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Instagram: Kinder sind ihr USP

Instagram-Mütter machen Selfies oder filmen ihre Kinder und stellen die Aufnahmen ins Netz – und verdienen damit eine Menge Geld. © Westend61/​Getty Images

Isabeau Kleinemeier schluchzt in die Kamera. "Kann man das sehen?", fragt sie. Eine Träne kullert ihr über die rosigen Wangen. Sie spricht frontal in die Kamera und hält einen Schwangerschaftstest vor die Linse. Der Signalstreifen des Tests zeigt positiv. Deswegen weint sie. Vor Mutterglück! Und Tausende Zuschauer schalten ein, wenn sie die Nachricht über die erfolgreiche Zeugung live überträgt: "Ich werde euch natürlich mitnehmen durch die Schwangerschaft, die Geburt wird gefilmt."

Kleinemeier hat einen großen Teil ihres Familienlebens auf Sendung. "Unsere Morgenroutine", "Mein Kinderwunsch-Tagebuch", "Blasensprung?! Geht es bald los?" heißen die Beiträge, die sie auf ihren Social-Media-Kanälen postet. Kleinemeier ist "Mami-Vloggerin". Sie filmt ihren Alltag mit den Kindern und veröffentlicht ihn auf YouTube. Außerdem ist sie eine "Instamom" - also eine Mama, die ihr Leben auf Instagram teilt. Bei YouTube hat Kleinemeier über 600.000 Abonnenten, auf über eine halbe Million Follower. "3fach-Mädchen-Mama" heißt es in ihrem Profil, darunter die Namen ihrer drei Töchter. Außerdem steht da: "Traumhaus im Grünen" mit einem kleinen Häuschen-Emoji.

Beiträge wie "Pauline verliert ihre Haare! Weltuntergang!" oder "Alltag mit Neugeborenem" haben mehr als eine halbe Million Aufrufe. Und nebenbei läuft Werbung. Für Küchenmaschinen, Kosmetik, Kinderspielzeug. "Pauline ist dreieinhalb Jahre und liebt Barbie." Jeder kann zuschalten.

Mami-Content klickt gut

Die Beratungs- und Forschungsgruppe Goldmedia schätzt, dass es im deutschsprachigen Raum etwa 30.000 hauptberufliche Influencer gibt - also Werbeträger in sozialen Netzwerken. Das Werbevolumen für Influencer-Marketing soll 2020 fast eine Milliarde Euro erreichen, prognostiziert eine Goldmedia-Studie. Mutterschaft ist in den Erhebungen keine eigene Kategorie wie Unterhaltung, Essen oder Technik. Daher lässt sich nicht genau sagen, wie viele Mama-Influencerinnen es gibt.

Doch inszenieren auffällig viele einflussreiche Influencerinnen ihre Mutterschaft, zum Beispiel Bianca Heinicke von Bibis Beauty Palace, der fast 6 Millionen bei YouTube folgen. Oder Anna Maria Damm, bekannt durch Germany's Next Topmodel (1,6 Millionen Follower bei Instagram). Mitte Januar präsentierte auch Lena Gercke, die Gewinnerin der ersten Staffel dieser Show, den Babybauch ihren 2,5 Millionen Followern. Die Bloggerin Christine Neder, die früher hauptsächlich Reisevideos und -bilder zeigte, veröffentlichte eine Fotoreportage aus dem Geburtssaal und sattelte zum großen Teil auf Elternthemen um.

Mami-Influencerinnen filmen sich in Küchen und Kinderzimmern. Sie backen Bananenbrot, sortieren Kleider oder wischen das Badezimmer. Und die erfolgreichsten von ihnen verdienen damit viel Geld. Die Amerikanerin Heather Armstrong, von der New York Times einmal als "Queen der Mamibloggerinnen" tituliert, sagte in verschiedenen Interviews, dass sie zu ihren besten Zeiten mit ihrem Mamablog Dooce bis zu 50.000 Dollar monatlich verdiente.

Kinder als USP

In Deutschland sprechen nur wenige Instamoms über ihre Verdienste. Es scheint ein Tabu zu sein, über eine öffentlichkeitswirksame Mutterschaft als Geschäftsmodell zu reden. Christine Neder hat ein Interview abgelehnt, Isabeau Kleinemeier ebenfalls. Es liegt dennoch die Vermutung nahe, dass ein nicht unerheblicher Teil Kleinemeiers Haushaltseinkommens davon abhängt, ein fotogenes Familienleben auszustellen. Sie stammt aus Verl bei Gütersloh und hat eine Ausbildung zur Krankenschwester gemacht. Ihr Mann ist gelernter Elektriker. Im August 2018 sind sie in die Hauptstadt umgezogen, nachdem eine Marketingagentur auf Isabeau aufmerksam geworden war. Den Kaufvertrag für ihr "Traumhaus im Grünen" haben sie vor einigen Monaten unterschrieben. Als Krankenschwester arbeitet Kleinemeier nicht mehr.

"Die Drillinge sind mein USP", sagte Annette Pawlu, die heute einen anderen Nachnamen hat, zur Süddeutschen Zeitung. USP steht für Unique Selling Point, einen einzigartigen Verkaufsanreiz. Pawlu ist damit eine der wenigen Instamoms, die zugegeben haben, ein Geschäftsmodell zu bedienen. Pawlu hat knapp 200.000 Follower auf Instagram, ihre Erfolgsgeschichte könnte man so zusammenfassen: flacher Bauch, riesiger Drillingsbabybauch, flacher Bauch. Einer der erfolgreichsten Posts auf ihrem Instagram-Profil ist eine Collage aus zwei Fotos. Auf dem einen trägt Pawlu einen sexy Monokini, der neben den schlanken Beinen besonders ihren Babybauch betont. Daneben ein Foto im Badeanzug mit demselben Schnitt, der Bauch schlank und straff. "32 Wochen schwanger vs. 10 Monate nach der Geburt" steht darunter auf English.

Pawlu war einmal Society-Reporterin, heute gibt sie auf ihrem Kanal Little fashion cuties Abnehm- und Ernährungstipps und berichtet über sich selbst und die Drillinge Anastasia Pixie Trinity, Arielle June Trinity und Anouk Olivia Trinity. "Die Leute wollen das hier sehen, allein weil alles in dreifacher Ausfertigung so irre aussieht", sagte sie gegenüber der Süddeutschen Zeitung. Auf den Fotos bei Instagram unternimmt Pawlu oft etwas mit den Kindern. Sie ist stets perfekt gestylt, die Kinder auch. "Model" steht in ihrem Profil und "MAMAger"- eine Mischung aus Mama und Manager. Sie inszeniert sich als attraktive und perfekt organisierte Familienchefin, ein Bild, das aus klassischen Werbespots bekannt ist. Und scheint damit Erfolg zu haben: "Ich habe heute mehr Geld zur Verfügung als in meinem früheren Beruf", sagte Pawlu zur im Jahr 2017.

Pawlu hat über ihre Karriere und ihre Verdienste als Instamom mit mehreren Medien gesprochen, unter anderen auch mit ZEIT ONLINE. Kurz vor der geplanten Veröffentlichung zog sie ihre Zitate allerdings zurück. Die Begründung: Ihr Mann und sie müssen derzeit öffentlichkeitssensibel sein. Fotos von sich und ihren Kindern postet sie aber weiterhin auf Instagram. Auch hier merkt man: Viele Instamoms wollen Aufmerksamkeit, aber nur nach ihren eigenen Spielregeln.

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