Nase, Brüste, Po: Frank Plasberg diskutiert mit seinen Gästen über den Boom bei plastischer Chirurgie. Besonders stark gehen die Meinungen bei der Frage auseinander, ob Minderjährigen erlaubt werden darf, ihren Körper zu verändern.
So sehr der Klimawandel die Polit-Talks der vergangenen Wochen dominierte, so überraschend war das Thema der „Hart aber fair"-Sendung am Montag: Wie gefährlich ist der Boom bei Schönheits-OPs?
Frank Plasberg diskutierte mit Karl Lauterbach, Arzt und stellvertretender SPD-Fraktionsvorsitzender, dem Schönheitschirurgen Werner Mang, dem Modedesigner und Unternehmer Harald Glööckler, der Designerin und Autorin Natascha Ochsenknecht sowie der Influencerin Louisa Dellert.
Im Einzelgespräch stellte Plasberg dem Attraktivitätsforscher Johannes Krause Fragen darüber, ob gutes Aussehen positive Folgen für uns hat. Ein Psychologe hingegen gehörte nicht zu den Gesprächspartnern - obwohl es in der Sendung immer wieder um psychische Folgen von Schönheitsidealen ging.
„Früher, da war es ein Tuschelthema: ,Wer hat da heimlich was machen lassen?'" - mit diesen Worten eröffnet Plasberg die Sendung. Heute seien Schönheits-OPs „in der Mitte der Gesellschaft angekommen". Mehr als 900.000 Eingriffe wurden im vergangenen Jahr durchgeführt und damit 30 Prozent mehr als 2017. Überraschend war also nicht nur das Thema der Sendung, sondern auch, wie viele Menschen es betrifft.
Die Forderung des Abends
Wie gefährlich der Boom bei Schönheits-OPs sein kann, zeigt der Fall einer Frau, die im Juli nach einer Po-Vergrößerung verblutete. Die Staatsanwaltschaft ermittelt wegen fahrlässiger Tötung gegen den Arzt. Er ist kein ästhetisch-plastischer Chirurg, sondern Facharzt für Innere Medizin.
Rechtlich gesehen ist das kein Problem, denn die Berufsbezeichnung ist nicht geschützt. Selbst ein Zahnarzt dürfe sich nach aktueller Gesetzeslage als Schönheitschirurg bezeichnen, das schreibt die Vereinigung der Deutschen Ästhetisch-Plastischen Chirurgen in einem offenen Brief an die Politik. „Hier ist die Gesetzgebung ein Witz", sagt Lauterbach.
Das Problem sei, dass die Kammern und die Länder das Thema nicht ernst nehmen. Da die Krankenkassen die Komplikationen solcher Eingriffe in der Regel nicht mehr bezahlen müssen, hätten auch sie kein Interesse daran, das Problem zu lösen. „Aber wir müssten das regeln. Bund und Länder müssten zusammenkommen und hier eine strenge Regelung machen", fordert Lauterbach.
Nur derjenige, der eine Ausbildung nachweisen kann, soll Schönheits-OPs durchführen dürfen. Ohnehin würden Ärzte in anderen Bereichen viel eher benötigt, wo sie „zum Teil besseres leisten können als bei diesem Pfusch."
Warum Menschen nach Schönheit streben und wie sie sich in unserem Alltag auswirkt, erklärt Attraktivitätsforscher Krause im Einzelgespräch mit Plasberg. Von schönen Menschen erwarten wir beispielsweise auch andere positive Eigenschaften, etwa Intelligenz. Auch im Einkommen spiegele sich die Attraktivität wider. Studien hätten sogar ergeben, dass attraktive Politiker mehr Stimmen erhalten.
„Also ich hoffe, dass der Herr Lauterbach auch mit der Hakennase Vorsitzender der SPD wird", sagt Chirurg Mang, bringt so Gäste, Moderator und Publikum zum Lachen.
Generell ist die Sendung sehr erfrischend und unterhaltsam - vielleicht ein wenig zu unterhaltsam, bedenkt man, wie belastend Schönheitsideale und wie gefährlich Schönheitsoperationen sein können. Dies schien auch dem Moderator aufgefallen zu sein: Als er zum Thema Magersucht und Selbstoptimierung kommt, kündigt er an, „die fröhliche Runde mal brutalst" zu bremsen.
Er zeigt zwei Fotos der anwesenden Influencerin Dellert. Auf einem wiegt sie 46 Kilogramm, auf dem anderen 56 Kilogramm. Später entgleitet Plasberg die Stimmung wieder, und er ermahnt: „Kommen wir noch mal zurück auf den wirklich ernsten Teil. Das war lebensgefährlich, was Sie erlebt haben. Sie haben gerade noch die Kurve bekommen." Nach einer Herz-OP sei Dellert bewusst geworden, dass Gesundheit viel wichtiger sei als ein gutes Aussehen.
Der Vergleich des Abends
Dellerts Geschichte liefert eine Erklärung für den Boom bei Schönheits-OPs: Auf dem sozialen Netzwerk Instagram habe sie sich Fotos von schlanken Frauen angesehen, um daraus Motivation zu schöpfen. Zudem begann sie selbst, Bilder über ihre Diätfortschritte zu posten. „Je mehr ich abgenommen habe, umso mehr Likes und Kommentare habe ich bekommen und umso mehr Leute sind auf mich aufmerksam geworden", erklärt Dellert. Daraus habe sich schnell „eine Art Droge entwickelt".
Auf Plasbergs Nachfrage, ob die Kriterien einer Sucht erfüllt sind, sagt Lauterbach: „Das sind nicht nur die Kriterien einer Sucht, das ist eine Sucht."
Besonders lebhaft diskutiert wird über die Frage, ob Kindern und Jugendlichen erlaubt werden darf, sich Schönheitsoperationen zu unterziehen. Lauterbach würde dies gesetzlich verbieten lassen. Modemacher Glööckler ist ebenfalls gegen Eingriffe bei Minderjährigen, jedoch solle man ihnen nicht vorschreiben, sie müssten mit ihrem Körper zu leben haben, wie er sei.
Mang hingegen hält Schönheitsoperationen bei Jugendlichen in bestimmten Fällen für sinnvoll und bringt ein besonders absurdes Argument an, vermittelt es doch den Eindruck, junge Frauen müssten dem Schönheitsideal entsprechen, um einen Partner zu finden. „Es gibt Mädchen, die eine riesige Höcker-Langnase haben, ein fliehendes Kinn, und keinen Partner bekommen", erläutert er ein Beispiel von Schönheitschirurgie bei Jugendlichen, das er befürworten würde.
Ochsenknecht und Dellert sprechen sich hingegen dafür aus, Kindern über Erziehung und Bildung Selbstbewusstsein und einen gesunden Umgang mit sozialen Netzwerken beizubringen. Ein Argument kam allerdings nicht zur Sprache: dass auch eine Psychotherapie helfen kann, wenn ein Mensch mit seinem Körper unglücklich ist. Doch dafür hätte eben ein Psychologe unter den Gästen sein müssen.
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