Eigentlich verdienen sie ihr Geld mit Instagram-Posts und Youtube-Videos. Doch plötzlich stehen „Influencer" auch auf den Amazon-Bestseller-Listen. Es gibt gar eigene Verlage für ihre Werke. Ein neues Geschäft mit einem alten Medium.
Dass Instagram- und Youtube-Stars riesige Fan-Gemeinschaften hinter sich haben, ist bekannt. Wie mächtig diese sein können, war vor etwa zwei Wochen zu beobachten, als YouTuberin Mrs. Bella in einem Instagrampost das Cover ihres ab 26. September im Fischer-Verlag erhältlichen Buchs zeigte. Innerhalb weniger Stunden zog die 25-Jährige vorbei an allen anderen Bestsellern und landete auf Rang eins der am häufigsten bestellten Bücher bei Amazon.
Schon seit einigen Jahren produzieren Verlage Bücher von und mit „Influencern". Die YouTube-Comedians Y-Titty und der Carlsen Verlag hatten 2012 den Anfang gemacht. Doch inzwischen gibt es sogar eigene Verlage, die sich auf das neue Genre der „Influencer-Literatur" spezialisieren.
Es scheint der perfekte Weg, die vermeintlich ans Internet verlorene Zielgruppen zurück zu einem klassischen Medium zu holen. Unter den Neu-Autoren sind daher auch die beliebtesten der Internet-Persönlichkeiten - etwa Blogger Riccardo Simonetti, Fitness-Instagrammerin Pamela Reif oder YouTuber Michael Buchinger.
Die Formel: Abonnenten, Klickzahlen, Medienpräsenz, LikesKommen sie alle selbst auf die Idee, ihre Gedanken und Lebenstipps aus dem Internet auf Papier zu bringen? Immerhin sind Videos und Blogposts vergänglich und „ein eigenes Buch schreiben" steht noch immer auf der Bucketlist vieler Menschen. Oder haben die Verlage ein neues Feld gefunden, das (weil: große Fanbase!) fast garantiert für hohe Verkaufszahlen sorgt? „Das ist mal so, mal so, funktioniert in beide Richtungen", sagt Ulrike Metzger, Verlagsleitung des Fischer Kinder- und Jugendbuch Verlags.
Der Verlag pflege inzwischen engen Kontakt zu den einschlägigen Agenturen, welche immer wieder auf die Lektoren zugingen. „Wir kontaktieren auch aktiv viele Influencer, wenn sie uns aufgefallen sind." Scouts, die das Medienumfeld nach konkreten Ideen oder Autoren durchsuchen, agierten ebenfalls als Initiator.
Ob ein „Influencer" infrage kommt oder nicht, entscheidet sich auf Basis verschiedener Dinge. „Das hat etwas mit der Größe beziehungsweise Relevanz für die Zielgruppe zu tun und bemisst sich an Abonnenten, Klickzahlen, Medienpräsenz, Likes", erklärt Metzger.
Mrs. Bella erreicht auf YouTube mehr als eine Million Fans. Auf Instagram folgen ihr 1,6 Millionen Menschen. Ihr Foto mit dem Buchcover bekam mehr als 107.000 Likes und 1529 Kommentare. Dass das Buch nach dem Instagrampost auf Platz 1 bei Amazon landet, dürfte also keine allzugroße Überraschung gewesen sein.
Da die einzelnen Social Media Beiträge so erfolgreich sind, verändert sich auch der gesamte Marketing-Prozess. „Die ‚Influencer' stehen im Zentrum der gesamten Kommunikation und sind die Hauptvermittler, denn sie haben unfassbare Reichweiten", sagt Metzger. Das heiße auch, dass die jeweilige Marketingkampagne sehr detailliert mit ihnen abgestimmt sein müsse.
Für die Verlage also eine enorme Arbeitserleichterung im Bereich Marketing. Und für die Internet-Stars lohnt sich die Werbung in eigener Sache. In jedem Fall dürfte personalisiertes „Influencer"-Marketing erfolgreicher sein, als andere verlagstypische Marketingmethoden wie Werbeanzeigen oder ähnliches.
Und es gibt noch einen weiteren Vorteil für die Verlage: „Wir erreichen mit diesen Büchern und Themen oft klassische Nicht-Leser. Oder die Neo-nicht mehr-Leser, die weniger lesen und sich immer mehr mit digitalen Inhalten und Kommunikationsformen beschäftigen", erklärt Verlagsleiterin Metzger. Wer also ein „Influencer"-Buch gekauft hat und mochte, kauft vielleicht auch ein anderes Buch aus dem Verlag.
Auch für die „Influencer" selbst ist der Sprung aus der digitalen in die Print-Welt eine Umstellung. „Die Angst, etwas für den Druck freizugeben, das ich - anders als bei Online-Inhalten - nicht mehr ändern kann, war ganz extrem", erinnert sich Mrs. Bella. Immer wieder habe sie das Buch gelesen und bei jedem Mal kleine Fehler gefunden oder Textstellen, die ihr doch nicht mehr gefielen. „Der Verlag hat dann gesagt: ‚Irgendwann musst du loslassen, sonst kannst du es auch verschlimmbessern.'"
