von Ullrich Kroemer
Schwarz-Gelb gegen Schwarz-Gelb: Die Pokal-Begegnung von Dynamo Dresden und Borussia Dortmund wurde 2011 zum Randale-Debakel. Trotz harter Bestrafung scheint der Delinquent Dynamo vor dem erneuten Aufeinandertreffen am Dienstag (20:30 Uhr ARD) nur wenig gelernt zu haben.
Jene, die im Oktober 2011 dabei waren, haben die Szenerie noch gut vor Augen: Mit etwa 10.000 Anhängern war Dynamo Dresden zur zweiten DFB-Pokal-Hauptrunde zu Borussia Dortmund gereist. Die meisten davon waren in „Europapokal”-T-Shirts gewandet, ein riesiges Happening der schwarz-gelben Fanszene. Das Spiel wurde zur besten Sendezeit live übertragen; der damalige Zweitligist war für einen Abend lang zurück auf der großen Fußballbühne. Doch die Partie eskalierte. Teile des Dresdner Anhangs versuchten, das Dortmunder Stadion zu stürmen, lieferten sich Scharmützel mit der Polizei, wüteten in den Gästeblöcken und richteten einen Schaden in sechsstelliger Höhe an. Die Ausschreitungen waren der Startpunkt einer neuerlichen Eskalation zwischen Dynamo Dresden, seinen Fans und dem Deutschen Fußball-Bund (DFB) die schließlich im ersten Ausschluss eines Klubs aus dem DFB-Pokal mündete. Dynamo brachte das einen finanziellen Schaden in Millionenhöhe ein.
Nur ein Funke genügt
Dreieinhalb Jahre und einen Pokalausschluss später trifft Dynamo am Dienstagabend im Pokal-Achtelfinale nun erneut auf den BVB. Etwa 1000 Polizeibeamte werden bei dem Hochrisikospiel im Einsatz sein. Fanbeauftragte und Sozialarbeiter beider Vereine dürfen vor der heiklen Begegnung offiziell nichts sagen. „Wir haben alles vorbereitet, was in unserer Macht steht", sagt einer hinter vorgehaltener Hand. „Es kann gut gehen, muss aber nicht."
Von der ebenfalls nicht unproblematischen Fanszene des BVB ist an diesem Abend wohl keine Gefahr zu erwarten. Zu viel Respekt haben die etwa 3000 Auswärtsfans in der „Höhle des Löwen”. Zwar benehmen sich die Krawallmacher der SGD im eigenen Wohnzimmer in der Regel besser als auswärts; auch, weil die Kooperation zwischen Sicherheitsleuten, Fanbeauftragten und Polizei gut eingespielt ist. Doch auch zuhause genügt bisweilen nur ein Funke, um das Aggressionspotenzial im K-Block, wo die Hardcore-Fans stehen, zu entzünden. Als Dynamo etwa im letzten Zweitligaspiel der vergangenen Saison gegen Bielefeld abstieg, machten im Block schwarz vermummte Randalierer mobil und griffen sogar die eigenen Fans mit abgebrochenen Fahnenstangen an.
Angst vor den eigenen Fans
Eine Szene mit Symbolcharakter, denn nicht nur auf den Rängen, auch in den Gremien der „Schwarz-Gelben" gibt es seit Jahren Grabenkämpfe. Vereinslegenden wie „Dixie" Dörner sitzen im Aufsichtsrat neben Leuten wie Schriftführer André Gasch, der wie mehrere Quellen bestätigen selbst diverse Stadionverbote gehabt haben soll. Die Krux eines mitgliedergeführten und von der riesigen Fanszene beherrschten Vereins.
„Der Verein ist inkonsequent gegenüber seinen aktiven Fans. Normalerweise müsste Dynamo Dresden einen großen Teil einfach rausschmeißen und mit dauerhaftem Stadionverbot belegen", sagt ein Insider, der die Szene seit Jahren beobachtet. „Das macht Dynamo aber seit 25 Jahren nicht, weil die Funktionäre Angst vor ihren eigenen Fans haben.” Derzeit sind lediglich über 150 Personen mit Stadionverbot belegt. Unser Gesprächspartner, der seinen Namen lieber nicht nennen will, sagt: „Wenn die Fans wollen, können sie alles verhindern und jede Person, jeden Vorstand, jeden Aufsichtsrat kaputt machen.”
