kilometer einer gestern gelaufen sei. Fitness als Lebensstil ist eine ernste Entscheidung, die ein entsprechendes Outfit braucht. Darum hat das Label Quiksilver den True Wetsuit erdacht. Hier wird der Massanzug zum Nassanzug, geschneidert aus stretchy Zwei-Millimeter-Neopren. Vom Büro aufs Board, so die Idee. Der Designer Kenzo hat Swimtimates erfunden - badetaugliche Unterwäsche. Nach dem Büro kann frau übergangslos in die Limmat springen, während junge Mütter mit Speed-Kinderwagen durch den Park rennen. Auch Wäsche aufhängen geschieht heute in Active Wear. Der tägliche Subtext lautet: "Push your limit." Bisher hörte man das eher von Extrembergsteigern.


* Franziska Horn schreibt über Design, Architektur, Reisen, Alpin- und Outdoorsport. 2014 ist ihre Biografie der Alpinistin Edurne Pasaban erschienen.
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