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Kettenverträge an Unis: Halten oder sprengen?

foto: getty images

Ohne Kettenverträge wäre der Betrieb nicht möglich, argumentieren die Universitäten. Die Arbeiterkammer will ihr Ende – dafür könnte die EU nun den Anstoß geben

Was in jeder Firma vor dem Arbeitsgericht landen würde, ist an Österreichs Unis erlaubt: befristete Arbeitsverhältnisse mehrmals aneinanderzureihen – sogenannte Kettenarbeitsverträge.

Das hat bereits öfters zu Kritik geführt, nun wurde die Debatte wieder angestoßen. Kürzlich verkündete die EU-Kommission, dass sie die Regelung für unionsrechtswidrig halte. Die Befristung bis zu einer Höchstdauer von zwölf Jahren sei sachlich nicht gerechtfertigt und würde eingesetzt, um den ständigen und nicht den zeitweiligen Personalbedarf zu decken. Deshalb forderte Arbeiterkammerpräsidentin Renate Anderl: "Weg mit den Kettenverträgen!" Bei den Unis stößt das zum Großteil auf Unverständnis. "Es wäre lebensfremd, wenn es nur unbefristete Arbeitsverhältnisse gibt", sagt Wolfgang Meixner, Vizerektor für Personal bei der Universitätenkonferenz.

Strukturelles Problem

Dahinter liege auch ein strukturelles Problem. "Wir haben zu wenige Stellen. Zwar hat die Erhöhung des Unibudgets das gemildert, aber nicht in allen Bereichen." Die Folge: Viele Stellen werden mit zeitlich begrenzten Drittmittelprojekte finanziert, die dann in befristete Arbeitsverträgen münden. Hier zeigt sich im aktuellen Universitätsbericht eine Tendenz: Die Zahl der Drittmittelbeschäftigten ist zuletzt stärker gestiegen als das gesamte wissenschaftliche und künstlerische Personal. Besonders an technischen und naturwissenschaftlichen Unis ist das der Fall.

Insgesamt waren im vergangenen Wintersemester rund 78 Prozent des wissenschaftlichen und künstlerischen Personals befristet angestellt, zeigt eine Statistik des Wissenschaftsministeriums. Darunter fallen allerdings auch Stellen, die ohnehin nur befristet vergeben werden, wie etwa die von Lektoren, studentischen Mitarbeitern oder auf fünf Jahre befristete Professuren.

Laut Universitätsgesetz (UG) ist die mehrmalige Aneinanderreihung von Befristungen, etwa im Rahmen solcher Drittmittelprojekte, für bei Vollzeit- bis zu sechs und bei Teilzeitkräften bis zu acht Jahre zulässig (siehe Info unten). Ist das Projekt in der Zeit noch nicht abgeschlossen, kann der Vertrag auf maximal zehn beziehungsweise zwölf Jahre verlängert werden.

Debatte nach Klage

So war es auch bei einer Chemikerin, deren Fall der eigentliche Anstoß für die Debatte war. Nach zwölf Jahren in befristeten Verträgen an einer Wiener Uni musste sie gehen. Es gab keine Drittmittel mehr, der Vertrag lief aus. Sie klagte wegen eines unzulässigen Kettenarbeitsverhältnisses, das eigentlich eine unbefristete Anstellung sei, sowie aufgrund dessen, dass Frauen mittelbar diskriminiert würden, da für Teilzeitverträge die längste Befristungsdauer möglich ist – und auch an Unis vorwiegend Frauen in Teilzeit arbeiten.

In erster Instanz blitzte sie ab, in zweiter griff das Teilzeit-Argument, und der Fall ging zurück ans Arbeitsgericht. Der Richter stellte eine Vorabentscheidung an den Europäischen Gerichtshof, wo der Fall derzeit verhandelt wird.

Paragraf 109 auf dem Prüfstand

Daher stellt sich nun die Frage: Was bedeutet das Statement der EU-Kommission und der Ausgang der Verhandlungen für den umstrittenen Paragrafen 109, der die Befristungen im Universitätsgesetz regelt? "Ich denke nicht, dass der gesamte Paragraf fällt. Es kann sein, dass es zu Nachbesserungen bei der möglichen Dauer der Befristung kommt", sagt Meixner. Ursprünglich seien die verschiedenen Zeitgrenzen für Voll- und Teilzeit eingeführt worden, damit Teilzeitkräfte genug Zeit haben, um ihr Projekt abzuschließen.

