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Polizei warnt vor "neuer Dimension der Gewalt"

Johannes Nedo, Sebastian Weiermann Nach den Hooligan-Krawallen am Sonntag in Köln will Nordrhein-Westfalen solche Demonstrationen künftig verbieten. Nach Einschätzung von Wolfgang Bosbach (CDU) ging es den Hooligans nicht um die Salafistengefahr, sondern darum, Gewalt auszuüben. Die Polizei war zu Beginn nur schwach vertreten

Die Polizei war am Breslauer Platz zunächst nur mit schwachen Kräften präsent, Journalisten und Passanten wurden immer wieder von den Hooligans angegangen. Bei der Auftaktkundgebung der Hooligans spielte die Rechtsrock Band Kategorie C und hetzte die Menge gegen Salafisten, Polizisten und Gegendemonstranten auf. Um 15 Uhr setzte sich die Demonstration in Bewegung, schon nach wenigen hundert Metern eskalierte die Lage. Immer wieder scherten Gruppen von Hooligans aus der Demonstration aus, und griffen am Rand stehende Einsatzkräfte an. Böller, Steine und Flaschen flogen immer wieder. Die Polizei zog nach und nach immer mehr Einsatzkräfte zusammen, am Ebertplatz wurden erstmals Wasserwerfer gegen die Hooligans eingesetzt.

Eigentlich hätte der Aufmarsch der Hooligans an dieser Stelle aufgelöst werden müssen, die Polizei hielt allerdings die Wegstrecke frei, immer wieder scherten gewalttätige Demonstranten aus, attackierten die Polizei und verteilten sich in Kleingruppen rund um die Demonstration.

Am frühen Abend erreichte die offiziell aufgelöste Demonstration wieder den Hauptbahnhof. Die Polizei musste die Eingänge immer wieder sperren, um nicht zu viele Gewalttäter in das Gebäude zu lassen. Von Außen attackierten die Hooligans daraufhin die Einsatzkräfte, ein Mannschaftswagen der Polizei wurde umgeworfen. Nun griff die Polizei konsequent gegen die neonazistischen Hooligans ein. Drei Wasserwerfer wurden eingesetzt, und der Hooligan Mob eingekesselt. Nachdem sich die Lage beruhigt hatte durften die Hooligans in kleinen Gruppen den Platz verlassen.

Mittlerweile haben sie sogar ihre eigene Hymne. „Hooligans gegen Salafisten, sonst wird Deutschland ein Massengrab", krakeelt die rechtsextreme Rockband Kategorie C. Die Drohkulisse ist eindeutig: So wie ihre musikalischen Unterstützer malt auch die Vereinigung „ Hooligans gegen Salafisten " (HoGeSa) ein düsteres Bild von Deutschland. Bedroht sei ihre Heimat von islamistischen Extremisten und Terroristen. Nun, so glauben die Hooligans, müssen sie selbst vorangehen. Sie überwinden dafür sogar Grenzen, die für sie bisher einem Tabubruch gleichkamen.

Mit ihrem Prostest gegen die Islamisten brechen die Hooligans ein Tabu

Eigentlich definieren sich die gewaltbereiten Fußballfans über ihren Verein - alle anderen sind Feinde, mit denen man sich prügeln muss. Seit längerem zwar nicht mehr im Stadion, sondern auf abgelegenen Wiesen. Aber die Abgrenzung zu anderen Fangruppen gehörte für die Hooligans bislang stets essentiell dazu.

Damit ist für viele nun Schluss. Sie haben einen gemeinsamen Feind gefunden: den radikalen Islam. Um dagegen vorzugehen, hat sich die Gruppe dem Zusammenschluss aller Hooligans verschrieben. Ihr Leitspruch lautet: „Unsere Fahne, unser Land, maximaler Widerstand." Den HoGeSa-Aktivisten gelang es, gewaltbereite und bislang verfeindete Fans aus ganz Deutschland zusammenzubringen: unter anderem aus Köln, Dortmund, Frankfurt, Dresden, Mannheim und Stuttgart. Bei kleineren Demonstrationen und Treffen in den vergangenen Monaten zogen die Hooligans durch einige Städte - und fielen dabei mit kruden Forderungen auf. So skandierten etwa 350 Hooligans bei einer Kundgebung im September in Dortmund: „Wir woll'n keine Salafisten-Schweine."