Verein will Fans in Regress nehmen
Die Engagements des unter anderem vom DFB subventionierten Dresdner Fanprojekts, der antirassistischen Fangruppierung „1953international" oder der Faninitiative „Rote Karte gegen Pyro und Chaoten" verpuffen angesichts regelmäßiger Eruptionen der Gewalt. Der Vulkan Dynamo Dresden ist trotz drastischer Strafen aktiv und bricht verlässlich zwei, drei Mal pro Saison aus.
Erst jüngst mussten die Dynamos als Strafe für die Ausschreitungen in Rostock wieder einmal vor leeren Rängen antreten. Immerhin versucht der Verein in dieser Saison erstmals, die Schuldigen persönlich dafür in Haftung zu nehmen. „Kriminelles Verhalten werden wir als Verein nicht tolerieren", versprach der neue Geschäftsführer Robert Schäfer in einer Pressemitteilung. Neben Stadionverboten und Vereinsausschlüssen kündigte er an, Regressansprüche gegenüber den Tätern geltend zu machen. Das hätte in dieser Schärfe schon viel früher geschehen müssen, war jedoch in der Vergangenheit am Veto der Funktionäre gescheitert. Trotz dieser Maßnahmen bleibt den Dresdner Verantwortlichen aktuell wieder nur die Hoffnung, dass es gegen den BVB ruhig bleibt auf den Rängen. Lehren aus Szenen wie in Dortmund haben Verein und Fanszene zu wenige gezogen.
25. Oktober 2011, 2. Runde DFB-Pokal, Borussia Dortmund – SG Dynamo Dresden: Vor während und nach dem Spiel (0:2), kommt es zu Ausschreitungen mehrerer Hundert Dynamo-Randalierer. Die Bilanz: 15 Festnahmen, 17 Verletzte und 150.000 Euro Sachschaden. Der DFB schließt Dynamo zunächst vom DFB-Pokal 2012/13 aus.
23. Februar 2012: Das DFB-Bundesgericht mildert in der Berufungsverhandlung das Urteil aus erster Instanz ab. Dynamo darf im Pokal spielen, muss aber daheim ein „Geisterspiel“, ein Spiel ohne Auswärtsfans und 100.000 Euro Geldstrafe hinnehmen. Daneben müssen die vom Fanausschluss betroffenen Vereine entschädigt werden.
11. März 2012, 2. Liga, SGD – 1. FC Ingolstadt: Dynamo spielt vor leeren Rängen 0:0, hat zuvor aber 34.638 „Geistertickets“ verkauft – mehr als ins Stadion passen. Der Verein feiert die Aktion als Coup, der die DFB-Strafe zumindest finanziell erträglich macht.
31. Oktober 2012: Wieder die zweite Runde im DFB-Pokal, wieder Stadion- und Platzstürme gegen unterbesetzte Gäste, wieder massiver Einsatz von Pyrotechnik: Tausende Hannoveraner und Dresdner Fans randalieren. Es gibt 21 Festnahmen und 14 Verletzte.
10. Dezember 2012: Das Sportgericht schließt Dynamo für die Saison 2013/14 vom Pokal aus.
7. März 2013: Das Bundesgericht des DFB bestätigt das Urteil vom Dezember, Dynamo bleibt vom Pokal ausgeschlossen. Die Ausschreitungen vom 8. Februar 2013 in Kaiserslautern, wo durch Dynamo-Randalierer zwei Menschen verletzt wurden und 70.000 Euro Sachschaden entstanden sind, wurden strafverschärfend in die Entscheidung einbezogen.
28. November 2013: Dynamo Dresden akzeptiert nach einem Mitgliedervotum den Pokalausschluss für die Saison 2013/14 und verzichtet auf eine Zivilklage vor dem Oberlandesgericht Frankfurt/Main. Im Gegenzug beendete der DFB alle laufenden Strafverfahren gegen Dynamo für eine Pauschale von 30.000 Euro. Nur eine gute Woche später kommt es in Bielefeld erneut zu Randalen von Gewalttätern im Dynamo-Umfeld mit dem Ergebnis: 17 verletzten Polizisten, 22 Strafanzeigen, 3 Festnahmen.