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Eingreiftruppe soll sich um Berliner Brennpunkte kümmern

Die Zentrale der Polizei soll stärker strategisch planen. Es soll eine neue Hundertschaft für kriminalitätsbelastete Orte geben.


Berlin. Vom Alexanderplatz über die Warschauer Brücke bis zum Kottbusser Tor liegen die meisten polizeilichen Brennpunkte im Zentrum Berlins. Künftig soll sich eine Einsatzhundertschaft, die aus drei Zügen mit jeweils 25 bis 35 Bereitschaftspolizisten besteht, nur um diese kriminalitätsbelasteten Orte (kbO) kümmern und die Abschnitte vor Ort entlasten. Diese Präsenz- und Brennpunkteinheit dürfte der sichtbarste Teil der Polizei-Strukturreform sein, die in ihren Details am heutigen Mittwoch vorgestellt werden soll.


Der wesentliche Teil der Strukturreform betrifft die Organisation der Behörde. „Bislang führten immer alle Wege direkt zur Polizeipräsidentin und in den Stab", sagte ein Insider der Berliner Morgenpost. Das solle verändert werden, damit das Präsidium sich wieder um Zukunftsfragen und strategische Ausrichtungen kümmern könne. Das Tagesgeschäft solle künftig komplett von der Landespolizeidirektion abgefangen werden. Wer die neue Direktion leiten soll, ist allerdings noch unklar.


Über Reform wurde nur im kleinen Kreis beraten

Nach Informationen der Berliner Morgenpost wurde über die Reform im kleinsten Kreis beraten. Vergangene Woche waren die Direktionsleiter informiert worden. Erst diesen Dienstag wurde ein erweiterter Führungsstab in die Entscheidung eingebunden. Diesen Mittwoch soll die Öffentlichkeit informiert werden. Der Informationsweg sorgt bei der Gewerkschaft der Polizei (GdP) für Kritik.


GdP-Sprecher Benjamin Jendro sagte auf Nachfrage der Berliner Morgenpost: „Wir wissen von der Arbeitsgemeinschaft Struktur und haben auch Gespräche mit der Behördenleitung geführt, man hat uns aber weder in die geplanten Änderungen eingebunden noch über den aktuellen Sachstand informiert und somit auf unsere Fachexpertise verzichtet." Man hoffe, dass hier nicht wieder etwas über die Köpfe der Kollegen hinweg entschieden werde. So etwas sei schon mal ordentlich gegen den Baum gelaufen. „Generell sollte jedem klar sein, dass eine bloße Strukturreform nichts an unserem viel zu geringen Personalkörper ändert", sagte Jendro weiter.


Die geplante Neuorganisation trägt dabei Züge der Struktur, die bereits bis 2003 bei der Berliner Polizei gültig war. Das Drei-Säulen-Modell (Schutzpolizei, Kripo, Verwaltung) war über Jahrzehnte der Klassiker deutscher Polizeibehörden. In Berlin gab es ein Fünf-Säulen-Modell: Dem Polizeipräsiden- ten unterstanden die fünf Säulen Landesschutzpolizeiamt (LSA), Landeskriminalamt (LKA), Landespolizeiverwaltungsamt (LPVA), Landespolizeischule (LPS) und - eine Berliner Besonderheit nach der Wende - die Zentrale Ermittlungsstelle für Regierungs- und Vereinigungskriminalität (ZERV). Nun könnte wieder ein erweitertes Vier-Säulen-Modell entstehen.


Struktur bis 2003 benötigte großen Verwaltungsapparat

Sowohl die Behördenleitung als auch die Spitzen der fünf Säulen erforderten einen immensen Verwaltungsapparat mit einer hohen Zahl an Planstellen. So stand jedem Bereichsleiter ein Stab zur Seite. Das Kuriose daran war, dass etwa der Stab des Polizeipräsidenten und der Stab des Landesschutzpolizeidirektors teilweise völlig identische Stabsbereiche unterhielten, sodass sich häufig zwei Stellen um die gleichen Aufgaben kümmerten.


Kritiker hatten da schon seit vielen Jahren moniert, dass eine viel zu große Zahl von Planstellen für Stabs- und Verwaltungstätigkeiten benötigt wurde und so für den operativen Dienst der Polizei fehle. Kritisiert wurde ebenso, dass die Zahl der Hierarchieebenen zu mühsamen und langwierigen Verwaltungswegen führe und schnelle Absprachen und Entscheidungen verhindere.


Nach dem Jahrtausendwechsel nahm der damalige Innensenator Ehrhart Körting (SPD) das zum Anlass, eine umfangreiche Reform der Berliner Polizei anzuordnen. Mit der Umsetzung wurde der neue Polizeipräsident Dieter Glietsch betraut, der 2003 Vollzug meldete. Polizeiverwaltung und Landespolizeischule wurden verschlankt und fusioniert. Die ZERV konnte mehr als ein Jahrzehnt nach der Wiedervereinigung ihre Arbeit einstellen, und das Landesschutzpolizeiamt wurde komplett aufgelöst.

Experten zufolge hat die neue, in ihren Grundzügen bis heute gültige Struktur tatsächlich Verbesserungen durch kürzere Kommunikationswege und schnellere Entscheidungsprozesse herbeigeführt.


Beim Thema „Mehr Stellen für die Polizeiarbeit vor Ort" gehen die Meinungen hingegen auseinander. Gerade in den aufgelösten oder verkleinerten Stabs- und Verwaltungsbereichen gab es vor der Reform einen sehr hohen Anteil von Beamten des höheren Dienstes, sie wurden damals von den Beamten im polizeilichen Alltag auf der Straße gern als „Frühstücksdirektoren" tituliert. Für sie mussten adäquate Ersatztätigkeiten gefunden werden - ein Platz im Funkstreifenwagen gehörte definitiv nicht dazu. Mehr Stellen für den operativen Polizeidienst zu schaffen, war damals ein nur schwer zu lösendes Problem. Und ist es bis heute, wie die Polizeigewerkschaften unisono immer wieder betonen.


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