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Ministerin kommt, Ernte endet

Rumäniens Arbeitsministerin Violeta Alexandru hat die Erntehelfer von Spargel Ritter besucht. Foto: Westbrock

Zwei Stunden Verspätung. Violeta Alexandru lässt sich Zeit. Als die rumänische Arbeitsministerin gegen Mittag endlich ankommt, ist der Applaus ihrer Landsleute dafür umso größer. Im Zuge ihrer Deutschlandreise hat sich die Politikerin am Mittwoch vor Ort ein Bild von der Situation der Erntehelfer von Spargel Ritter in Bornheim gemacht.

Die Saisonkräfte des unter Insolvenzverwaltung gestellten Betriebs sind in Wohncontainern in der Nachbarschaft von Kläranlage und Friedhof untergebracht. Die hygienischen Zustände sind jüngst von Behörden beanstandet worden. Zudem gab es Kritik wegen angeblich ausstehender Löhne. Seit Freitag protestieren die Saisonarbeiter. Unterstützt werden sie von der Freien ArbeiterInnen Union (FAU), einer anarchistischen Gewerkschaft, die in mehreren Verfassungsschutzberichten auftaucht.

Bei dem Besuch der Ministerin geht es um die Zukunft der Arbeiter. Denn Insolvenzverwalter Andreas Schulte-Beckhausen, der die Geschäfte führt und der dem ehemaligen Chef Claus Ritter Hausverbot erteilt hat, hat die Ernte vorzeitig abbrechen lassen. Zunächst die Spargelernte, da diese sich während der Corona-Krise mangels Restaurants als Abnehmern nicht gelohnt habe.

Dass es nun auch mit der Ernte der Erdbeeren vorbei ist, liegt einem Sprecher von Schulte-Beckhausens Kanzlei zufolge daran, dass er die Sicherheit auf den Feldern nicht mehr gewährleisten könne. Deshalb habe er die „Reißleine" gezogen.

Wie die Polizei auf Nachfrage bestätigt, besteht der Verdacht, dass Mitglieder von FAU am Montag auf einem Feld in Alfter versucht haben, Erntehelfer von der Arbeit abzuhalten. Die Ermittlungen diesbezüglich dauerten an. Ein weiterer Vorfall ereignete sich laut Polizei am Dienstagmorgen vor dem Wohnhaus eines Mitarbeiters des Insolvenzverwalters. Dort sei ein Transparent mit der Aufschrift „Gib die Kohle raus" gefunden worden.

Die Forderung bezieht sich auf die Kritik der Gewerkschaft und einiger Arbeiter, nach der der Insolvenzverwalter Lohn vorenthalten haben soll. Vorschüsse sollen unterschiedlich hoch ausgefallen und die Arbeiter nach Akkord bezahlt worden sein, womit sie zum Teil nicht auf den gesetzlichen Mindestlohn gekommen seien.

Schulte-Beckhausens Sprecher versichert jedoch, dass alle Arbeiter wenigstens den Mindestlohn bekämen. Die Akkord-Regelung greife nur, wenn der dadurch erzielte Lohn höher ausfällt. Allerdings müssten die Saisonkräfte schon zur Arbeit auf den Feldern erscheinen, um bezahlt zu werden. Dies sei nicht immer bei allen der Fall gewesen.

Rumäniens Arbeitsministerin Alexandru sprach am Mittwoch erst einmal hinter verschlossenem Tor mit den Erntehelfern. Diese geben einzelne Gesprächsfetzen über den Zaun weiter, wo sie von Dolmetschern an die Menge aus Gewerkschaftern, Journalisten und Aktivisten übersetzt werden.

Einer der Aktivisten ist Erich Mocanu. Der Mann mit den rumänischen Wurzeln lebte laut eigener Aussage 17 Jahre in Bonn, ehe es ihn in den Süden Deutschlands gezogen hat. Mocanu ist nach eigenen Angaben Gründer des Vereins „Auch Engel brauchen Schutzengel", der sich für Menschen in Not, insbesondere für Rumänen, einsetzt. Wegen der Coronavirus-Pandemie sei die Situation auf den Höfen eskaliert, sagt er. In Bornheim komme das Problem der Insolvenz noch dazu. Die Lohnzahlungen, so zeigt sich Mocanu überzeugt, passten „vorne und hinten nicht".

Für die Medienvertreter gibt es Informationen aus erster Hand erst, nachdem sich das Tor nach etwa anderthalb Stunden wieder öffnet. Alle Arbeiter könnten auf anderen Höfen weiter arbeiten, sagt Alexandru. Umgesetzt werde dies mit Hilfe des Deutschen Bauernverbands. Präferenzen der Erntehelfer mit Blick auf ihren Einsatzort würden berücksichtigt. Wer lieber nach Hause wolle, bekomme von Schulte-Beckhausen Unterstützung bei der Rückreise. Dies habe sie noch am Morgen mit dem Insolvenzverwalter besprochen. Um sicherzugehen, dass dies klappt, habe sie ihm ihre Kontaktdaten hinterlassen. Die Entscheidung für oder gegen den Heimflug liege grundsätzlich bei den Betroffenen, betont Alexandru.

„Das ist eine „außergewöhnliche Situation", macht die Ministerin ferner deutlich. Der insolvente Landwirtschaftsbetrieb sei in ernsten Schwierigkeiten - und Rumänen leider davon betroffen. Für sie sehe es danach aus, dass andere Landwirtschaftsbetriebe in Deutschland ihren Verpflichtungen gegenüber den ausländischen Erntehelfern nachkommen.

In den Arbeitsverträgen der Erntehelfer gebe es gleichwohl Probleme und Dinge, die klargestellt werden müssten. Daran werde die rumänische Regierung nun gemeinsam mit dem Deutschen Bauernverband arbeiten.

Unterdessen bestätigt die FAU-Gewerkschaft, dass am Mittwoch den Arbeitern Löhne ausgezahlt wurden. Allerdings sei dies, so heißt es in einer Mitteilung, in „Wildwestmanier" geschehen. Die Arbeiter seien dazu von der Firmenleitung des Insolvenzverwalters mit Bussen an verschiedene, nicht genannte Orte gebracht worden. Für eine Stellungnahme zu den polizeilichen Ermittlungen war die Gewerkschaft indes telefonisch nicht zu erreichen.

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