Überhaupt sei die mehrmalige Befristung sinnvoll, sagt Meixner. Besonders wenn in der Lehre in einem Semester mehr Lektoren benötigt werden, wenn jemand viele befristete Drittmittelprojekte erforscht oder bei Ersatzkräften wie Karenzvertretungen. Auch die befristeten Stellen für den wissenschaftlichen Nachwuchs seien berechtigt – und mündeten in vielen Fällen in einer unbefristeten Anstellung. Und: So werden die Stellen stetig für nachkommende Generationen frei, sind nicht jahrelang besetzt. "Wir wissen aus Frankreich und Italien, wo fast nur unbefristet angestellt wird, dass es dem Nachwuchs schlechter geht als bei uns." Auch sei es unüblich, eine Hauskarriere zu machen, meist ist man an mehreren Unis, auch international.

Trotzdem ergeben sich Probleme: So sei es an vielen Unis gelebte Praxis, dass jene, deren Maximalbefristung erreicht ist, ihre Arbeit an der Uni unterbrechen, um dann wieder befristet angestellt werden zu können, erzählt Meixner. Ebenfalls sei es schwierig, wenn jemand zwischen befristeten Stellen aus dem Unibudget und Drittmitteln wechselt.

Novelle in Arbeit

Christian Dorninger ist stellvertretender Betriebsratsvorsitzender an der Uni für Bodenkultur und findet nichts Positives an dem Paragrafen. Er hat Institutsmitarbeiter, die monatlich verlängert werden, einer bereits 28-mal. Dorninger plädiert dafür, den Paragraf zu streichen, unbefristet anzustellen und eine Klausel zu machen, dass gekündigt werden darf, wenn der Anstellungsgrund – etwa ein fertiges Projekt – wegfällt.

"Es würde keinen Unterschied machen, außer dass die Leute nicht mehr unzufrieden sind, ihr Leben besser planen können und auch einen Kredit bekommen." Es bedürfe einer besseren Kündigungskultur, und im Falle einer Anfechtung müssten Richter berücksichtigen, dass Forscher nicht überall an der Uni einsetzbar sind.

Die Regierung erkannte Handlungsbedarf: In ihrem Programm ist die Modernisierung des Arbeitsrechts für Forscher verankert, auch des Paragrafen 109. Der Wissenschaftsausschuss des Nationalrats hat dazu eine Entschließung verabschiedet, die Unis arbeiten bereits mit den Sozialpartnern an einer Reform. Das liege nun auf Eis, heißt es aus dem Wissenschaftsministerium. Man möchte die EuGH-Entscheidung abwarten, die Schlussanträge des Generalanwalts sind für Ende Juni angekündigt. Geplant ist, dass die UG-Novelle Ende 2019 in Begutachtung geht. (Selina Thaler, 29.3.2019)

Wissen: Was der Paragraf 109 im Universitätsgesetz aussagt 
Prinzipiell können Arbeitsverhältnisse laut dem Universitätsgesetz unbefristet oder befristet abgeschlossen werden. Bei Letzterem ist maximal eine sechsjährige Befristung zulässig.
In bestimmten Fällen dürfen das auch mehrmalige unmittelbar aufeinanderfolgende Befristungen sein. Nämlich wenn man in einem Drittmittel- oder Forschungsprojekt; ausschließlich in der Lehre – also etwa als Lektor – oder als Ersatzkraft beschäftigt ist. Die Gesamtdauer dieser Befristungen darf auch hier bei Vollzeitkräften sechs Jahre nicht überschreiten, bei Teilzeitkräften sind es acht Jahre. Darüber hinaus kann die Befristung einmalig auf bis zu insgesamt zehn (Vollzeit) oder zwölf (Teilzeit) Jahre verlängert werden.
Wenn jemand in eine höhere Karrierestufe wechselt, etwa eine Postdoc-Stelle, darf er erneut einmalig für maximal sechs bzw. acht Jahre befristet werden. Dabei muss aber die Höchstgrenze von zehn oder zwölf Jahren eingehalten werden, die Befristungen werden also zusammengezählt. Wenn man studentischer Mitarbeiter war, bleiben sie unberücksichtigt. (set)
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