Michael Eggenschwiler: Ich war damals fünf oder sechs Jahre alt. Der Flug ging von der Schweiz nach England. Es war ein Nachtflug. Früher waren diese Flüge besonders günstig, ein Nachtflugverbot gab es damals offensichtlich nicht. Ich fand das Fliegen faszinierend. Das ist bis heute so geblieben.
Sie sind jetzt seit 15 Jahren am Hamburg Airport. Welches Problem hat Ihnen in der Zeit die meisten Sorgen bereitet?Man ist schnell da, man kann weite Strecken in vernünftiger Zeit hinter sich bringen. Ich bin aber auch jemand, der gern von oben runterschaut. Bei schönem Wetter auf die Erde zu gucken, das genieße ich. Im Schnitt fliege ich etwa einmal pro Woche.
Wenn es wie in diesem Fall nicht läuft, hagelt es Beschwerden. Wenn alles läuft, gibt es kein Lob. Finden Sie das ungerecht?Das war der Streik der Luftsicherheitskräfte im Februar 2015. Wir mussten die Polizei holen, damit sie die Terminals absperrte, denn sie waren völlig überfüllt. Da war diese Hilflosigkeit, nichts machen zu können. Einige Passagiere haben bis zu sieben Stunden an den Kontrollen gewartet. Wir konnten daran leider nichts ändern.
Wie viele Beschwerden gibt es denn pro Jahr?Die Welt ist, wie sie ist. Es gibt auch Gäste, die sich einmal beschweren und danach noch einmal schreiben, um sich zu bedanken, wie ihre Beschwerde behandelt wurde. Das freut mich dann.
Und, was finden Hamburger Passagiere besonders schlecht?Die Zahlen gehen mal rauf, mal runter. In Situationen mit viel Schnee kommen meist mehr. Bislang hatten wir in diesem Jahr rund 8000 Beschwerden und knapp 1400 Belobigungen. Jede Kritik hat ja auch etwas Aufbauendes, woraus man lernen kann. Ich finde es wichtig zuzuhören, was Passagiere gut und was sie schlecht finden.
Für 2018 konnten Sie keinen neuen Rekord-Passagierzahlen vermelden. Warum?Ein Thema, das immer wieder für Kritik sorgt, sind die Sicherheitskontrollen. Sie dauern angeblich zu lange oder sind zu gründlich. Es gab auch oft Beschwerden über das WLAN-Netz, als es nur eine Stunde kostenlos und der Empfang oft nicht gut war. Wir haben dort in die IT investiert. Außerdem ist WLAN jetzt unbegrenzt kostenlos.
Glauben Sie, dass die Passagierzahlen wieder steigen werden?Wir werden wohl unter den 17,62 Millionen Gästen von 2017 liegen. Das ist der Effekt aus der Insolvenz von Air Berlin, außerdem hat Easy Jet seine Präsenz in Hamburg nahezu halbiert.
Was bedeutet das für die Anwohner? Schon jetzt gibt es Beschwerden über Lärm.Die Luftfahrt ist nach wie vor eine Wachstumsbranche. Jeder unserer Passagiere fliegt im Schnitt fünf Mal im Jahr. Eine beeindruckend hohe Zahl, die zeigt, dass Fliegen heute Alltag ist. Und das wird weitergehen.
Wie weit kann der Hamburger Stadtflughafen überhaupt noch wachsen?Wachstum muss nicht zwingend mit mehr Flügen einhergehen. Wir haben heute fast zehn Prozent weniger Flüge als vor 10 Jahren - und gleichzeitig über 30 Prozent mehr Passagiere. Die Flugzeuge werden größer, die Auslastung steigt. Außerdem werden die Flugzeuge immer leiser. Ein Beispiel dafür ist der Airbus A320 neo, der in Hamburg immer häufiger im Einsatz ist.
Es gab ja immer mal wieder die Idee, mit dem Flughafen nach Kaltenkirchen umzuziehen. Wie denken Sie darüber?Es ist klar, dass wir den Platz optimiert nutzen müssen. Wenn beispielsweise statt eines Airbus A319 ein Airbus A320 eingesetzt wird, können 15 Prozent mehr Passagiere mitfliegen.
Wie wandelt sich der Flughafen in den kommenden Jahrzehnten?Diese Überlegung ist politisch vor ein paar Jahren von den fünf nördlichen Bundesländer für beendet erklärt worden. Der Flughafen ist heute dort, wo auch die meisten Nutzer sind: 60 Prozent der Passagiere kommen aus Hamburg, 25 Prozent aus Schleswig-Holstein.
Flugzeuge sind das klimaunfreundlichste Verkehrsmittel. Beschäftigt Sie das, und was sind da die größten Herausforderungen?Ich glaube, dass es für die Passagiere viel bequemer wird. Wir werden mehr moderne Technologie haben, beginnend vom Check-in über die Sicherheitskontrollen bis zum Einsteigen. Die Biometrie wird kommen. An den Sicherheitskontrollen wird es mehr Technik und optimierte Abläufe geben, alles wird schneller. Irgendwann gibt es auch elektrisches Fliegen. In der Kleinluftfahrt ist das schon jetzt möglich, bei den großen Flugzeugen wird es aber wohl noch einige Jahrzehnte dauern.
Was halten Sie von Organisationen wie atmosfair, bei denen man die CO2-Emissionen seines Fluges finanziell kompensieren kann? Haben Sie dort auch schon einmal eingezahlt?Die Herausforderung ist, schadstoffärmere Triebwerke und klimafreundlichere Treibstoffe stärker zu nutzen. Obwohl der Flugverkehr heute nur rund drei Prozent der Gesamtschadstoffemissionen ausmacht, ist die Luftverkehrswirtschaft bemüht, hier zu kompensieren. Unsere Klimaneutralität streben wir mittelfristig an. Wir am Boden haben schon Zehntausende von Tonnen CO2 reduziert - ein direkter Beitrag vom Flughafen hier in Hamburg. Kurzum: Mich beschäftigt das Thema sehr.
Was berührt Sie bei Ihrem Job am Flughafen menschlich am meisten?Vor gut sieben Jahren hatten wir mit atmosfair und der Umweltbehörde ein Projekt: Ziel war es, unsere Passagiere zu einer freiwilligen CO2-Kleinkompensation für ihren Flug zu bewegen - über einen Telefonabruf von 10 Euro. Leider war die Zeit dafür anscheinend noch nicht reif, denn nur wenige Passagiere nutzten diesen Aufruf. Hintergrund war eine umfangreiche Diplomarbeit zu diesem Thema am Flughafen. Wir sind danach einen praktischen Weg gegangen, indem wir für unsere flughafenbedingten Dienstreisen einen Klimawald angepflanzt haben, auf 25 Hektar sind das inzwischen 180 000 Bäume. Seit Jahren wächst somit unsere eigene Dienstreisen-CO2-Kompensation auf unserem Außengelände.
Bei der Luftfahrt gibt es diese Emotionalität, die ich schön finde. Wenn man sich mal eine Stunde in der Ankunft hinstellt und sich die Begrüßungsszenen anguckt - toll, wie viel Freude man da beobachten kann. Es gibt Leute, die sagen, es wird nirgends so viel geküsst wie am Flughafen. Statistisch ist das wohl nie erhoben worden, aber ich kann es mir gut vorstellen.
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