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Eigentlich hatte ich nur Glück

Ist es Tiefstapelei oder vornehme Zurückhaltung? Frauen neigen jedenfalls dazu, eigene Erfolge abzutun. Unsere Autorin findet: Das muss sich dringend ändern.

Ein Vier-Gänge-Menü zum Jahrestag nach Feierabend aus dem Ärmel schütteln? Nicht der Rede wert. Job, Kinder, Haushalt jonglieren und trotzdem regelmäßig Haare waschen? Ach, ich bekomme ja auch viel Hilfe von Familie und Freunden. DIY-Möbel mit Design-Award-Potenzial bauen? Andere können das noch viel besser. Mit der letzten Präsentation im Alleingang einen neuen Kunden an Land
gezogen? Na, dafür werde ich schließlich bezahlt. Was im persönlichen Rahmen noch charmant-bescheiden wirken mag, grenzt im beruflichen Kontext fast schon an Selbstsabotage: Warum kehren wir uns permanent selbst unter den Teppich?

Während sich männliche Kollegen nach jedem kleinen Erfolg in Position schmeißen,
um von der jubelnden Menge zum Crowdsurfing getragen zu werden, verfalle ich in verlegenes Lachen und Selbstironie, wenn mich jemand auf eine gute Leistung anspricht. Abwinken, rot werden, lächeln und weitermachen. Aber warum denn nur? Warum fällt es mir, wie so vielen Frauen, schwer, die eigenen Talente, Erfolge und Karriereschritte mit stolzer Brust nach außen zu tragen? Ganz einfach: Weil wir es
so gelernt haben. Ende der 70er-Jahre wurde der Begriff „Impostor-Syndrom“ geprägt und damit eine Bezeichnung für ein, besonders unter Frauen, weit verbreitetes Phänomen festgelegt: massive Selbstzweifel hinsichtlich der eigenen Leistungen, Fähigkeiten und Erfolge, begleitet von der ständigen Angst, jeden Moment als Hochstapler aufzufliegen. Nun bringt diese Definition zwei Schlussfolgerungen
mit sich. Erstens: Ich bin damit nicht allein. Puh. Zweitens: Es handelt sich laut der allgemeingültigen Beschreibung um eine psychologische Störung. Ups?! Und genau darin liegt ein Problem begraben, das
die ganze Angelegenheit zum Teufelskreis macht. Die beschriebene Unsicherheit als mentale Schwäche einzuordnen, schafft ein individuelles Problem, das eigentlich gar keins ist. Es ist vielmehr ein gelerntes
Muster, das eine ziemlich große Bevölkerungsgruppe betrifft. Nämlich Frauen. Klar könnten wir uns jetzt alle gegenseitig Mut machen und dazu ermuntern, öfter die Sektkorken zur eigenen Performance knallen zu lassen. Vielleicht hätte das sogar einen positiven Effekt und mit Sicherheit wäre es gerechtfertigt. Behandeln würde es allerdings nur die Symptome und nicht die Ursache einer viel tiefgreifenderen Schieflage.

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