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Der in Berlin lebende Kunstler Tobias Zielony zählt zu den meist- diskutierten deutschen Fotografen seiner Generation. Das Projekt "Jenny,Jenny" ist nun in der Berlinischen Galerie zu sehen. Tobias Zielony: "Schulter", aus der Serie: "Jenny Jenny", 2013,

DIE FÜNF AUSSTELLUNGSTIPPS DER WOCHE

Jede Woche präsentieren wir Kunst, die Sie nicht verpassen dürfen. Diesmal mit urbaner Hoffnungslosiogkeit, der Sehnsucht nach Identität und Sinnbildern der Liebe

Berlin: Urbane Hoffnungslosigkeit

Was passiert wenn Träume von Menschen zerplatzen und eine Gemeinschaft versagt?

Wie verändern sich die Kommunikation und das Verhalten derer, wenn soziale und institutionelle Strukturen zerfallen, und Menschen arbeitslos werden und sich selbst überlassen sind? Tobias Zielony, einer der meist diskutierten deutschen Fotografen seiner Generation, geht diesen Fragen nach. Seit mehr als zehn Jahren porträtiert Zielony junge Menschen, denen er in urbanen und sozialen Gebieten westlichen Wohlstands begegnet. In seinem neuesten Projekt: "Jenny, Jenny", das auch zwei fotografische Animationsfilme umfasst und die Berlinische Galerie zeigt, dokumentierte er junge Frauen, die ihr Leben durch Prostitution finanzieren. Dabei vermischen sich Rolle und Realität der Protagonistinnen, auch im Hinblick auf bestehende gesellschaftliche Klischees. Der wahre Charakter der Frauen bleibt unbeantwortet, denn Protagonist und auch Dokumentation sind niemals frei von Inszenierungen. Zielonys Blick geht dabei auch bewusst auf die Rollenklischees der Medien ein, auf Nachahmung und Auferlegung. Neben der Darstellung der in Berlin lebenden Prostituierten, wird außerdem die 18-teilige Fotoserie "Trona" gezeigt, in der Jugendliche sich selbst überlassen sind. In der neben Los Angeles liegenden Wüstenstadt griff die Droge Christal Meth um sich, als wirtschaftliche Veränderungen und soziale Benachteiligungen die dortigen Strukturen zu beherrschen begannen.

Die Ausstellung "Tobias Zielony: Jenny, Jenny" ist vom 21. Juni bis 30. September in der Berlinischen Galerie zu sehen. Leipzig: Stimmen, die niemand hört

Die grüne Leopardenjeans sind knalleng und hochgekrempelt, damit man die großen, schwarzen, glänzenden Springerstiefel gut sehen kann. Die Lederjacke ist mit den verschiedensten Emblemen benäht und das England-Shirt lässig um die Hüften gebunden. Die Haare sind zerzaust und in der Hand hält er eine Plastiktüte voll mit Kleber, die just in dem Moment, von dem auf dem Bild abgebildeten Punker, geschnüffelt wird. Das Bild ist von dem Maler Robert Lenkiewicz (1941-2002). Er war britischer Nachkriegskünstler und hat in seinen Werken die Lebensumstände von "unsichtbaren Menschen" wie Obdachlosen, Süchtigen, Punkern, Behinderten und anderen sozial Isolierten Menschen verarbeitet. Seine Arbeiten sind Projekte, in denen er immer wieder das Wesen menschlicher Beziehungen untersucht. Die Leipziger Baumwollspinnerei stellt nun die erste Schau des Künstlers in Deutschland aus. Die Ausstellung: "Human, All Too Human" feierte anlässlich des zehnten Todestages des Künstlers im vergangenen Jahr im Südwesten Englands Premiere. Jetzt kommt sie in noch größerer Dimension und mit dem deutschen Titel "Menschliches, Allzumenschliches" nach Leipzig. Neben seinen Projekten hielt Lenkiewicz alle Erfahrungen und Ansichten seiner Modelle in illustrierten Notizbüchern fest, um den Menschen eine Stimme zu geben, die niemand anhören wollte. Diese Bücher und Zeichnungen werden ebenfalls Teil der Retrospektive sein.

Die Ausstellung "Robert Lenkiewicz. Menschliches, Allzumenschliches." Ist vom 23. Juni bis 21. Juli in der alten Spinnerei Leipzig zu sehen.

Mannheim: Hinter Gittern

Niemand weiß, wie es sich anfühlt, der es nicht selbst erlebt hat. Stunden werden zu Tagen, aus Tagen werden Jahre. Monotonie ist, was den Alltag bestimmt. Das Leben und die Gedanken sind nicht frei. Denn hier leben alle in einer anderen Welt. Hinter den hohen, roten Mauern aus Backstein verbirgt sich unbekanntes Terrain, und den straffälligen Bewohnern der psychiatrischen Klinik möchte der Prototyp eines "normalen Bürgers" erst gar nicht begegnen. Der Fotograf Robert Mack sah das anders und besuchte ab 1981, gemeinsam mit seiner Projektpartnerin Grace Zaccardi, regelmäßig eine Klinik für Straffällige in den USA, um dort zu fotografieren. Durch die Hilfe der Krankenhausverwaltung und das Vertrauen, das ihnen von den Insassen entgegen gebracht wurde, haben die beiden Künstler einen einzigartigen, vielseitigen Fotokosmos erschaffen. Der Blick hinter die Türen dieser forensischen Klinik ist einfühlsam und irritiert doch, wenn man Bilder eines stehenden Mannes sieht, dessen dunkler Schatten sich hinter den Gittern deutlich abzeichnet oder ein anderer Patient sichtlich in Gedanken, auf der Wiese der Klinik eine selbstgebastelte Vogelscheuche anstarrt, der er einen Sack über den Kopf gezogen hat, und rundherum liegen Holzkreuze auf dem grünen Gras. Andere Bewohner haben sich in einem leeren Gemeinschaftsraum auf Tische verzogen, um zu schlafen und Nähe zu spüren, wo doch fast keine möglich ist. Die schwarz-weißen Porträtfotos sind aber keinesfalls Stereotypen von einer Vorstellung psychisch Kranker in einer Strafanstalt, sondern vielmehr offene, überraschende Aufnahmen, die allgemeine Klischees hinterfragen.

