Der Berliner Verfassungsschutz zeigt sich von der Entwicklung überrascht. „Wir hatten Hooligans bisher nicht im Blick", sagt eine Behördensprecherin. Die hätten sich bislang weniger politisch definiert und mehr über Gewalt - dafür sei die Polizei zuständig. Ob diese Einordnung angesichts der aktuellen Entwicklungen noch lange Bestand hat? „Das ist in Bewegung."
Hooligans, ob unpolitisch oder rechts, Rechtsradikale, ob Mitläufer oder Funktionäre - die Mischung weckt Ängste. Doch haben solche Leute am Sonntag in Köln das Sagen gehabt?
Die Lage ist nicht nur in Köln und den Fußballstadien des Landes unübersichtlich. Sie ist es auch in einzelnen Köpfen. Andreas aus Berlin zum Beispiel. Der Mittdreißiger ist Fan des BFC Dynamo, eines Traditionsvereins, der in der DDR einst zum Ministerium der Staatssicherheit gehörte und seitdem meist abgestiegen ist - aber ungewöhnlich loyale, gut organisierte Fans hat.
Auch er wollte nach Köln - musste dann aber auf ein FamilientreffenAndreas sagt, auch er habe nach Köln fahren wollen, habe dann aber ein Familientreffen besuchen müssen. Er unterstütze das Anliegen aber immer noch: „Hools gegen Salafisten ist doch besser als Hools für Bier, oder?" An diesem Mittwoch ist Andreas gegen 11 Uhr sofort ans Telefon gegangen: „Mach' ja schon Mittag", sagt er. „Hab' schon vier Stunden rum." Andreas ist Handwerker. Er wohnt in der Nähe des Sportforums in Hohenschönhausen, ganz im Osten der Hauptstadt, wo er aufgewachsen ist und wo der BFC trainiert.
Was er am 15. November machen wird? „Ich quatsche noch mit meinen Jungs", sagt er kurz angebunden. „Aber so wie es aussieht, gehen wir hin, wenn in Berlin demonstriert wird."
Wen immer man in der Berliner Fußballszene fragt, es heißt: Hertha habe mit Abstand die meisten Fans, durchaus auch militante, die Masse aber bestehe aus friedlichen Kleingärtnern. Die Szene rund um den 1. FC Union aus Köpenick sei gemischt - viele Familien, dazu Punks, also ein bisschen St. Pauli des Ostens, aber auch ein paar Rechte.
Der BFC wiederum - inzwischen in der Regionalliga - mobilisiere zwar viel weniger Fans, die aber seien die härtesten: die Champions League der Hooligans gewissermaßen.
Andreas ist - eigener Auskunft zufolge - ein bei der Polizei registrierter Sportgewalttäter. In Berlin führt die Polizei über 1554 militanten Hooligans. Davon werden 86 der rechtsextremen Szene zugeordnet, 54 sollen sich im Umfeld des BFC Dynamo bewegen, die anderen vor allem bei Hertha und Union.
Andreas sagt über sein Leben: Freunde, Fußball, Freundin. Seinen Job möge er, wählen gehe er nicht, und am liebsten wäre ihm, man hätte weniger Muslime ins Land gelassen. „Doch bin ich deshalb Nazi?"
Seine Ex-Freundin sei Polin gewesen. Wer wir er viel rumkommt, habe irgendwann „die Schnauze voll von diesen Wilden". In den 90ern sei er immer wieder mit Türken und Arabern aneinander geraten. Und Freude darüber, in Deutschland zu leben, statt im Irak, wird man ja wohl noch fühlen dürfen, sagt Andreas. Und dass die Kundgebung in Köln ein Rechtsradikaler angemeldet hat? „Aber, da waren trotzdem nicht 4000 Nazis."
Fans von Lok Leipzig sollen regelmäßig Linke angegriffen habenErmittler, aber auch antifaschistische Fans, haben vor allem die Allianz von Anhängern des BFC, des 1. FC Lokomotive Leipzig und Lazio Rom im Blick. In der italienischen Fußballkultur gelten die Lazio-Fankurven als rechtsradikale Treffs, Fans von Lok Leipzig sollen in Sachsen regelmäßig Linke angegriffen haben. Auf der Facebook-Seite der Allianz posieren Kurzgeschorene auf einem Foto mit einer Deutschland-Fahne - darauf steht geschrieben: „Ho-Ge-Sa 24.10.2014." Man ist stolz, dabei gewesen zu sein.
SS-Siggi im fernen Dortmund dürfte sich freuen. Kommt da eine Mischszene aus Hools und Nazis in Fahrt? Oder handelte es sich in Köln bloß um eine günstige Gelegenheit für ein paar rechtsradikale Stichwortgeber?
Einige Hools sehen den Tag schon als Beginn einer neuen Bewegung. Auf Internetseiten heißt es: „Wir sind das Volk. Uns kriegt keiner klein!" Und: „Wir müssen uns zur Wehr setzen. Deutschland muss auf der Straße präsent sein."
Doch die Szene ist gespalten - nicht nur BFC-Fan Andreas findet etwa NPD-Parolen in Stadien problematisch. Im Internet tauchen ständig neue HoGeSa-Seiten auf, von denen sich andere Hooligans wiederum distanzieren. So geht das im Stundentakt.