ZEIT ONLINE: Mr. Diamond, herzlichen Glückwunsch! Wie fühlt man sich als neuer Wirtschaftsnobelpreisträger?
Peter A. Diamond: Ich fühle mich erleichtert und aufgeregt. Es ist schon beeindruckend - und merkwürdig -, wie viele Leute einen auf einmal sprechen möchten. Das ist wunderbar, eine echte Ehre. Andererseits möchte ich als Person da nicht so im Vordergrund stehen. Mir war es immer wichtiger, dass meine Ideen für sich stehen.
ZEIT ONLINE: Als das Nobelkomitee die Preisträger bekannt gab, war die Öffentlichkeit überrascht, die Experten hingegen nicht so sehr. Wie ging es Ihnen?
Diamond: Ich war auch überrascht, auch wenn ich nie ausgeschlossen habe, dass es eines Tages passieren könnte. Ausgegangen bin ich davon aber nie. Ich habe mir immer gedacht, dass es möglich ist - aber nicht sehr wahrscheinlich.
ZEIT ONLINE: Das Nobelpreis-Komitee hat sich für drei Arbeitsmarktforscher entschieden. In Zeiten einer globalen Wirtschaftskrise und hoher Arbeitslosigkeit in den USA: Kann es sein, dass die Akademie ein politisches Signal setzen wollte?
Diamond: Das möchte ich nicht kommentieren. Ich habe kein Insider-Wissen, wie das Komitee entscheidet. Aber wenn Sie die Nobelpreisträger der vergangenen Jahre anschauen, dann hat das Komitee eigentlich nie ernsthaft auf aktuelle politische oder wissenschaftliche Trends reagiert. Ich habe die ersten Texte zum Arbeitsmarkt, welche die Grundlage für meine Arbeit bilden, vor 40 Jahren geschrieben. Ich nehme den Preis einfach als Auszeichnung für meine Arbeit. ZEIT ONLINE: Sehen Sie es als Ihre Aufgabe, der Politik Leitlinien oder Ratschläge vorzugeben? Immerhin sind Sie auch als Politikberater ein gefragter Mann.
Diamond: In den letzten Jahren war ich auf zwei Gebieten tätig, die aber voneinander zu trennen sind. Zum einen arbeite ich auf dem Gebiet der wissenschaftlichen Grundlagenforschung, etwa zum Arbeitsmarkt. Ich beleuchte dabei, wie Wirtschaft und Politik funktionieren - und zwar auf einer ganz grundlegenden Ebene. Zum anderen bin ich als Politikberater tätig. In der Politik arbeitet man, um Einfluss auf politische Prozesse zu nehmen. Ich befinde mich da also zwischen diesen Polen, die ich aber gut voneinander unterscheiden kann.
ZEIT ONLINE: Inwieweit sind diese beiden Pole zu trennen?
Diamond: Ganz streng geht das nicht. Natürlich wirkt sich die politische Arbeit auf mein wissenschaftliches Schreiben aus. Sie beeinflusst, mit welchen Themen ich mich in der Theorie beschäftige. Ich stelle oft bei aktuellen Themen fest, dass die bestehende wissenschaftliche Theorie Lücken hat, dass sie keine Antwort auf politische Fragen geben kann, wo es nach Antworten verlangt.
ZEIT ONLINE: Weltweit haben die Regierungen mit einer hohen Arbeitslosigkeit zu kämpfen. Man könnte annehmen, dass die Situation für Sie wie ein riesiger Laborversuch ist, den Sie dann für Ihre Analysen nutzen können.
Diamond: (lacht) Eine große Krise wirft natürlich auch für die Wissenschaft neue Fragen auf, die uns so vielleicht noch nicht klar gewesen sind. Ähnlich war es, als die Dot-Com-Blase platzte. Damals hatte die Wissenschaft zunächst auch keine Antwort. Aber die Wissenschaft hat sich intensiv mit den Rahmenbedingungen beschäftigt, die zu so einer Krise führen können. Sie hat Antworten gefunden, wie in Zukunft vermieden werden kann, dass so etwas noch mal passiert.
ZEIT ONLINE: In Ihren eigenen Worten: Was hat Ihre Theorie für die Wissenschaft geleistet?
Diamond: Das sollen andere Leute entscheiden. Mir war es immer wichtig, alltäglichen Phänomenen auf den Grund zu gehen. Es setzt sich in den Wirtschaftswissenschaften zunehmend die Erkenntnis durch, dass sich Märkte nicht immer über den Preis regulieren. Das mag ineffizient sein. Aber in der Realität darf man nicht von vollkommenen Märkte mit perfekter Information ausgehen.
ZEIT ONLINE: Barack Obama hat Sie für den Vorstand der US-Notenbank Federal Reserve vorgeschlagen, der Ausgang des Verfahrens ist noch offen. Was wird sich nun in Ihrem privaten und beruflichen Leben verändern?
Diamond: Die Nominierung ist noch offen. Ich habe nach wie vor große Lust auf diese neue Aufgabe.
ZEIT ONLINE: Heißt das, dass Sie sich gegen Ende Ihrer Karriere doch eher in Richtung Politik bewegen?
Diamond: Wie ich schon sagte: Ich habe immer wieder als Politikberater gearbeitet. Die Fed ist eine unabhängige Notenbank, insofern werde ich dort keine Politik machen. Aber ich kenne mich gut mit Themen wie Arbeitslosigkeit aus, und solche Themen tangieren heute auch die Fed.
Die Fragen stellte Stefan Schweiger.
Peter A. Diamond
Jahrgang 1940, ist ein amerikanischer Ökonom und Politikberater. Studiert hat er Mathematik in Yale, später wechselte er zur Ökonomie. Er lehrte in Berkeley, bevor er 1966 zurück ans MIT kam, wo er seit 1966 lehrt und forscht. Diamond gewann in diesem Jahr den Preis für Wirtschaftswissenschaften der schwedischen Reichsbank in Gedenken an Alfred Nobel - gemeinsam mit dem Amerikaner Dale Mortensen und dem Briten Christopher Pissarides.