In Deutschland ernähren sich immer mehr Menschen "bio". Einigen reicht der Gang in die Bio-Abteilung ihres Supermarkts aber nicht aus. Mitglieder von Einkaufsgemeinschaften, sogenannten Food-Coops, kaufen ihre Bio-Produkte direkt auf den Höfen der Erzeuger. Etwa zehn solcher Einkaufsgemeinschaften gibt es bereits in Hessen. Sie alle arbeiten ohne Gewinnziele, bevorzugen Direktbezug sowie saisonale Produkte und vermeiden überflüssige Verpackungen.
"Food-Coops schlagen viele Fliegen mit einer Klappe", sagt Sebastian Klein. Der 35-jährige Frankfurter wollte eigentlich einen Laden öffnen, der auf Plastikverpackungen verzichtet. Aus dieser Idee entstand im vergangenen Jahr der Frankfurter Verein Futterkreis. Die rund 30 Mitglieder verzichten nicht nur auf Verpackungen, sondern auch den Einkauf bei Großhändlern. "So sind wir der Wurzel des Problems viel näher", sagt Klein.
Bild-ZoomFoto: Andreas Arnold (dpa) In Frankfurt muss man Mitglied beim "Futterkreis Food-Coop Frankfurt" sein und kann samstags seine bestellten Lebensmittel dort im Lager abholen.Die hessischen Bauern kämpfen seit Jahren mit niedrigen Preisen für ihre Waren. Hinzu komme ein Strukturwandel in der Landwirtschaft, sagt Bernd Weber vom Hessischen Bauernverband: "Immer weniger Betriebe bewirtschaften immer größere Flächen." Der Verband begrüße Food-Coops und andere Einkaufsgemeinschaften. "Wenn sie den Landwirten und Erzeugern faire Preise zahlen und Bewusstsein für die Arbeitsleistung schaffen, dann ist das eine gute Sache." Zu wissen, wo seine Kartoffeln und Äpfel herkommen, das sei ein Wert an sich. "Lebensmittel fallen ja schließlich nicht vom Himmel", sagt Weber.
Im Lagerraum des Futterkreises im Frankfurter Nordend liegen sie in den Regalen: Dinkelsäcke aus Junkershausen, Kanister voller Rapsöl aus Fischbachtal und Riesling aus dem Rheingau. Montags und dienstags können die Mitglieder des Futterkreises ihre Lebensmittel im Internetshop bestellen. Die Erzeuger liefern die Waren dann im Laufe der Woche zum Lagerraum des Vereins. "Oder wir gehen samstags in der Früh auf den Markt an der Konstablerwache", sagt Klein. Jeden Samstagmittag können die Mitglieder ihre Einkäufe dann im Lager abholen.
Bild-ZoomFoto: Andreas Arnold (dpa) Zwei Futterkreis-Mitglieder füllen Dinkel in ein Glasgefäss ab."Hier gibt's eigentlich alles, was ich brauche", sagt Sabrina Neugebauer. Die 37-jährige Flugbegleiterin beugt sich über ihre Bestellliste und hakt ihre Einkäufe ab: Honig, Nudeln, einen Hefezopf, Spülmittel, Tee, Zwiebeln. "Leider gab es heute keinen Salat wegen der Februarkälte", sagt Neugebauer und lacht, "dafür habe ich Bier gekauft, das ist neu im Sortiment." Knapp zwölf Euro zahlt Neugebauer für ihren Einkauf. Sie gebe für ihre Lebensmittel gerne etwas mehr Geld aus, sagt die Flugbegleiterin.
"Wir sind noch immer dabei, unser Sortiment zu erweitern", sagte Klein. Die Mitglieder des Vereins entscheiden basisdemokratisch, bei welchen Erzeugern Lebensmittel gekauft werden. Um die Bauern kennenzulernen und zu erfahren, wie die Lebensmittel produziert werden, schaue man sich die Betriebe regelmäßig an, sagt Klein: "Und wir helfen auch mal mit - zum Beispiel beim Unkrautjäten."
Der Futterkreis sei ein bunter Haufen, sagt Klein. "Hier treffen Hardcore-Ökos auf Unternehmer und gemeinsam sortieren sie dann Möhren." Zwischen 10 und 20 Euro kostet die Mitgliedschaft. Davon zahlt der Verein die Kosten für das Lager und den Internetauftritt. Gratis ist die Chance, sich zu engagieren: Wie in vielen Food-Coops müssen die Mitglieder mithelfen, beispielsweise beim Einräumen des Lagers oder der Suche nach neuen Landwirten und Erzeugern.
Bild-ZoomFoto: Andreas Arnold (dpa) Ein Korb mit Gelee-GläsernEinkaufsgemeinschaften gibt es auch in einigen anderen hessischen Städten - etwa in Darmstadt, Marburg, Gießen, Fulda und Offenbach. Und es kommen neue hinzu: Anfang des Jahres gründete sich der Verein Stadtgemüse in Wiesbaden, der aktuell noch nach einem Lagerraum in der Landeshauptstadt sucht.
Deutlich länger gibt es den Witzenhäuser Naturkostladen Schachtelhalm. 1982 rief eine studentische Initiative der Universität Witzenhausen die Einkaufsgenossenschaft ins Leben. Seit 2017 ist der Laden eine Unternehmergesellschaft. Anders als der Frankfurter Futterkreis steht der Laden allen interessierten Kunden offen.
Das hessische Umweltministerium schätzt, dass etwa acht bis zehn Food-Coops in Hessen aktiv sind. Eine direkte Unterstützung bekommen die Einkaufsgemeinschaften vom Land nicht. "Da es sich bei den Food-Coops noch um eine relativ kleine Initiative handelt, spielt sie für den Lebensmittelmarkt, in seiner Gesamtheit betrachtet, noch keine Rolle", teilt das Ministerium mit. Einzelne landwirtschaftliche Betriebe könnten von der Zusammenarbeit mit Food-Coops natürlich profitieren.
Dass Food-Coops die Gesamtsituation der hessischen Bauern spürbar verbessern, glaubt Verbandssprecher Weber indes nicht. "Solche Initiativen werden die Landwirtschaft nicht retten." Nur wenige Menschen seien bereit, mehr Geld für ihre Lebensmittel auszugeben. "Wer will schon 100 Euro im Monat für Obst zahlen?" Doch auch wenn Weber skeptisch ist, ein bisschen Hoffnung hat er: "Der Ökolandbau hat auch klein begonnen - und es dann aus seiner Nische geschafft."