Von Sebastian Schreiber, ARD-Studio Washington
Der Bundesstaat Iowa liegt im Mittleren Westen der USA. Er zählt zu den sogenannten Flyover-Staaten, die manche eben ihr Leben lang nur überfliegen - auf dem Weg von Küste zu Küste. Boeing-Chef Dennis Muilenburg wuchs in Iowa auf, als Sohn eines Farmers, erzählt er im Gespräch mit dem Economic Club of Washington D.C.: "Wir haben hauptsächlich Getreide angebaut und Soja-Bohnen - wir hatten auch Rinder, Hühner und Schweine. Jeden Morgen habe ich Kühe gemolken."
An der Universität von Iowa studiert Muilenburg Luft- und Raumfahrttechnik, macht ein Praktikum bei Boeing in Seattle. In dem Konzern legt er eine Bilderbuch-Karriere hin. Muilenburg ist an der Entwicklung von Armeeflugzeugen beteiligt, wird später Chef der Militärsparte. "Ich war begeistert, beim weltweit besten Luftfahrtunternehmen zu arbeiten", sagt er. Er habe ein großer Entwickler von Flugzeugen sein wollen und habe mit tollen Teams gearbeitet. "Ich habe mir die schwersten Aufgaben vorgenommen und mich darauf konzentriert, über mich hinauszuwachsen."
Im Jahr 2015 - 30 Jahre nach seinem ersten Praktikum bei Boeing - wird Muilenburg Konzernchef. Er ist erfolgsverwöhnt: Unter seiner Führung florieren die Geschäfte, der Aktienwert verdreifacht sich. Die neue Max-Version des Boeing-Dauerbrenners 737 ist ein voller Erfolg - Tausende Bestellungen stehen in den Auftragsbüchern.
"Zu viel Macht über die eigene Regulierung"Doch im Oktober vergangenen Jahres stürzt eben eine solche 737 Max in Indonesien ab. Im Interview mit dem Sender NPR sagt Muilenburg nach dem Absturz: "Ich kann das ganz klar und sicher sagen, dass wir in Sachen Sicherheit nie einen Kompromiss gemacht haben, um einen Vorteil zu bekommen, Kosten zu reduzieren oder schneller fertig zu werden - das wäre das Schlimmste, was wir als Firma nur machen könnten."
Doch genau das wird Boeing nun vorgeworfen. In Äthiopien stürzte wieder eine 737 Max ab. Dutzende Staaten verhängen Startverbote - erst nach Tagen empfiehlt auch Boeing, die Maschinen am Boden zu lassen. Das US-Verkehrsministerium untersucht, ob die Zulassung mit rechten Dingen zugegangen ist. Medien berichten, Boeing habe Druck auf die Luftfahrtbehörde FAA ausgeübt, die 737 Max schneller zuzulassen, damit der US-Hersteller mit dem Hauptkonkurrenten Airbus mithalten kann.
Man wisse, dass es Beschwerden gab, "dass Boeing zu viel Macht über seine eigene Regulierung hatte", kommentierte der Ökonom Adam Posem bei Bloomberg TV. Die US-Regierung sehe ein nationales Interesse an dem Konzern - "weil er zu groß ist, um zu scheitern".
Wo ist das Selbstbewusstsein geblieben?Im Krisenfall ist wenig zu spüren vom großen Selbstbewusstsein des Senkrechtstarters Muilenburg. Beobachter bemängeln, er müsse sich angesichts der Dimension der Vorwürfe häufiger zu Wort melden - die Stellungnahmen Boeings wirkten zu formal und alles andere als souverän. Eine Woche dauert es, bis sich Muilenburg in einer Videobotschaft ausführlicher äußert: Man arbeite daran, die Zweifel auszuräumen, sagt der Konzernchef. Er bedaure die anhaltenden Unannehmlichkeiten, die das Flugverbot für die Airlines und Passagiere verursache.
Für Muilenburg geht es nun darum, das Vertrauen wieder herzustellen - da spielt es keine Rolle, ob mögliche Fehler bei der Konstruktion der 737 Max schon vor seiner Zeit als Konzernchef gemacht wurden. Ambitioniert war er in seiner gesamten Karriere bei Boeing - nun steht er vor seiner schwersten Aufgabe.