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Rainbow Refugees Stories – Portraits von Flucht und Freiheit

Nichts berührt uns Menschen so sehr, wie die Ahnung, nicht alleine zu sein – mit unseren Erlebnissen, Gefühlen und Seelenzuständen. Diesen emotional-persönlichen Austausch festzuhalten, und zu etwas Autarkem, Größerem werden zu lassen, kann ein Exempel statuieren, und macht Mut.

Der Fotograf Francesco Giordano, dessen Idee es schließlich war, in Form eines Magazins die verschiedensten Biografien unterschiedlicher Geflüchteter zu publizieren, hatte zunächst nur im Sinn, Porträts zu schießen. „Am Anfang stand eine Idee im Raum. Aber wie es häufig ist, entwickelte diese Idee schnell ein Eigenleben, bekam ihren ganz eigenen Sog“, erzählt er im Interview. „Im Juli 2018 hatte ich die Möglichkeit, im Rahmen des Rainbow Refugees Café Portraits von LGBTI Geflüchteten zu machen. Das Interesse an eigenen Portraits war größer als gedacht. Statt wie geplant sechs Modellen hatte ich am Nachmittag 27 Geflüchtete aus den verschiedensten Ländern vor meiner Kamera sitzen. Mein Eindruck war, dass sie in meiner Arbeit eine Möglichkeit sahen, sich selbst und ihre Gefühle sichtbar zu machen.“

In diesem beschriebenen Sog entstand rasch ein Team aus 27 Geflüchteten, 22 Journalisten, 23 Fotografen und sieben externen Interviewpartnern. Realisiert wurde das Projekt gemeinsam mit dem selbstständigen Grafikdesigner Quirin Vodermayer von Studio Substance und der Illustratorin Franziska Romana, die dem Projekt acht Portraits beigesteuert hat.

Den porträtierten Geflüchteten ist gemein, dass sie diverse Heimatländer wegen ihrer sexuellen Orientierung oder Identität verlassen mussten. So privat jene auch ist – die Gesetzgebung definiert die persönlichen Sexualität in vielen Ländern sehr präzise als Straftat. Während, weltweit betrachtet, aktuell 26 Staaten wie Schweden, Portugal, Brasilien oder Australien auch die zivilrechtliche Eheschließung für gleichgeschlechtliche Paare ermöglichen, werden anderswo homosexuelle Handlungen unter Androhung der Todesstrafe verfolgt. Nicht nur die direkte, massive Bedrohung durch Gefängnis, Folter und Tod machen den Alltag dort unerträglich – auch homophobe Diskriminierung ist in diesen Ländern tief in der Gesellschaft verankert.

Das Projekt Rainbow Refugees Stories möchte dieser himmelschreienden Ungerechtigkeit ein sprichwörtliches Gesicht geben: Als ehrenamtliches Kunstprojekt ist es eine Zusammenarbeit von Nachwuchsfotografen und -journalisten, begleitet vom Mentoringprogramm des PresseClub München e.V., die darauf aufmerksam machen möchten, dass die sexuelle Orientierung auch heutzutage noch eine Fluchtursache ist. Sehr deutlich möchten sie mit Vertretern aus der Politik in Diskussion treten und diese vielschichtigen Probleme thematisieren.

Doch auch persönliche Details und subjektive Erinnerungen der einzelnen Figuren werden feinfühlig zitiert: Als pakistanische Transgender verkörpern beispielsweise Anmol und Ragni das Dasein zwischen den Welten – zwischen Bollywoodglanz und bayerischer Beständigkeit. „Es ist [hier] wie ein ganz anderes Leben. Ich habe viel vergessen.“ beschreibt Ragni ihre Vergangenheit. Solche persönlichen Erzählungen werden verflochten mit Fragen an Traumatherapeuten und Asylanwälte.

Neben den Gründen für die Flucht geht es im Magazin also vor allem auch um den hier gelebten Alltag: Es ist eine permanente Herausforderung, die Familien in der Heimat zu verlassen, um in Freiheit leben zu können. Auch in Deutschland haben die Protagonisten mit Vorurteilen zu kämpfen, in einem Strudel aus behördlicher Bürokratie, dem frustrierenden Wohnungsmarkt und homophoben, rassistischen Begegnungen in den Unterkünften. „Unsere Mentees mussten ihre persönlichen Geschichten bereits mehrfach beim BAMF, vor Gericht und vor anderen Behörden immer wieder erzählen. Und diese Geschichten immer wieder zu erzählen, bedeutet, sie immer wieder zu durchleben“, äußert sich Stephan Pflaum, Mentor der Rainbow Refugees Munich. „Einige meiner Mentees merkten zu Recht an, dass sie irgendwann auch einfach ihre Ruhe haben wollen, ihren Alltag Leben und die Flucht hinter sich lassen wollen.“

Das Magazin möchte nicht nur ein schönes, intimes Printprodukt sein. Es möchte politisch laut werden, und den einzelnen Personen ermöglichen, sowohl in Frieden leben zu können, also auch mutig ihre Stimme zu erheben – um tatsächlich etwas zu verändern. „Der größte Erfolg für mich wäre es, ein Zeichen zu setzen und der LGBT*I Minderheit soweit Gehör zu verschaffen, dass sie in das Bewusstsein der Gesellschaft treten“, beschreibt Francesco Giordano das Ziel des Teams. „Wegen der eigenen sexuellen Orientierung oder Identität verfolgt zu werden ist vielerorts Gegenwart und ein triftiger Grund, aus der Heimat fliehen zu müssen. Da nutzt es nichts, wenn uns nach Maßstäben von Krieg und religiöser Unterdrückung ein Land als sicher erscheint, in dem LGBT*I-Leben bedroht sind.“

Gerade in Zeiten von Rechtspopulismus und Ausgrenzung ist es wichtig, dass Menschen innerhalb der Gesellschaft einander die Hand ausstrecken, um Interesse zu zeigen, unabhängig von Hautfarbe, Herkunft und sexueller Orientierung. Es ist an der Zeit, das archaische Schema nicht mehr zu perpetuieren, sondern Empathie zum Trumpf zu erheben.

Text: Sonja Steppan

WAS: Rainbow Refugees (Stories)

WANN: 13.09.2018 – 13.04.2019 13.04.2019 - 14.04.2019

WO: Mucca31, Kreativquartier

SPENDEN: Die Journalisten, Fotografen und Grafiker arbeiten ehrenamtlich. Wer die Druck- und Versandkosten finanziell unterstützen möchte, kann für Zuwendungen zu diesem Projekt selbstverständlich eine Spendenquittung erhalten.


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