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Digitalsteuer: Streit neu entbrannt

Frankreichs Digitalsteuer soll Tech-Konzerne wie Google, Apple, Facebook und Amazon belasten. Doch die Steuer könnte gerade kleine Firmen treffen, wenn die Digitalkonzerne die Kosten an Kunden weitergeben. Nun drohen auch noch die USA mit Handelszöllen.


Die französische Digitalsteuer sorgt für neuen Ärger im Handelsstreit. Vor dem Nato-Gipfel in London drohten die USA mit Zöllen von bis zu 100 Prozent auf Champagner und französische Waren wie Handtaschen und Käse. Betroffen wären Waren im Wert von 2,4 Milliarden Dollar. Die EU-Kommission kündigte an, Europa werde in der Frage geschlossen auftreten.


Die Digitalsteuer, die Frankreich im Sommer eingeführt hat, soll dieses Jahr 300 Millionen Euro zusätzliche Steuereinnahmen generieren, im kommenden Jahr 650 Millionen Euro. Unternehmen, die in Frankreich mindestens 25 Millionen Euro und weltweit mindestens 750 Millionen digitalen Umsatz erwirtschaften, zahlen rückwirkend zum Jahresbeginn eine Abgabe von drei Prozent. Auf der Liste der betroffenen Unternehmen stehen hauptsächlich amerikanische Internetkonzerne wie Google oder Amazon, aber auch Unternehmen aus China und Deutschland. Frankreich ist das erste Europäische Land, das eine solche Steuer eingeführt hat.


Der deutsche Mittelstandsverbund gab bekannt, die Entscheidung als Schritt zum Ausgleich der Wettbewerbsnachteile für Mittelständler zu begrüßen. "Dort wo Mittelständler tätig sind, sorgen sie mit ihrer Gewerbesteuer massiv für die Gemeinwohlfinanzierung: Ob Verkehrsinfrastruktur, Schulen oder was auch immer", sagt Ludwig Veltmann, Geschäftsführer des Mittelstandsverbundes. Die nicht lokalen Wettbewerber im Konsumgütergeschäft profitierten von dieser Struktur, beteiligten sich aber nicht daran. Denn sie zahlten im Schnitt 14 Prozent weniger Steuern als jeder Mittelständler. "Das kann natürlich so nicht bleiben, denn da entstehen Ungerechtigkeiten."


Mit der Digitalsteuer ist der Wunsch nach mehr Gerechtigkeit verbunden. Sie soll den Steuervermeidungsstrategien internationaler Tech-Konzerne entgegen wirken. "Es stellt sich jedoch die Frage, ob man damit wirklich die Wettbewerbsfähigkeit der großen gegenüber der kleinen Unternehmen signifikant schwächen kann, oder nicht sogar kontraproduktiv handelt", sagt Patrick Brandmaier, Geschäftsführer der Deutsch-Französischen Handelskammer.

Negative Folgen befürchtet auch Moritz Feninger vom Institut für Familienunternehmen der Otto Beisheim School of Management. "Durch die Steuer soll formal und kurzfristig Ungerechtigkeit verringert werden, den kleinen Unternehmen wird dadurch aber wahrscheinlich noch mehr geschadet", glaubt er. Ein Beispiel dafür ist, dass Amazon die Kosten der Digitalsteuer seit Oktober direkt an die Vertriebspartner weitergibt.


Frankreichs Digitalsteuer könnte auch deutsche Mittelständler treffen. So überlege zum Beispiel die Mack-Gruppe, zu der der Europa-Park sowie der Produktionsbetrieb Mack Rides für Achterbahnen gehören, einen Standort in Frankreich zu eröffnen. "Ein Grund, als Unternehmen nach Frankreich zu gehen, ist etwa der direkte Zugang zu den französischen Kunden und die höhere Arbeitslosigkeit dort, die Chancen in der Mitarbeiterrekrutierung bietet", erklärt Feninger.


Tech-Konzerne geben die höheren Kosten an die Kunden weiter

Auch Christoph Spengel, Steuerexperte von der Universität Mannheim , hält die Digitalsteuer nicht für zielführend, da die betroffenen Unternehmen die Steuer einfach an ihre Kunden weitergeben würden. Deren finanzielle Mittel nach Steuern sinken also durch die Digitalsteuer. Bei den Kunden kann es sich auch um Mittelständler handeln. Nationale Konzepte oder solche auf EU-Ebene bergen ein weiteres Risiko: Sie führen zu einer Doppelbesteuerung. Ein Unternehmen mit Sitz in den USA zahlt dort Umsatzsteuer sowie auf einen Teil des schon besteuerten Betrags die französische Digitalsteuer. Der deutsche Mittelstandsverbund ist sich all dieser Nachteile bewusst. Aus diesem Grund fordert er als nächsten Schritt eine internationale Lösung. Zudem sei es suboptimal, sich auf den digitalen Sektor zu begrenzen. Es gebe heute so gut wie kein Unternehmen mehr, das nicht in irgendeiner Form digital arbeite. "Wenn wir über die Frage einer neuen Steuerstruktur reden, dann müssen wir grundsätzlich ganz neu ansetzen. Wir müssen uns überlegen, ob es richtig ist, dass die Steuern auf Gewinne dort ermittelt und erhoben werden, wo das Unternehmen seinen Sitz hat", sagt Veltmann . Sinnvoller sei eine kundenorientierte Steuer, die Besteuerung dort, wo das Geschäft abgeschlossen wird. "Denn wir wollen ja einen Ausgleich schaffen zwischen den wirtschaftlichen Verhältnissen in Stadt und Land und zwischen florierenden und weniger florierenden Orten", sagt Veltmann.


Anstatt einer stärkeren Besteuerung müsse die Lokalisierung des Steueraufkommens und der Steuerverwendung besser gelingen. "Sonst werden Regionen gerade im Zuge der weiteren Digitalisierung trotzt noch vorhandener Kaufkraft von der wirtschaftlichen Entwicklung abgehängt", befürchtet Veltmann. Die OECD, die Organisation für wirtschaftliche Zusammenarbeit und Entwicklung, hat kürzlich ein solches Konzept für internationale Unternehmen vorgeschlagen.


Dass Deutschland sich gegen eine nationale Digitalsteuer entschieden hat, kritisiert Veltmann: "Ich denke, man kann nicht immer aus Angst vor der eigenen Courage gar nichts machen." Deutschland hatte die Digitalsteuer abgelehnt, um keinen Gegenschlag in Form von Zöllen aus den USA zu provozieren. US-Präsident Donald Trump hatte angekündigt, französischen Wein zu bezollen, sollte Frankreich eine Digitalsteuer für meist amerikanische Digital-Unternehmen einführen. Beim G7-Gipfel in Biarritz legten Trump und Macron ihren Streit bei. Sie einigten sich darauf, dass Frankreich die Digitalsteuer abschaffen wird, sobald es eine internationale Lösung gibt. Vor dem Nato-Gipfel diese Woche in London ist der Streit jedoch wieder neu entbrannt. So drohte Trump mit Strafzöllen auf französische Produkte.

Die OECD-Staaten planten für 2020 eine Digitalsteuer. Das Vorhaben wurde jedoch mittlerweile aufgegeben. Mehrere EU-Politiker wie die EU-Wettbewerbskommissarin Margrethe Vestager fordern daher eine Regelung auf EU-Ebene, sollte es 2020 noch keine internationale Lösung geben.

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