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Was hinter den Wahlerfolgen der AfD steckt

Das Abschneiden der Rechten in Brandenburg und Sachsen fordert die Demokratie heraus. Bei der FR-Podiumsdiskussion ziehen die Gäste ein düsteres Fazit.

Das Abschneiden der Rechten in Brandenburg und Sachsen fordert die Demokratie heraus. Bei der FR-Podiumsdiskussion ziehen die Gäste ein düsteres Fazit.


Der ganz große Triumph war es am Ende nicht. Umfragen hatten die AfD zwischenzeitlich als stärkste Partei gesehen, am Wahlabend in Sachsen und Brandenburg war es dann jeweils ein zweiter Platz. Trotzdem erhielten die Rechtsaußen mehr als 20 Prozent. Radikale Rhetorik und immer neue Tabubrüche scheinen ihre Wähler nicht abzuschrecken. „Demokratie herausgefordert" war deswegen Titel der Diskussion der Frankfurter Rundschau und des Leibniz-Instituts Hessische Stiftung Friedens- und Konfliktforschung (HSFK) im Frankfurter Haus am Dom am Freitagabend. „Was folgt aus dem Wahlerfolg der AfD?", fragte FR-Redakteur Andreas Schwarzkopf das Podium - und seine Gäste zogen ein düsteres Fazit.


Die gesellschaftliche Rechte sei erstarkt, sagte Anna Spangenberg, Mitherausgeberin von „Generation Hoyerswerda". Diese Rechte verfolge ihr Projekt, die Gesellschaft nach ihren Vorstellungen zu verändern, immer erfolgreicher. Spangenberg war nach den fremdenfeindlichen Demonstrationen von Köthen und Chemnitz im Sommer 2018 eine der Organisatorinnen von #Unteilbar. Schon lange engagiert sie sich gegen den Rechtsruck. Die AfD-Ergebnisse von Sachsen und Brandenburg hätten Menschen, die sich seit Jahren mit der Partei beschäftigen, nicht überrascht, sagte sie. Viele, die sich in Ostdeutschland gegen Rassismus engagieren, seinen hilflos und spürten Ohnmacht, so Spangenberg. „Manche sind weggezogen, weil sie keine Kraft mehr haben, weil sie keine Unterstützung bekommen." In den Regionen, aus denen die Engagierten weggegangen seien, habe sich die politische Kultur gedreht. „Und das geht auch an der westdeutschen Bundesländern nicht spurlos vorbei", bilanzierte Spangenberg.


Das parlamentarische Erstarken der AfD sei in der Tat ein großes Problem, analysierte Daniel Mullis von der HSFK. „Die Parlamentssitze bedeuten eine massive Finanzierung ihrer politischen Arbeit." Die Abgeordneten erhielten Geld für Angestellte, die Partei könne eine Stiftung aufbauen - so werde eine massive Normalisierung rechtsextremer Positionen in die Gesellschaft getragen.


Die sächsische Landtagsabgeordnete Kerstin Köditz bemängelte, dass die politische Diskussionskultur schon jetzt angegriffen sei. Sobald sie rechte Gewalt thematisiere, werde ihr entgegengehalten: „Und was ist mit den linken Chaoten in Leipzig-Connewitz?", sagte die Linken-Politikerin. Auch die CDU im sächsischen Landtag schaffe es oft nicht, rechte Gewalt zu kritisieren, ohne auf linke Gewalttäter zu verweisen. Während der Landtagsdebatten zu den Morden des NSU hätten einige Politiker nie von Rassismus, sondern nur von Extremismus gesprochen. „Wie soll man so Diskussionen führen?"


Ein Grund für den Aufstieg der Rechten sei das Fehlen von Begegnungsräumen - nicht nur, aber vor allem im ländlichen Raum, sagte Köditz. Zwar existierten soziale Medien, aber dort gebe es - anders als in einer Kneipe - kaum soziale Kontrolle. FR-Autor Stephan Hebel forderte deswegen, den Abbau der solidarischen Daseinsvorsorge rückgängig zu machen. „Wir müssen bestimmte kollektive Sicherheiten zurückgewinnen." Zwar habe er Schwierigkeiten mit dem Heimatbegriff, aber es gebe eben ein Bedürfnis nach bestimmten Sicherheiten im eigenen Lebensumfeld, sagte Hebel. „Das geht schon los beim Bus, der nicht fährt." Wenn soziale Entsicherung tatsächlich zum Rechtstrend beitrage, dann müsse man wieder eine politische Debatte führen, die eine „Renaissance der Daseinsvorsorge" in den Mittelpunkt stelle. „Allerdings darf man nicht den Fehler machen, die sozialen Bedürfnisse der angeblich Abgehängten gegen die Freiheitsbedürfnisse der urbanen Milieus auszuspielen", sagte Hebel. Man benötige beides: Sicherheit und Freiheit. „Wir brauchen ein Bündnis zwischen den Abgehängten auf dem Land und den Liberalen in den Städten."


Auch der Rechtspopulismus- und Ungleichheitsforscher Mullis befand, man tue gut daran, die soziale Frage nicht aus den Augen zu verlieren. „Man darf nicht unterschätzen, welche wichtige Rolle Kirchen, Parteien oder Gewerkschaften gespielt haben." Solche Orte zum Zusammenkommen müsse man wieder finden. Allerdings zeigte sich Mullis skeptisch, ob das gelingen kann: Die Brille, durch die die Menschen auf die Welt blickten, werde zunehmend durch Rassismus bestimmt. „Ich habe 2015 als Dammbruch erlebt", sagte Mullis. Damals habe sich etwas verändert - „und nicht zum Guten".


Die deutsche Demokratie werde durch die Wahlerfolge der AfD also tatsächlich herausgefordert. 50 bis 70 Prozent der sächsischen und brandenburgischen AfD-Wähler hätten ihr Kreuz bei der AfD gesetzt, weil sie deren Werten und Inhalten zustimmten. „Es ist keine Protestwahl", sagte Mullis, „es ist fatal, wenn man das als Protestwahl darstellt."

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