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Gemeinschaft auf kleinstem Raum: Aktivisten wollen Dorf aus Tiny-Häusern gründen

Das selbstgebaute Tin-House steht mitten im Grünen. Die Tiny-House-Gemeinschaft soll aus bis zu 20 solcher Häuser bestehen und mit der Zeit langsam wachsen. (Foto: Vivien Götz)

Den Traum vom Eigenheim verwirklichen, aber auf weniger als 30 Quadratmetern und so ressourcenschonend wie möglich: Diese Idee steckt hinter dem Wohntrend „Tiny-House“, für den sich immer mehr Menschen begeistern. Drei Aktivisten aus dem Bodenseekreis gehen jetzt aber noch einen Schritt weiter: Sie wollen in der Nähe von Salem eine Tiny-House-Gemeinschaft gründen. Bis zu vierzig Menschen sollen in rund 20 Tiny-Häusern zusammenleben, gemeinsam einen Garten zur Selbstversorgung anlegen und sich so viele Alltagsgegenstände wie möglich teilen. Nicht nur das Leben des Einzelnen sondern die Existenz in der Gemeinschaft soll nach nachhaltigen Prinzipien aufgebaut werden.

Um diese Idee zu verwirklichen sind Michelle Bucher, Felix Bucher und Jochen Dembacher aktuell auf der Suche nach Mitstreitern und einem geeigneten Grundstück. „Unsere Erfahrung ist, dass der Erfolg solcher Projekte ganz entscheidend davon abhängt, wie offen Gremien und Gemeinden für unsere Ideen und unsere Lebensform sind“, sagt Jochen Dembacher. Wenn Michelle Bucher anderen davon erzählt, wird sie oft mit Ängsten und Vorurteilen konfrontiert. „Wir werden oft in die Hippie-Zigeuner-Ecke gestellt“, erzählt die 26-Jährige.

Ungewöhnlich klingt die Idee der Tiny-House Gemeinschaft auf jeden Fall. Der bewusste Verzicht auf Platz, Komfort und Besitz in derartiger Konsequenz ist etwas Neues. Die Gemeinschaft soll als Genossenschaft organisiert werden. Innerhalb der Gruppe soll sich jeder als mitwirksam erleben können. „Die Umsetzung dieser Prinzipien ist eine Herausforderung, aber das Zusammenleben in Gemeinschaften stellt Menschen immer vor Probleme und das ist einfach unsere Entscheidung, wie wir diese Probleme angehen wollen“, erklärt der 40-Jährige.


Bewegung kommt aus den USA

Die Tiny-House-Bewegung hat ihren Uhrsprung in den USA. Sie entstand in den 90ern als Gegenbewegung zum Trend, immer größere Einfamilienhäuser zu bauen. Vor allem in der Finanzkrise erhielt die Bewegung in Amerika viel Aufmerksamkeit, weil die Kosten für die kleinen, meist aus Holz gebauten Häuser, deutlich niedriger sind. Inzwischen lebt der Trend vor allem von dem zunehmenden Interesse an nachhaltigeren Lebensstielen. Auch in Deutschland findet der Wohntrend immer mehr Anhänger. Über zwanzig Anbieter bauen und verkaufen die kleinen Häuser - von der Stange oder maßgeschneidert.

Die Entscheidung für einen nachhaltigeren Lebensstiel war bei Michelle, Felix und Jochen ein Prozess. Michelle Bucher hat nach einer längeren Reise begonnen, sich mit dem Thema zu beschäftigen. „Ich hab einfach gesehen, wie schön die Welt ist, aber auch wie schlecht es ihr an vielen Orten geht. Ich war viel mit dem Rucksack unterwegs und habe gemerkt, dass ich gar nicht so viel brauche“, erzählt sie. Für Felix Bucher ist der minimalistische Lebensstiel ein permanenter Prozess.. Dem 35-Jährigen Ingenieur, der in Friedrichshafen bei ZF arbeitet, ist es nicht immer leichtgefallen, sich von seinen Sachen zu trennen. Er musste immer wieder ausmisten, bevor die Menge seiner Besitztümer zu der Größe des Tiny-Hauses passte.

Auch das Projekt Tiny-House Gemeinschaft sehen die drei als Prozess. Eine Gemeinschaft, die so eng zusammen arbeitet, müsse organisch wachsen. Im Moment läuft die Gründung eines Fördervereins, als nächstes wollen sie an die Kommunen im Bodenseekreis herantreten. Dabei ist es ihnen wichtig, dass ihr Grundstück in einer Gemeinde liegt, die ihren Ideen aufgeschlossen gegenübersteht. Die Zusammenarbeit mit Behörden und Nachbarn soll konstruktiv sein, die drei wollen sich mit ihrer Idee nicht aufdrängen.

Trotz der großen Skepsis sind sie zuversichtlich. Immer mehr Kommunen seien bereit, sich für neue Wohnideen zu öffnen: „Radolfzell hat in einem seiner Ortsteile das Aufstellen mehrerer Tiny-Häuser erlaubt und bei der Lebensgemeinschaft „Schloss Tempelhof“, bei Schwäbisch Hall, war der Bürgermeister Feuer und Flamme für das Projekt, sobald er gemerkt hat, dass das für seine Gemeinde auch ein enormer Gewinn sein kann“, erzählt Jochen Dembacher.

Die Tiny-House Gemeinschaft Bodensee will sich ebenfalls intensiv mit Nachbarn und Gemeinde austauschen. „Wir wollen uns ja nicht irgendwo isolieren, sondern den Menschen die Möglichkeit geben, uns kennen zu lernen“, erklärt Michelle Bucher. Das Zentrum des Tiny-House-Dorfes soll deshalb ein Gemeinschaftshaus werden, mit Seminarräumen und einem Unverpackt-Café.

Mit ihrer Idee sehen sich die drei am Puls der Zeit. Immer mehr Menschen würden sich bewusst für einen nachhaltigeren Lebensstil interessieren. „Diese Ideen passen auch gut in die Technologie-Region Bodensee“, sagt Michelle Bucher. Innovative und neue Ideen des Zusammenlebens würden auch innovative Menschen und Unternehmen anziehen.

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