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Bestatter: "Es ist okay für mich, wenn Leute sterben"

In der Serie "Kontoauszug" stellen wir regelmäßig Menschen vor, die erzählen, wie viel sie verdienen, wofür sie ihr Geld ausgeben - und wie viel sie monatlich auf die Seite legen. Hier berichtet der 37-jährige Julian aus Berlin.

Mein Job

Beruf: Ich habe mich immer gerne mit dem Tod beschäftigt, ohne dass ich in meiner Jugend schwere menschliche Verluste erleiden musste. Ich habe mich gefragt, wie es wohl ist, wenn ich sterbe. Manchmal verbringe ich auch einfach nur Zeit auf dem Friedhof und studiere alte Grabsteine. So bin ich zu meinem Beruf als Bestatter gekommen. Ich habe kein Bestattungsgeschäft und keine Angestellten, sondern arbeite selbstständig zu Hause an meinem Rechner. Meine Aufgabe ist es, mich um alles Organisatorische zu kümmern, wenn jemand stirbt: Blumen zu bestellen, das Krematorium zu mieten - und die Angehörigen zu begleiten. Die Betreuung ist sehr zeitaufwendig, mehr als vier Kunden kann ich daher nicht parallel betreuen. Ich treffe die Angehörigen bis zu acht Mal vor der Bestattung, begleite sie auch ins Krematorium und ins Bestattungsinstitut, wo die Toten aufgebahrt sind und die Familien sich verabschieden können. Vorher habe ich die Toten bereits gewaschen, ihnen frische Kleider angezogen und sie in den Sarg gebettet.

"Wenn die Angehörigen länger trauern als geplant, muss ich auf die Uhr tippen und darauf hinweisen." Julian, Bestatter

Bei der Beerdigung selbst bin ich dann auf dem Friedhof, auf der Wiese oder im Wald dabei. Ich achte auf die Zeit und die Abfolge der Bestattung. Das kann manchmal etwas unangenehm werden, denn für das Krematorium zahlt man pro Stunde circa 100 Euro mehr. Wenn die Angehörigen also länger als geplant trauern, muss ich auf die Uhr tippen und sie darauf hinweisen, dass es teurer werden könnte - und das in einem so sensiblen Moment. Ich bekomme für meine Arbeit oft schönes, persönliches Feedback. Einmal kam ein Kunde auf mich zu und sagte mir: "Ich wusste nicht, dass so ein individueller Abschied möglich ist." Ohne dass ich jetzt total abgebrüht bin, kann ich sagen: Es ist okay für mich, wenn Leute sterben. Das Pflegen von meinen Social-Media-Kanälen kommt auch noch zu meiner täglichen Arbeit dazu. Außerdem spiele ich dreimal die Woche die Orgel bei Gottesdiensten und Beerdigungen.

Ausbildung: Nach dem Abitur habe ich in Mainz Musik und Theologie auf Lehramt studiert und nach dem Referendariat als Musikwissenschaftler an den Universitäten in Halle und Göttingen gearbeitet. Dort habe ich auch meine Doktorarbeit zur geistlichen Kantate im 18. Jahrhundert geschrieben. Der Berufswechsel zum Bestatter überrascht immer viele. Ich habe eine Arbeit mit mehr Sinn gesucht und finde, dass Musik und Theologie gut zu Bestattungen passt. Anstatt eine Ausbildung zur Bestattungsfachkraft zu machen, habe ich mir meine Ausbildung selbst zusammengestellt: Erst habe ich einige Praktika in verschiedenen Bestattungshäusern gemacht, dann habe ich ein Jahr als Assistent bei memento Bestattungen gearbeitet und schließlich ein Jahr als angestellter Bestatter bei Himmelsleiter Bestattung. Doch weil ich besser alleine arbeiten kann, habe ich mich vor einem Jahr mit Thanatos Bestattungen selbstständig gemacht.

