Jeder kennt den Geruch von frisch aufgebrühtem Tee, aber wie dieser produziert wird, ist den meisten Konsumenten nicht bekannt. Um die Arbeitsbedingungen auf Teeplantagen ging es in dem Vortrag der Umwelt-Ethnologin Sarah Besky, die auf Einladung der Heidelberger Nachwuchsforschergruppe "Agrarian Alternatives" im Südasien-Institut ihre Forschung präsentierte.
Bevor die US-Amerikanerin als Juniorprofessorin an die Brown University berufen wurde, lebte sie im Nordosten Indiens, wo sie die sozialen Auswirkungen von fairem Handel erforschte. Ihr preisgekröntes Buch "The Darjeeling Distinction" stellt die Wirksamkeit von Fairtrade-Siegeln infrage und gibt sowohl Sozialwissenschaftlern als auch der interessierten Öffentlichkeit kritische Denkanstöße.
Sie haben lange Zeit mit Teepflückerinnen in Darjeeling gelebt. Wie sieht Ihre Arbeit als Ethnologin auf der Plantage aus?
Ich war ja nie auf einer Plantage angestellt, also beginnt mein Tag normalerweise mit einer Wanderung vom Ort in die Plantagenhügel. Ich treffe mich dort mit Arbeiterinnen, von denen ich viele schon seit zehn Jahren kenne. Hauptsächlich folge ich ihren alltäglichen Wegen und rede mit ihnen, während sie Tee pflücken.
Oh, es ist definitiv eine harte Arbeit. Ich bin richtig schlecht darin, auch wenn ich mit den Frauen jeden Tag mindestens acht Stunden lang Tee pflücke. Während dieser Zeit sprechen wir über alles Mögliche: Warum ich noch keine Kinder habe, welcher Sohn einfach nicht heiraten will, oder über die Söhne, die keinen festen Job finden. Außerdem geht es natürlich darum, wie es sich anfühlt, auf einer Plantage zu arbeiten, und was dieses Plantagenleben für die Frauen bedeutet.
Auf den Plantagen in Darjeeling bedeutet Fairtrade für viele Arbeitskräfte gar nichts. Zu den meisten Arbeiterinnen sickert die Idee von Fairtrade nicht durch. Männliche Aufseher wissen schon eher Bescheid, weil sie mit Händlern, Zertifizierungsbehörden oder Touristen zu tun haben. Aber Arbeiterinnen werden oft gezielt nicht eingeweiht, obwohl genau sie als Sinnbild für das System stehen.
Wir Konsumenten denken, dass Arbeiter mehr Geld verdienen müssen, weil wir ja im Supermarkt mehr für Fairtrade-Produkte bezahlen. Aber auf der Plantage ist das nicht der Fall. Wenn jemand mehr verdient, dann der Plantagenbetreiber. Die Löhne sind je Bundesstaat in Indien für alle Plantagenarbeiter dieselben, weil sie gesetzlich festgelegt sind. Es macht überhaupt keinen Unterschied, ob du auf einer Bio-Plantage oder einer Fairtrade-Plantage arbeitest. Es ist sogar egal, ob diese Plantage nur für den Heimatmarkt produziert oder wie im Fall von Darjeeling ausschließlich in reiche Länder exportiert - du verdienst überall exakt gleich viel. Fairtrade kann am Lohn auf Plantagen nichts ändern.
Fairtrade ist ein Markt, kein Movement. Fairtrade kann also einen Mindestpreis für ein Produkt festlegen. So einen "fairen" Mindestpreis gibt es für Darjeeling-Tee genauso wie für Kaffee aus Kolumbien und Mangos aus Südindien. Dahinter steht die Idee, dass Produzenten geschützt werden sollen, wenn der Preis plötzlich sinkt. Die Weltpreise schwanken zwar unter und über den Mindestpreis, aber mehr bekommen die Kleinbauern nie gezahlt.
Zertifizierte Fairtrade-Händler müssen eine "Prämie" an die Produzenten zahlen. Hier kommt der große Unterschied zwischen Plantagen und Kooperativen: Auf Plantagen sollte über die Verwendung dieses Geldes eigentlich demokratisch abgestimmt werden. Aber in Darjeeling nutzen die Betreiber die Fair᠆trade-Prämie, um in Häuser, Kindergärten oder medizinische Versorgung zu investieren. Dabei müssen sie alle diese Dienste ohnehin gewährleisten, sogar auf nicht zertifizierten Plantagen. So steht es seit 1951 im Gesetz.
Ja, ich trinke jeden Morgen Tee, aber ich versuche, Teebeutel zu vermeiden. An Beuteltee stört mich hauptsächlich, dass er so viele Ressourcen braucht, bis er bei mir in der Tasse landet. Teebeutel sind nicht nur Tee, sie bestehen aus Papier, Metallklammern, Plastik und Baumwolle. Das Papier ist gebleicht, und die Verpackungen gaukeln uns vor, dass wir immer das gleiche Produkt vor uns haben. Jedes Mal, wenn Sie einen Teebeutel aufgießen, konsumieren Sie eine ganze Reihe von Rohstoffen.
erschienen am 27.05.2016 in der Rhein-Neckar-Zeitung
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