Die Ausstellung"Robert Mack / Grace Zaccard nicht zurechnungsfähig, not guilty by reason of insanity" ist vom 16. Juni bis 25. August 2013 in den Reiss-Engelhorn-Museen Mannheim "ZEPHYR - Raum für Fotografie" zu sehen.

Bonn: Die Sehnsucht nach Identität

Die riesigen Walnussbäume wiegen sich im starken Wind, die kargen Steine pflastern den Wegesrand, hohe Berger und tiefe Täler erstrecken sich. Im Frühling rauscht das Wasser von den Bergen ins Tal. Unendliche viele Geschichten prägen das kleine Bergdorf "Kur" das in der türkischen Provinz Bingöl liegt. Erzählungen von Aufständen und Zeiten im Exil. Melancholische Lieder unterstreichen die Schönheit der Natur, und in der Nacht heulen die Wölfe die Lieder der Ahnen. Das ist die Heimat des Künstlers Mahmut Celayir, der seine intensiven Malereien in der kargen, trockenen Landschaft seiner anatolischen Heimat entstehen ließ. Die Galerie Judith Andreae zeigt nun seine großformatige Malerei der vergangenen Jahre und gibt in ihren hellen Räumen den Werken Celayirs den Platz, die Erinnerungen Bingöls zu erzählen. In Siebdrucken lässt der Maler Berge und Höhen entstehen, Abgründe und Brüche schwarz und in dunklem blau zeichnen sich auf weißem Grund ab. Die Leere und Einsamkeit der Berge füllt Celayirs in seinen Malereien mit Details in Rot, Orange oder Türkis. "Der Weg nach Sousa", zur Hauptstadt des alten Perserreiches, war immer wieder die Inspiration der Bildideen Celayirs. Der kurdisch-deutsche Maler verbringt jeden Sommer in seiner Heimat, um dort die Natur zu fotografieren, um danach diese poetischen Aufnahmen malerisch umzusetzen. Sehnsucht und Erinnerung, aber vor allem auch Identität, spielen hierbei für Ihn eine große Rolle.

Die Ausstellung "Mahmut Celayir. Auf der Straße des Königs" ist vom 18. Juni bis 27. Juli in der Galerie Judith Andreae in Bonn zu sehen.

Wien: Sinnbilder der Liebe

Adam und Eva, Cäsar und Kleopatra oder Paris und die schöne Helena: Paare gibt es seit Jahrhunderten, und Bilder dieser Konstellationen sind in der Kunst allgegenwärtig und nicht wegzudenken. Sie dokumentieren eine echte Liebe und Verbundenheit, oder die Hoffnung danach, sie möge in Erfüllung gehen. Dabei spielen der Ort, die Kultur oder das Alter zweier Menschen oft keine Rolle. Das Kunsthistorische Museum Wien zeigt nun aus der großen Fülle an historischen Beispielen die Ausstellung: "Bessere Hälften (Kunst)-Geschichten um Paare". In einem Zeitraum von über 4000 Jahren zeigen 80 Werke nicht nur die Beständigkeit dieser Gegebenheit auf, sondern auch Unterschiede, was die Form, die Funktion und Bestimmungsorte dieser Gemeinschaften betrifft. Grabstatuen treffen so auf Gemälde, selten gezeigte Stücke auf weltberühmte Hauptwerke des Museums in Wien. Herrscher, Adlige und Bürger haben besonders im Mittelalter und in der Renaissance auf diesen spätantiken Bildtypus "der besseren Hälfte" zurückgegriffen, um sich damit gemeinsam mit ihrem Partner zu verewigen. Neben Bildern von Ehe - und Liebespaaren zeigt die Schau auch andere Konstellationen, wie etwa Freunde oder Maler mit ihren Modellen oder Geschwister. Weitere Paardarstellungen wie etwa die ungleichen Liebespaare sind dagegen nicht als individuelle Bildnisse zu verstehen, sondern als didaktische Sinnbilder für die Folgen der Liebe. Abgerundet werden diese Sonaten durch antike Geschichten, wie die von Zeus und seinen Liebschaften oder Adam und Eva im Paradies. Die Unterschiedlichkeit dieser Werke macht deutlich, wie gerade diese Paare der griechisch-römischen Mythologie und des Christentums die Phantasie der Menschen immer wieder beschäftigten.

Die Ausstellung "Bessere Hälften. (Kunst)-Geschichten um Paare" ist vom 18. Juni bis 8. September 2013 im Kunst Historisches Museum Wien zu sehen.

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