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Sextett kündigt - Sporting Lissabon droht der Zerfall

Bas Dost im Pokalfinale: Es war wohl sein letztes Spiel im Trikot von Sporting

Etwa 50 vermummte Ultras hatten die Spieler auf dem Trainingsgelände des Vereins attackiert und verletzt.


Lissabon/Berlin. Mit Gürteln und Stöcken bewaffnet hatten Mitte Mai rund 50 Vermummte das Trainingsgelände von Sporting Lissabon gestürmt, die Kabine verwüstet und Spieler verletzt. „Das ist nicht Sporting, und das kann Sporting nicht sein", verurteilte der Verein die Attacke. Die Angreifer stammten aus der eigenen Fan-Szene, 23 von ihnen wurden festgenommen. Doch damit ist es nicht getan, die Attacke wiegt noch immer schwer. So sehr, dass sich einige Profis nicht mehr imstande sehen, für den Klub aufzulaufen. Sechs fristlose Kündigungen sind bei Sporting-Präsident Bruno de Carvalho eingegangen. Er selbst trägt daran eine Mitschuld - und sucht sie doch bei anderen. Der Verein steht vor einem Scherbenhaufen.

Als die Blutungen aus den zwei klaffenden Wunden am Kopf von Stürmer Bas Dost gestillt waren, mussten sie mit mehreren Stichen genäht werden. „Wir sind alle schockiert, das ist ein Drama für jeden. Ich fühle mich leer", sagte Dost der niederländischen Zeitung „Algemeen Dagblad". Vier Wochen danach, am vergangenen Montag, kündigte der 29-Jährige, der von 2012 bis 2016 für den VfL Wolfsburg spielte, fristlos. Wie vor ihm Portugals Nationaltorhüter und Sporting-Kapitän Rui Patricio, die Mittelfeldspieler William Carvalho und Bruno Fernandes sowie Gelson Martins und Daniel Podence. Sie alle sehen durch die Fan-Attacke „gültige Motive" für die Auflösung ihrer Verträge.


Vereinspräsident de Carvalho zweifelt an dieser Begründung, bezichtigte Torhüter Patricio gar der Lüge. Vielmehr steckten die Interessen der Spielerberater dahinter, die mit ihren nun ablösefreien Spielern mit anderen Vereinen verhandeln und Geld machen könnten. Dabei könnte de Carvalho selbst Auslöser des brutalen Fan-Angriffs gewesen sein. Nach dem Ausscheiden gegen Atlético Madrid im Viertelfinale der Europa League hatte er in seinem Ärger 19 Spieler suspendiert, gefolgt von harscher öffentlicher Kritik, die der Präsident in den Wochen danach stets wiederholte.

Dabei spielte die Mannschaft des 22-maligen portugiesischen Meisters bis dato keine schlechte Saison. Bis auf den letzten Spieltag: Durch eine 1:2-Niederlage bei Maritimo Funchal rutschte Sporting noch auf Rang drei ab und verpasste damit die Qualifikation für die Champions League. Zwei Tage später ließen die 50 vermummten Anhänger ihrem Frust freien Lauf, prügelten auf die Spieler ein, trotz des bevorstehenden Pokalfinales am Wochenende drauf.

Der Skandal erschütterte gar die höchste politische Ebene. Portugals Ministerpräsident Antonio Costa sagte, die Gewalt sei „nicht zu tolerieren". Und Staatspräsident Marcelo Rebelo de Sousa äußerte sich „besorgt um das Bild Portugals in der Welt". Sportlich kein gutes Bild gab Sporting folglich, wen wundert es, im Pokalfinale ab. Zuvor hatte Trainer Jorge Jesus zwar erklärt: „Wir sind nicht in dem physischen oder psychischen Zustand, sofort wieder mit dem Training zu beginnen." Aber weil das Pokalfinale ein Fest des portugiesischen Fußballs und auch dem Verein Respekt zu zollen sei, wollten sie spielen. Mittlerweile hat Jesus selbst ebenfalls abgedankt und dem Verein den Rücken gekehrt. Auch er war attackiert worden.

Während der Verein vor Gericht ziehen könnte, um seine Spieler nicht zu verlieren, versuchten die wahrhaften Fans dieser auf einer Versammlung mit Plakaten vom Verbleib zu überzeugen: „50 sind nicht 3,5 Millionen." Die Chaoten seien deutlich in der Unterzahl, und überhaupt: Das ist Sporting, so kann Sporting sein, so die Botschaft.


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