Für die Demonstration in Köln sind bei der Polizei bis 1500 Teilnehmer angemeldet

Der vorläufige Höhepunkt ihres Protests soll an diesem Sonntag stattfinden. Die Initiative hat zu einer Demonstration in Köln eingeladen. 1000 bis 1500 Teilnehmer wurden offiziell bei der Polizei angemeldet, doch weil sich über Facebook etwa 6000 Menschen angekündigt haben und auch zwei Gegendemos geplant sind, verlegte die Polizei die Kundgebung vom Domplatz bereits auf die andere Seite des Hauptbahnhofs.

HoGeSa erhält seit einigen Wochen großen Zulauf. Auf deren Facebook-Seite hatten mehr als 40 000 Menschen per Mausklick ihre Unterstützung signalisiert, bis sie von dem sozialen Netzwerk gelöscht wurde. Zudem prahlen Vertreter der Gruppe damit, dass am Sonntag nicht nur Hooligans aus Deutschland, sondern aus ganz Europa dabei sein werden.

Sehr wichtig ist es ihnen, immer wieder offiziell zu betonen, dass sie sich von rechtem Gedankengut distanzieren. Doch die Verbindungen zum Rechtsextremismus treten nicht nur durch die hetzende Band Kategorie C offen zu Tage. Angemeldet hat die Demonstration in Köln ein Vertreter der rechtspopulistischen Bewegung „Pro NRW". Außerdem zeigten sich auf den bisherigen öffentlichen Treffen in Dortmund, Frankfurt, Mannheim und Essen Aktive der NPD und der Partei „Die Rechte".

Die Sicherheitsbehörden können die Gruppe "Hooligans gegen Salafisten" nur schwer einschätzen

Wie stark HoGeSa wirklich ist, können die Polizei und der Verfassungsschutz derzeit schwer einschätzen. Das Bundesinnenministerium teilte auf Anfrage mit, die Sicherheitsbehörden würden die Hooligans besonders aus zwei Gründen verstärkt beobachten: Weil sie ein großes Gewaltpotenzial haben und zudem schnell mobilisierbar seien. Auch die Polizei in Nordrhein-Westfalen, wo HoGeSa am aktivsten ist, kann die Gruppe noch nicht hundertprozentig beurteilen. „Sie sind eine unberechenbare Größe", sagt Erich Rettinghaus, NRW-Vorsitzender der Deutschen Polizeigewerkschaft (DPolG). „Deutlich wird: Die Hooligans verharmlosen die eigene Szene und lenken von ihrer rechten Gesinnung ab."

Das Ziel dieser seltsamen Vereinigung ist offensichtlich. HoGeSa will von der Angst vor islamistischen Extremisten profitieren. Aktuelle Nachrichten spielen ihnen dabei in die Karten: So meldete der Bundesverfassungsschutz am Samstag, die Islamistenszene in Deutschland wachse rasant. Inzwischen zählten 6300 Menschen zu den radikalislamischen Salafisten. Bis zum Jahresende könnten es 7000 sein. HoGeSa will diese Entwicklung offenbar vor allem dazu ausnutzen, um neue Hooligan-Sympathisanten zu gewinnen, befürchten Fanvertreter.

Experten erwarten, dass die Gruppe weiter wächst

„Die Gruppe wird wachsen," sagt Volker Goll, stellvertretender Leiter der Koordinationsstelle Fanprojekte. Erstaunt ist er besonders über das offen politische Bekenntnis der Hooligans. „Sonst betonen sie andauernd, wie unpolitisch sie sind", merkt Goll an. „Diese klare Instrumentalisierung ist neu und in der Fußballszene ungewöhnlich. Denn nicht alle Hooligans sind rechts."

Doch unter den Fußballfans in Köln war HoGeSa schon erfolgreich. Eigentlich wollte der Dachverband Kölner Fanclubs eine Aktion gegen die Demo veranstalten. Die wurde aber wieder abgeblasen. Einige Fanclubs erklärten, sie könnten sich durchaus mit den HoGeSa-Zielen identifizieren. (mit AFP, Reuters)

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