SPIEGEL: Wie hat sich Ihre Einstellung durch seinen Tod verändert?
Roth: Allein, dass ich mich mit dem Tod auseinandersetze, war für mich komplett neu. Bis zu seiner Krankheit hatte dieses Thema etwas Gespenstisches für mich. Als ich ein Kind war und meine Oma starb, blieb mir vor allem der unglaubliche Schmerz meines Vaters in Erinnerung. Bei Jakob habe ich das Ende als etwas Erlösendes erlebt.
SPIEGEL: In der Onlinewelt haben Sie sich ziemlich rar gemacht. Sie haben sämtliche Fotos aus dem Instagram-Account von "Dandy Diary" gelöscht, der ist völlig leergefegt.
Roth: Das hat nichts mit seinem Tod zu tun. Auf unserem Profil sind schon seit anderthalb Jahren keine Bilder mehr. Wir wollten das Konzept des Archivs infrage stellen. Der Gedanke war: Welchen Wert hat es, was wir gestern gemacht haben? Es zählt nur das Heute, nichts anderes. Daher veröffentliche ich nur noch Insta-Stories.
SPIEGEL: Gefährden Sie damit nicht Ihr Geschäftsmodell? Sie verdienen doch mit Werbekooperationen Geld.
Roth: Was den Kommerz angeht, war es die dümmste Entscheidung, die wir treffen konnten. Natürlich denken Marken: Wenn die keine Bilder hochladen, warum sollten wir dann in sie investieren.
SPIEGEL: Haupt sagte mal: "Unsere Konten sind ständig so weit im Minus, dass ich mir sage: Wäre ich jetzt allein, wäre das nur mein Geld, würde ich mir schon Sorgen machen. Aber zu zweit ist das was anderes, da denkt man: Klar kriegen wir das irgendwie wieder rein." Jetzt sind Sie allein.
Roth: Was Jakob vor ein paar Jahren gesagt hat, gilt noch immer: Nichts ist abgesichert. Finanziell bin ich auf einer verfluchten Achterbahnfahrt. In der Spätphase des Krebses hab' ich mal ganz deprimiert zu Jakob gesagt: Richtig reich sind wir ja nicht geworden. Er hat geantwortet: Aber wir haben ein starkes Leben geführt!
SPIEGEL: 2016 versuchten Sie ein zweites Standbein aufzubauen. Doch Ihr Projekt "Dandy Diner", ein veganes Schnellimbissrestaurant in Berlin, mit dem Sie auch in andere Länder expandieren wollten, scheiterte grandios, nachdem sich Ihr Investor zurückzog. Es gab eine Bank, die ganz viel Geld von ihnen wollte.
Roth: Der Schuldenberg ist getilgt. Was die Idee angeht, Veganismus aus der grün gestrichenen Moralecke zu holen, die ist noch immer marktfähig. Zu uns ins Restaurant kam ein 80-jähriges Rentnerpärchen, die ihr ganzes Leben Veganer waren, und Schulmädchen, weil sie unser Logo, das kleine rosa Schweinchen, süß fanden. Die Idee zum Diner kam übrigens von Jakob. Sein Traum war es auch, dass wir beide uns als lachende Wurstgesichter verewigen. Als vegane Mortadella deutschlandweit in allen Supermärkten liegen. An diesem Traum arbeite ich fieberhaft.
"Zu Neid und Eifersucht kommt es in jeder Freundschaft"SPIEGEL: Anfangs mussten Sie Haupt dazu ermutigen, Fotos von sich auf Ihrem Blog zu posten. Bald war er bekannter als Sie. Waren Sie eifersüchtig, weil die Medien ihn mehr liebten?
Roth: Zu Neid und Eifersucht kommt es in jeder Freundschaft. Auch bei uns. Hinzu kam bei uns, dass wir uns eine öffentliche Plattform geteilt haben, da will jeder seine Anerkennung. Da gibt es schon mal Konkurrenz, alles andere wäre gelogen. Aber Jakob rückte nicht ohne Grund in der öffentlichen Wahrnehmung immer weiter nach vorn. Er spielte diese Rolle deutlich besser als ich. Ich stand gerne in der zweiten Reihe.
SPIEGEL: Wirklich? Sie sind doch der Gründer.
Roth: Ab einem gewissen Zeitpunkt war es völlig egal, wer der Erfinder ist. "Dandy Diary" war ein gemeinsames Projekt. Die Strahlkraft von Jakob hat uns Aufmerksamkeit beschert. Das war immer auch in meinem Sinne.
SPIEGEL: Was waren Konkurrenzsituationen?
Roth: Mir fällt nicht der eine Moment ein, eher Unterschwelliges: Wir gingen irgendwo lang und die Leute erkannten Jakob eher als mich. Oder ein Journalist schaut beim Interview öfter zu Jakob. Das hatte dann aber nichts mit Jakob zu tun, sondern mit meinen eigenen inneren Kämpfen. Wurde ich zuvor hochgelobt, war es mir egal, wenn jemand fünfmal mehr zu Jakob schaut und nicht auf meine Antworten reagiert. Wenn ich aber einen schlechten Tag hatte, dann fragte ich mich schon: Warum guckt der Journalist nicht mich an? Ich bin doch genauso relevant.
SPIEGEL: Ist Eitelkeit eine Grundvoraussetzung für Erfolg in der Blogger-Branche?
Roth: Nein. Aber Lust an Selbstdarstellung ist hilfreich, denn die Inhalte der meisten Blogger und Influencer drehen sich um die eigene Person.
SPIEGEL: Sie werden dieses Jahr 36. Wann ist man zu alt, um Modeblogger zu sein?
Roth: In der Schule dachte ich, wenn ich fertig bin mit dem Studium und einen Job habe, dann bin ich angekommen. Wird man älter, erkennt man: Es gibt kein Ankommen. Jetzt gehe ich auf die 40 zu, habe immer noch meine kleine, abgefuckte Bude, versuche immer noch, irre Ideen umzusetzen. Ich glaube nicht an ein Ende, auch nicht an Altersbegrenzungen.