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Abtreibung ist eine Straftat, doch Frauen finden immer einen Weg

Wusstet ihr, dass ihr eine Straftat begeht, wenn ihr in Deutschland eine Abtreibung durchführen lasst? Und wusstet ihr, dass niemand diese Dienstleistung öffentlich anbieten darf? Was das für uns alle bedeutet und wo ihr trotzdem erfahrt, bei wem ihr abtreiben lassen könnt, erklären Carla Roder und Dorothee Kleinschmidt von Pro Familia Bochum.

Die richtige Praxis für den Eingriff zu finden, ist in Deutschland nicht so einfach. In der Vergangenheit wurden viele Ärzt*innen mit hohen Summen abgemahnt oder sogar gerichtlich verurteilt, weil sie öffentlich angaben, dass sie Schwangerschaftsabbrüche anbieten. Das sogenannte Werbeverbot kritisieren Initiativen schon lange.

„Werbung ist unserer Meinung nach ein falscher Begriff dafür", sagt Dorothee Kleinschmidt von Pro Familia Bochum. Sie und ihre Kolleg*innen beraten ungewollt Schwangere. „Schwangerschaftsabbrüche werden von Praxen angeboten wie andere Dienstleistungen auch, beispielsweise Krebsvorsorge oder Ultraschalluntersuchungen. Frauen führen nicht mehr Schwangerschaftsabbrüche durch, weil Praxen auf ihrer Homepage darüber informieren."

Google hilft da nicht

Kleinschmidts Kollegin Carla Roder erklärt: „In der gesetzlich vorgeschriebenen Schwangerschaftskonfliktberatung bekommt die Schwangere Informationen über die Praxen, an die sie sich in der Region wenden kann. Leider können die Frauen sich darüber nicht selbst informieren.

Das halte aber keine Schwangere von einem Abbruch ab, erklärt Dorothee Kleinschmidt. „In den Niederlanden zum Beispiel gibt es kein Werbeverbot, und dort wird nicht häufiger abgetrieben als hier. Aus Ländern mit strengerer Gesetzgebung wie Polen oder Irland reisen viele Frauen in liberalere Staaten, um dort die Schwangerschaft zu beenden. Frauen finden immer einen Weg."

Auch im Ruhrgebiet verschlechtert sich die Situation, sodass die Versorgung hier schon in naher Zukunft problematisch wird.

Je weniger Möglichkeiten Frauen haben, legal abzutreiben desto mehr lassen die Eingriffe illegal durchführen. Das führt dazu, dass in Ländern mit restriktiven Gesetzen wie Polen oder Irland oder bei Frauen, die sich keine professionelle Abtreibung leisten können, der Abbruch häufig nicht durch ausgebildete Ärzt*innen durchgeführt wird, mit Instrumenten wie Stricknadeln oder Kleiderbügeln und mit massiven gesundheitlichen Risiken für die Frauen.

Anzahl der abtreibenden Ärzt*innen fast halbiert

Doch auch die aktuelle Gesetzeslage in Deutschland hat große Lücken in die medizinische Versorgung in der Bundesrepublik gerissen. In den vergangenen 15 Jahren ist die Zahl der abtreibenden Ärzt*innen um 40 Prozent gesunken. In manchen Regionen in Süddeutschland müssen Schwangere 200 Kilometer zur nächsten Praxis fahren, die Schwangerschaftsabbrüche durchführt. „Auch im Ruhrgebiet verschlechtert sich die Situation, sodass die Versorgung hier schon in naher Zukunft problematisch wird", beobachtet Carla Roder. In Urlaubszeiten werde es jetzt schon manchmal eng.

Das liege vor allem an Anfeindungen, Hetzkampagnen und Klagewellen von selbsternannten Lebensschützer*innen. Sie kämpfen gegen Abtreibungen, indem sie Mahnwachen vor Praxen abhalten, Flyer mit verstörenden Bildern von Föten angeblich aus den ersten Schwangerschaftswochen verteilen, und Ärzt*innen anzeigen. „Abtreibung ist ein Tendenzthema, das sich viele nicht zumuten wollen", äußert sich Roder besorgt. „Wir beobachten ein Generationenproblem: Ältere abtreibende Ärzte gehen in Rente, und kaum junge Ärzte übernehmen ihre Aufgabe. Das Recht auf Schwangerschaftsabbruch ist nichts wert, wenn es keine Möglichkeit gibt, ihn durchzuführen.

Das Recht auf Schwangerschaftsabbruch ist nichts wert, wenn es keine Möglichkeit gibt, ihn durchzuführen.

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Die heutige Gesetzgebung verschiebt Abtreibungen in spätere Schwangerschaftswochen, was medizinisch riskanter ist und die Frauen näher an die gesetzliche Frist von drei Monaten bringt, nach der sie keine Abtreibungen mehr durchführen dürfen. Dadurch geht viel wertvolle Zeit verloren.

Dorothee Kleinschmidt bemängelt noch etwas bezüglich möglicher medizinischer Folgen der Gesetzgebung: „Frisch operierte Frauen sollten keine langen Fahrten auf sich nehmen müssen. Aber die meisten Kliniken sind konfessionell und bieten keine Abtreibungen an", erklärt sie. Vor allem bei Schwangeren mit schwerer Grunderkrankung sei das eine Gefahr, weil in Kliniken auf Notfälle schneller reagiert werden kann. „Das Recht auf freie Arztwahl ist aktuell deutlich eingeschränkt", kritisiert sie. Und betont: „Abtreibungen sind eine anständige und wichtige Arbeit, aber Ärzte und Ärztinnen dürfen öffentlich nicht dazu stehen. Die aktuelle Gesetzgebung dient vielen als Instrument, Ärzte zu drangsalieren."

Wann ist ein Schwangerschaftsabbruch straffrei?

- bis zur zwölften Schwangerschaftswoche ab der Empfängnis - mit Beratungsschein - frühestens drei Tage nach der Beratung - bei anerkannten Ärzt*innen Wer gegen eine dieser Voraussetzungen verstößt, muss bis zu drei Jahre Haft oder eine Geldstrafe befürchten.

Außerdem führt der Paragraph 219 des Strafgesetzbuchs dazu, dass Abtreibungen häufig nicht im Studium gelehrt werden. Und wenn, dann werde angehenden Ärzt*innen die Ausschabungsmethode statt der moderneren und sichereren Vakuumaspiration, einer Absaugungsmethode, beigebracht.

Auch wenn ein Schwangerschaftsabbruch eine Straftat darstellt, bleibt er unter bestimmten Voraussetzungen straffrei. Diese Voraussetzungen regelt ebenfalls Paragraph 218. Carla Roder, Kleinschmidts Kollegin, fasst sie so zusammen: „Die Schwangere muss ein Beratungsgespräch bei einer anerkannten Beratungsstelle vereinbaren, zum Beispiel bei uns. Da kann sie, wenn sie möchte, über ihre Lebenssituation und Gefühle sprechen, und wir zeigen ihr Hilfen auf." Mit der Beratungsbescheinigung dürfen Frauen dann bis zur zwölften Schwangerschaftswoche einen Abbruch durchführen lassen.

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