Von Antonius Kempmann, Verena von Ondarza und Elisabeth Weydt, NDR
In dieser Woche kommen in Paris erstmals die Entwicklungsbanken der Welt zu einer Konferenz zusammen. Mit dabei ist die Europäische Investitionsbank (EIB). Sie ist der weltweit größte multilaterale Geldgeber. Ihr Kerngeschäft liegt in Europa, sie investiert aber auch in Schwellen- und Entwicklungsländer.
Nichtregierungsorganisationen (NGO) werfen der EIB nun entwicklungspolitisches Versagen vor. Die NGO-Koalition "Counter Balance" erarbeitete zur Konferenz einen Bericht, der dem NDR exklusiv vorliegt. Darin warnt sie vor einer unbedachten Ausweitung der Kompetenzen der Bank. Sie sei nicht transparent genug und achte bei der Vergabe von Krediten zu wenig auf Menschenrechte. Die EIB müsse dringend ihr Personal in der Beschwerde-Abteilung aufstocken und generell umdenken, so das Fazit.
EU will Entwicklungsfinanzierung bündelnDenn die EU möchte ihre Entwicklungsfinanzierung in einer Institution zusammenführen. Die EIB möchte gerne diese Institution sein. Aktuell laufen 30 Prozent des EU-Budgets für Entwicklungshilfe über die EIB. Ihr Präsident Werner Hoyer rührt in Pressebeiträgen die Werbetrommel. Am besten sei es, die EU-Entwicklungsbank auf bestehende Strukturen aufzusetzen. "Die EIB bringt dazu das nötige Rüstzeug mit", schreibt Hoyer. Und das, obwohl sich die EIB mit der Überwachung von außer-europäischen Großprojekten äußerst schwer getan hat.
Der madagassische Bienenzüchter Jean Louis Berard hat die Kehrseite von europäischer Entwicklungspolitik hautnah miterlebt. Als im Jahr 2007 der Bau einer Nickel- und Kobaltmine in der Nähe seines Hofs begann, war er zunächst optimistisch. Er hoffte auf Arbeitsplätze und bessere Lebensbedingungen für Madagaskars Bevölkerung, die zu den ärmsten der Welt gehört.
Doch statt Wohlstand kamen Probleme. "Alle Bienen in einem Umkreis von 30 Kilometer sind gestorben. Also da gibt es keine Bienen mehr, keine Bestäubung, keine Frucht-Produktion", erzählt Berard, der Sprecher einer Landwirtschaftskooperative von mehr als 1000 Kleinbauern ist. Ernteeinbrüche von bis zu 80 Prozent seien die Folge. Als er bei den örtlichen Behörden nichts erreichen konnte, wandte er sich an einen der Geldgeber des Projekts - die Europäische Investitionsbank (EIB). Sie unterstützte die Ambatovy-Mine in Madagaskar 2007 mit einem Kredit in Höhe von 260 Millionen Euro.
Untersuchung dauerte sechs JahreSechs Jahre dauerte es, bis die Bank 2018 die Untersuchung seiner Vorwürfe abschloss. Einige Verstöße könne sie bestätigen, andere könne sie nicht zweifelsfrei nachweisen, hieß es im Ergebnis. Für weitere Vergehen des Minenbetreibers kündigte die EIB eine Aussetzung des Kredits an.
Zu lang habe das gedauert, räumt auch Markus Berndt ein, der Direktor für die Strategie der EIB-Gruppe. Man habe seitdem aber das Personal aufgestockt. Heute arbeiten 20 statt 18 Menschen in der Compliance-Abteilung der Bank. Dutzende von Beschwerden erreichen die EIB jährlich, der Großteil kommt von außerhalb der EU.
NGOs bemängeln EIB-Umsetzung von StandardsNichtregierungsorganisationen warnen deshalb nun in einem aktuellen Bericht davor, die EIB zu einer Entwicklungsinstitution umzulabeln. Counter Balance, eine Koalition aus NGOs wie Bankwatch und Urgewald, verfolgt die entwicklungspolitische Arbeit der Bank schon lange kritisch. "Die EIB hat ja gar nicht ausreichend Expertise und Leute dafür. Die Umsetzung ihrer Sozial- und Umweltstandards ist mangelhaft", sagt Xavier Sol, Direktor bei bei Counter Balance. Der Beschwerdemechanismus der Bank greife zudem stets erst, wenn der Schaden vor Ort schon passiert sei.
Kritik kommt auch von offizieller Seite. Der Ökonom Thomas Wieser hat sich die Bank als Vorsitzender eines EU-Expertengremiums angeschaut und saß zuvor viele Jahre in ihrem Aufsichtsrat. Die EIB habe zu wenig Leute vor Ort. "Wenn Sie sich mal ansehen, was die deutschen entwicklungspolitischen Institutionen GTZ, Kreditanstalt für Wiederaufbau und so weiter an Manpower in anderen Kontinenten haben, das geht in die Tausende", sagt Wieser. Die EIB hingegen hat außerhalb der EU 120 Mitarbeiter. Und viele von denen seien Experten für Finanzierung, aber nicht unbedingt für Entwicklung.
EIB sieht Defizite als Argument für Ausweitung der Rolle der BankMarkus Berndt, der strategische Direktor der Bank, räumt ein, dass die außereuropäischen Projekte mehr Aufmerksamkeit von der Bank bekommen müssen. Der Verwaltungsrat sei gemäß des Auftrages der Bank zu 90 Prozent mit europäischen Projekten beschäftigt. Es blieben dann nur zehn Prozent der Zeit zu schauen, "wie sinnvoll unser Projekt in Tunesien ist oder unser Klimaprojekt in Brasilien", erklärt er. Die bisherigen Defizite sieht Berndt als Argument für die Ausweitung der Rolle der Bank.
Bienenzüchter Berard ist auch jetzt, nach Bearbeitung seines Falles, vom Beschwerdemanagement der Bank nicht überzeugt. "Das ist ein Skandal", sagt er, "die Bank finanziert ein Geschäft im Ausland. Und die, die vor Ort die Konsequenzen dieses Geschäftes tragen müssen, dürfen sich nicht beklagen."