"Da ich mich auch in meiner freien Zeit viel mit dem Tod beschäftige, kann ich nicht immer unterscheiden, was Freizeit und was Arbeit ist." Julian, 37 Jahre

Wöchentliche Arbeitszeit: Ich arbeite etwa 40 Stunden in der Woche. Drei Stunden arbeite ich als Organist, ansonsten fahre ich als Bestatter auf viele Termine, zum Krematorium oder zu meinen Kunden. Als Selbständiger musste ich lernen, dass immer noch eine Menge zusätzliche Büroarbeit ansteht. Da ich auch in meiner freien Zeit viel über den Tod lese, zu Veranstaltungen wie Friedhofsführungen, Hospiztage und Konferenzen zu den Themen Sterben, Tod und Trauer besuche und mich oft mit Menschen unterhalte, die jemanden verloren haben oder bald sterben werden, kann ich nicht immer unterscheiden, was Freizeit und was Arbeit ist. Aber das macht nichts, denn mein Beruf macht ein großes Stück Identität für mich aus.

Meine Einnahmen

Bruttoeinkommen: Mein durchschnittliches Bruttoeinkommen beträgt insgesamt circa 3.000 Euro. Es setzt sich zusammen aus meinem Job als Orgelspieler, womit ich 400 Euro im Monat verdiene, und meiner selbstständigen Arbeit als Bestatter. Im Vergleich zu anderen Berliner Bestattungsangeboten sind meine Preise im unteren Mittelfeld angesiedelt. Auf Materialien wie Särge und Urnen schlage ich bei der Anschaffung nicht viel Geld drauf. Für Beratung, Begleitung, Abholung des Leichnams mit dem Auto, den Sarg und die Behördengänge berechne ich unabhängig vom Stundenaufwand eine feste Pauschale, die sich zwischen 2.000 bis 3.000 Euro bewegt. Das ist sozusagen mein Grundpaket. Nach Bedarf können Extras wie zum Beispiel eine Keramikurne oder Blumen für die Trauerfeier dazu bestellt werden. Für Menschen mit weniger Geld, ganz unabhängig davon, ob sie beim Sozialamt eine Sozialbestattung beantragen können oder nicht, biete ich Soli-Preise ab 1.000 Euro für eine Bestattung an. Das Grundpaket einer Feuerbestattung kostet bei mir beispielsweise 1.800 Euro. Zusätzlich kann man dann beispielsweise Blumenschmuck für 250 Euro oder eine Sängerin für 200 Euro bestellen.

Nettoeinkommen: Abgezogen von allen Kosten verdiene ich 1.800 Euro im Monat.

"Ich schließe keine Versicherungen ab, auch aus Prinzip. Ich lebe im Hier und Jetzt." Julian, Bestatter aus Berlin Meine Ausgaben

Miete: Für meine Altbau-Wohnung in Kreuzberg zahle ich monatlich 500 Euro warm.

Lebensmittel: Da bin ich eher günstig unterwegs. Ich schätze, dass ich so 250 Euro im Monat für Essen ausgebe.

Transportmittel: Für mein Auto habe ich 150 Euro laufende Kosten im Monat. Außerdem kaufe ich mir ein Monatsticket für öffentliche Verkehrsmittel in Berlin, das sind nochmal 80 Euro zusätzlich.

Versicherungen: Da ich selbstständig bin, zahle ich sehr hohe Krankenkassenbeiträge. Insgesamt sind es 500 Euro monatlich. Die Haftpflichtversicherung kostet 9,99 Euro.

Altersvorsorge: Ich schließe keine Versicherungen ab, auch aus Prinzip. Ich lebe im Hier und Jetzt. Es kann immer vorbei sein. Es mag naiv klingen, aber es ist jetzt einfach noch nicht an der Zeit.

Verlagsangebot

Telefon und Internet: Für meinen Handyvertrag zahle ich 8,99 Euro im Monat, das Internet zu Hause kostet mich 30 Euro.

Material: Für die Bestattungen habe ich relativ hohe Materialkosten. Zuletzt habe ich einen neuen Beamer, eine Leinwand und eine Musikanlage gekauft, die ich in der Kirche aufbaue. Hinzu kommen ständige Ausgaben wie hübsches Briefpapier oder sonstige Dekoration. Ich schätze mal, dass mich das 250 Euro im Monat kostet.

Kleidung: Shoppen gehe ich wirklich selten, das mache ich nicht gerne. Ich denke, dass ich so 50 Euro für Klamotten ausgebe.

Körperpflege: Circa 10 Euro.

Was am Ende übrig bleibt

Genug für einen ruhigen Familienurlaub. Demnächst fahre ich mit meinem Freund und seinem Kind an die Ostsee, wo wir uns eine Wohnung gemietet haben.

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