2 abonnements et 2 abonnés
Article

Analyse: Legal-Techs - Recht haben und auch bekommen

Start-ups wollen das Recht gerechter machen. Vorher müssen sie aber einige Probleme lösen - und ein Urteil abwarten. Die Analyse.


Die Gründerszene in Deutschland boomt. Mit neuen Geschäftsmodellen und dem Einsatz neuer Technologien wie künstlicher Intelligenz wollen Start-ups ganze Branchen umkrempeln. Auch auf dem Rechtsmarkt sind in den vergangenen Jahren neue, junge Unternehmen entstanden. Sogenannte Legal Techs wollen das Recht einfacher und gerechter gestalten, stehen aber vor großen Herausforderungen.

Dabei haben die jungen Unternehmen einen Vorteil - sie besetzen Marktlücken: Insbesondere im Verbraucherrecht lohnt es sich für herkömmliche Anwälte und Kanzleien oft nicht, Mandate anzunehmen. Zu gering sind die Erträge, wenn es beispielsweise um Entschädigungen wegen verspäteter Flüge geht. Gleichzeitig schrecken viele Menschen vor dem Gang in die Kanzleien (und anschließend vor Gericht) zurück: Anwälte sind teuer und Prozesse kosten Zeit.


Bei Legal Techs ist das anders. Ihre Prozesse sind automatisiert; oft genügt es, ein Dokument hochzuladen. Dann prüft die Software der Anbieter Bußgeld- oder Hartz-4-Bescheide auf Fehler und treibt Entschädigungen ein, wenn das Flugzeug verspätet ist. Die Nutzer kostet das nichts. Nur bei Erfolg, wenn also tatsächlich eine Entschädigung fließt oder das Jobcenter nicht gezahlte Leistungen erstattet, erhalten die Legal Tech-Anbieter eine Provision.


Dieses Geschäftsmodell ist umstritten, denn die selbstständige Erbringung außergerichtlicher Dienstleistungen ist in Deutschland verboten. Viele Legal Techs sind als Inkassodienstleister zugelassen. Sie agieren damit in einer rechtlichen Grauzone. Die junge Branche schaut deswegen gespannt nach Karlsruhe. Ende Oktober urteilt der Bundesgerichtshof (BGH) über das Portal wenigermiete.de. Verbraucher können dort die Mietpreisbremse durchsetzen und gegen Mieterhöhungen oder Kündigungen vorgehen. Sie treten ihre Ansprüche aus dem Mietverhältnis an wenigermiete.de ab, das die Ansprüche dann gegenüber dem Vermieter geltend macht. Die Richter müssen entscheiden, ob das eine unerlaubte Rechtsdienstleistung ist.


Trotz des laufenden Prozesses und der damit verbundenen Unsicherheiten vertrauen Investoren wenigermiete.de und seinem Betreiber Lexfox: Zwei große Wagniskapitalgeber werden in Lexfox investieren, wie das Unternehmen in der vergangenen Woche mitteilte. Laut „Handelsblatt" pumpen die Investoren einen mittleren siebenstelligen Betrag in Lexfox.

Das ist branchenübergreifend vergleichsweise wenig, bei den geringen Streitwerten im Verbraucherrecht aber nicht verwunderlich. Andere Start-ups richten sich direkt an Unternehmen. Sie wollen Entscheidungsprozesse vereinfachen und automatisieren, etwa in Datenschutz- oder in Rechtsabteilungen. Immer wieder werben sie mit künstlicher Intelligenz (KI). Oft ist es aber nur das - Werbung. Start-ups, die tatsächlich KI einsetzen, sind selten.

Überhaupt sollte man die Chancen und Risiken von Legal Techs zurückhaltend bewerten.


Das deutsche Recht ist komplex. Zwar kann Software juristisches Denken in Ansätzen abbilden, zu mehr als einfachen „wenn, dann"-Konstruktionen reicht es aber bislang nicht. Immerhin: Die Start-ups verbessern die Situation vieler Verbraucher schon jetzt. Und sie werden es - unabhängig vom BGH-Urteil- wohl auch künftig tun. Notfalls mit einem anderen Geschäftsmodell.

Rétablir l'original