Die Inhalte des Buchs? Beauty-Tipps gemischt mit privaten Geschichten. Ein zu Papier gebrachter YouTube-Channel eigentlich. „Es geht viel um meine Schulzeit und meine Ausbildung, auch ein paar lustige Geschichten enthält das Buch, zum Beispiel aus der YouTube-Anfangszeit. Da ist nicht immer alles so glatt gelaufen", sagt die YouTuberin.
Doch jeder Internet-Star hat seine eigene Zielgruppe, braucht seine eigene Buchform. Ein Blick in die Herbstankündigungen des Verlags „Community Editions" zeigt, wie sehr sich die Bücher unterscheiden. Und dass es manchmal auch eher ein leeres, hübsches Notizbuch, kuratiert etwa von YouTube-Star Dagi Bee, sein muss. Es finden sich außerdem Schülerkalender, Listen, Autobiographisches. Der Verlag „Community Editions" ist ein spezieller „Influencer"-Verlag von Bastei Lübbe. Die „Influencer"-Bücher sind ausgelagert, da der Arbeitsablauf und die Thematik sich von dem unterscheidet, was Verlage gewohnt sind. „Wir raten Verlagen sogar davon ab, ein einzelnes Buch mit einem Influencer in eine bestehende Programmstruktur zu pressen. Der Aufwand ist sehr groß und das Risiko hoch", erklärt Programmleiter Lucas Lüdemann. Die gesamte bestehende Verlagsstruktur und das Programm müssten sich auf die besondere Zusammenarbeit mit den Autoren ausrichten. Ansonsten drohe Frustration sowohl beim Autor als auch beim Verlag.
Und wie entsteht nun so ein Werk? Mirella Precek, YouTuberin des Channels „Mirellativegal" wird am 30. November ein Buch bei Community Editions veröffentlichen. Sie will sich auf Inhalte konzentrieren, für die es in ihren Videos bisher keinen Raum gab. Zu Beginn hatte sie mit einer Lektorin zwar an einem Buch zum Thema „Was mir relativ egal ist" gearbeitet - passend zum YouTube-Channel. „Dabei ist uns aber aufgefallen, dass es so viele Themen gibt, die mir gerade nicht egal, sondern eigentlich sehr wichtig sind. Auf YouTube fühlt es sich manchmal aber so an, als wären sie fehl am Platz", erklärt Mirella.
In einem für die Verlagswelt eher ungewöhnlichen Workflow entwickelten Mirella und die Lektorin dann ein neues Konzept, in dem es um Themen wie Sexismus, Dating-Apps, Perfektionswahn und Ernährung geht. „Nachdem die Themenliste stand, habe ich mich mit meiner Lektorin Mirka circa ein- bis zweimal im Monat getroffen und Kuchen gegessen. Dabei haben wir natürlich auch gearbeitet, unsere Notizen zusammengetragen, Fragen geklärt und einen groben Aufbau in Stichpunkten erstellt."
Aus diesen Notizen habe sie Sprachaufnahmen gemacht und an eine Autorin geschickt. „Dann habe ich meinen Senf wieder dazu gegeben, daraufhin gab es wieder Notizen von ihr und irgendwann hatten wir dann ein Buch geschrieben und viel Kuchen gegessen", sagt Mirella.
Die Entstehung des Buches hat Mirella auch in einem YouTube-Video festgehalten. Eine Reihe von Clips aus der Zeit zeigen, wie aufwendig und nervenaufreibend das für jemanden ist, der solche Workflows bislang nicht gewohnt ist. „Ich war so depri, weil ich mich so überfordert gefühlt habe, weil ich wusste, ich muss am dem Buch weiterarbeiten und ich hab so Angst, dass das Bucht schlecht wird", sagt sie, vor dem Laptop sitzend, in die Kamera.
Ob die Neu-Autoren - Selbstzweifel vor Erscheinung des Buches hin oder sehr - wissen, dass der Erfolg ihrer Bücher durch diese authentische Social-Media-Werbung fast schon garantiert ist? „Ich war so baff zu sehen, dass schon sehr viele Leute das Buch vorbestellt haben und mir ihr Vertrauen schenken, dass das was Gutes wird." Ob das Buch nun erfolgreich wird oder nicht, hänge aber auch von der persönlichen Definition von „Erfolg" ab. „Bin ich erfolgreich mit dem Buch, wenn ich eine bestimmte Anzahl von Exemplaren verkaufe, ein bestimmten Gewinn erziele, meine Familie stolz mache oder einem Leser etwas mitgeben kann?", fragt Mirella.
Dass das Buch in Verkaufszahlen gemessen erfolgreich sein wird, ist bereits klar. Denn auch Mirellas Buch landete nach ihrer Ankündigung bei YouTube auf Platz 1 der Amazon-Bestseller.
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