LondonEine Chinesin steht vor dem Regal mit Taschen und Portemonnaies im Londoner Luxuskaufhaus Harrods. Über acht Etagen bietet die englische Institution eines der größten Warenangebote der Welt. Zielgerichtet greift die 27-Jährige zu einem türkisfarbenen Geldbeutel, öffnet den Reisverschluss und schaut sich die vielen verschiedenen Fächer an. Gut 200 Pfund. umgerechnet 227 Euro soll die Börse kosten. Auch die anderen Portemonnaies in Reichweite der jungen Frau sind nicht billiger. Doch das scheint sie nicht zu stören: „Ich brauche einen Geldbeutel", sagt sie. Eine Tüte des Luxusmodeherstellers Chanel trägt sie schon in der Hand. Jetzt soll noch eine mit Harrods-Emblem dazukommen. Die Chinesin will den schwachen Kurs des Pfunds nutzen, um auf der Insel Luxusschnäppchen zu erbeuten.
Seit dem Brexit-Votum Ende Juni ist die britische Währung im Vergleich zu den wichtigsten Währungen deutlich eingebrochen. Gegenüber dem Dollar hat das Pfund um fast 15 Prozent verloren - gegenüber dem chinesischen Yuan schon mehr als 13 Prozent. Das zieht Reisende an und freut tourismusnahe und -abhängige Branchen. Im Juli kamen so viele Touristen wie noch nie auf die Insel.
So gaben rund 3,8 Millionen Urlauber nach Angaben der Zentrale für den Fremdenverkehr „Visit Britain" umgerechnet rund 2,5 Milliarden Euro aus. Im August haben Touristen in Großbritannien nach einer Studie von Global Blue, einem Dienstleister, der steuerfreie Einkäufe von Touristen analysiert, fast 40 Prozent mehr als im Vorjahreszeitraum ausgegeben. Neben Hotels und Restaurants profitierten in erster Linie die Luxusmodehersteller davon. In London gibt es die nicht nur im Nobelkaufhaus Harrods. Einkaufsmeilen wie Regent Street, Jeremy Street, Bond Street oder Mayfair bieten ein umfassendes Angebot. In der Peripherie der Stadt finden sich gleich mehrere internationale Flughäfen, die Metropole ist ohnehin eines der beliebtesten Städtereiseziele der Welt.
Vor allem Touristen aus China nutzen die Gunst der Stunde, um sich mit Luxusartikeln einzudecken. Sogar Chinas größte englischsprachige Tageszeitung, die „South China Morning Post", berichtete im September über die Schnäppchen, die man jetzt im Königreich ergattern könne - darunter einen Mantel von Burberry, dem Trenchcoat-Hersteller, der für seine charakteristischen Karomuster weltbekannt ist. Manche Modelle seien nun fast 1500 Yuan günstiger zu haben, das entspricht einer Ersparnis von rund 200 Euro.
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Auch die chinesische Harrods-Kundin, die ein Portemonnaie sucht, gibt zu, dass sie vor allem wegen der europäischen Luxusmarken nach London gekommen ist, deren Produkte jetzt günstiger zu haben sind. In China haben der Wirtschafts- und Börsenaufschwung der vergangenen Jahre viele Unternehmer sprunghaft zu Millionären und Milliardären gemacht, es hat sich eine vermögende - und reisefreudige - Oberschicht gebildet. Gerade junge Chinesen, die reichen Familien entstammen, setzen offen auf eine sichtbare Zurschaustellung ihres Vermögens.
Geht es nach Sally Balcombe, Chefin von „Visit Britain" sollen noch weitere chinesische Touristen auf die Insel kommen. Die britische Zentrale für Fremdenverkehr hat daher jüngst eine große Onlinekampagne gestartet. Den Zeitpunkt hat Balcombe bewusst gewählt: vor Beginn der so genannten „goldene Woche". Die fängt am 1. Oktober mit dem Nationalfeiertag Chinas an.