Stand: 03.05.2019 10:36 Uhr
von Verena von Ondarza, NDR Info Wirtschaftsredaktion
Sich behaupten und durchsetzen gegenüber männlichen Topmanagern - für viele Frauen ist das nicht leicht. Auch nicht in den Aufsichtsräten großer Unternehmen, für die es seit vier Jahren eine gesetzliche Frauenquote gibt. In einem Coaching für Aufsichtsrätinnen können die Frauen gezielt an ihrem Auftreten und an ihrer Präsenz arbeiten.Krisztina Berger ist eigentlich promovierte Physikerin. Nach Jahren in der Wissenschaft arbeitet sie heute als Tanztherapeutin und Präsenztrainerin. In ihrem Workshop sollen die Teilnehmerinnen ihren Körper erfahren. Deswegen werden als erstes die Stühle zur Seite geräumt. "Wir beginnen mit gehen. Und dabei: Tempo! Wir beginnen mit einem schnellen Tempo. Beobachten Sie dabei, wie Sie sich damit fühlen."
Die eigene Körpersprache findenDie Teilnehmerinnen - Frauen, die in Aufsichtsräten sitzen oder einen solchen Posten anstreben - gehen durch den Raum: erst langsam, dann schnell, laut und leise, geradlinig und in Schlangenlinien. Krisztina Berger will mit ihrem Programm keine Standardgesten trainieren, die allgemein als tough gelten. Sie will, dass jede Teilnehmerin für sich eine eigene Körpersprache findet, durch die sie ihre Präsenz maximiert. Der schnelle Gang ist für die eine kraftvoll und dynamisch. Andere fühlen sich dadurch gehetzt und wirken deshalb auch nicht wirklich souverän, sagt Berger: "Oft beobachte ich in meinen Beratungen, dass sich die Frauen eine Souveränität und Scheinstabilität aufgesetzt haben. Aber das innere Erleben steht dazu in einer Kluft - und da möchten die Frauen zu einer echten, angenehmen Präsenz kommen."
Eigene Netzwerke schaffenDas Präsenzcoaching ist Teil einer Fortbildung für Frauen in Aufsichtsräten. Das Programm an der Fachhochschule für Wirtschaft und Recht in Berlin gibt es schon seit einigen Jahren. Schwerpunkt sind rechtliche und wirtschaftliche Fragen, also Faktenwissen. Doch seit diesem Jahrgang spielt ein persönliches Coaching eine größere Rolle. Ausbildungsleiterin Philine Erfurt-Sandhu: "Viele Frauen meinen, das nötige Wissen reiche aus, um einen Zugang in Aufsichtsräte zu bekommen. Allerdings werden die Aufsichtsräte zu 80 Prozent über Netzwerke besetzt. Das heißt, man muss viel stärker daran arbeiten, sein eigenes Profil zu schärfen und sich damit sichtbar zu machen."
Wichtige Ausschüsse noch von Männern dominiertInzwischen gibt es zwar - auch dank gesetzlich vorgeschriebener Quote - 30 Prozent Frauen in Aufsichtsräten von börsennotierten oder mitbestimmungspflichtigen Unternehmen. Zufrieden mit dem Einfluss von Frauen in Aufsichtsräten ist Philine Erfurt-Sandhu dennoch nicht. Denn in den wirklich wichtigen Ausschüssen, in denen die Entscheidungen der Räte vorbereitet werden, sind Frauen nach wie vor unterrepräsentiert: "Wir haben mit der Quote eine gläserne Decke durchbrochen, aber neue sind entstanden. Deswegen ist ein ganz wichtiges Thema in unserem Coachingprogramm, einflussreich zu werden und zu schauen, welche Machtbasen ich schon habe. Vielen Frauen ist das nämlich gar nicht bewusst. Das versuchen wir in diesen Coachings aufzudecken, um für eine Standfestigkeit zu sorgen - zusätzlich zu dem Kompetenzprofil, das sie sich erarbeiten."
Wie umgehen mit "typisch männlichem Verhalten"?Deshalb lernen die Workshop-Teilnehmerinnen bei Krisztina Berger auch mit Verhalten umzugehen, das als typisch männlich gilt. Letzte Runde im Coaching: Schweigen ist Macht! Drei Minuten lang sollen die Frauen ihr Gegenüber einfach nur ansehen, das Schweigen, den Blick der anderen aushalten. Nur eineinhalb Stunden hat der Kurz-Workshop gedauert. Trotzdem fühlen sich viele Teilnehmerinnen danach kraftvoll und geerdet.
Serie: Über Männer und Frauen in der Arbeitswelt
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NDR Info | Wirtschaft | 03.05.2019 | 07:41 Uhr