Diese Woche haben in Berlin Tausende für eine andere Klima-Politik demonstriert. Dabei beließen die Aktivistinnen und Aktivisten es nicht bei Demonstrationen, sondern besetzten auch wichtige Straßenkreuzungen. Organisator der Aktionen war Extinction Rebellion. Die Bewegung sieht sich nun zunehmend Kritik ausgesetzt.
Was sich eher nach einem Percussion-Festival anhört, sind die Klänge einer Straßenblockade. Auf Twitter finden sich unzählige Mitschnitte von solchen Aktionen, die die vergangenen Tage in Berlin stattfanden. Dazu aufgerufen hatte Extinction Rebellion - Rebellion gegen das Aussterben. Der Name ist Programm, geht die Bewegung doch davon aus, dass Pflanzen, Tiere und auch Menschen sehr bald aussterben, wenn die Politik nicht sofort handelt.
Für die Blockaden gab es viel Kritik. Diese Form des zivilen Ungehorsams sei aber notwendig, sagt Lu Yen Roloff vom Extinction-Rebellion-Presseteam: "Wir haben unfassbar viele Petitionen an den Bundestag gerichtet, wir haben Demonstrationen gemacht und trotzdem hat die Bundesregierung jetzt gerade ein Klimaschutz-Gesetz auf den Weg gebracht, was nicht annähernd geeignet ist, uns vor der drohenden Klima-Katastrophe zu schützen und deswegen müssen wir jetzt leider einen Schritt weitergehen."
Verstandesfeindlich und inhaltslos
Kritik bekommt die Bewegung auch von ungewohnter Seite - von der linken Aktivistin und Autorin Jutta Ditfurth etwa: "Extinction Rebellion ist deswegen eine religiös-gewaltfreie Sekte, weil es einige Kennzeichen von Sekten hat: Elitär, zentral geleitet, wer in der Gruppe kritisiert, wird eher gemobbt, Inhaltsleere wird mit Esoterik gefüllt und man ist verstandesfeindlich."
Lu Yen Roloff vom Extinction Rebellion weist diese Vorwürfe zurück. Die Gruppen seien das Gegenteil von hierarchisch, alle könnten sich einbringen - und man sei offen für alle. Auch mit Esoterik habe man nichts am Hut: "Wir haben Atheisten, die würden laut aufschreien, wenn man ihnen sagen würde, sie machten da etwas Religiöses. Das, woran wir glauben, das sind die Fakten."
Angst als Motor der Bewegung
Der Soziologe Simon Teune vom Protest- und Bewegungsforschungsinstitut Berlin verweist auf Schriften und Äußerungen von Extinction Rebellion. Diese dürften aber nicht eins zu eins auf die Praxis übertragen werden: "Ich glaub, dass man das tatsächlich aus einigen Äußerungen rausziehen kann, dass man die glückseelig machende Botschaft und den Weg gefunden hat, den Klimawandel aufzuhalten. Es ist aber, glaube ich, etwas komplizierter. In den Ortsgruppen werden diese Texte nicht eins zu eins übernommen, sondern da ist sehr viel Eigentätigkeit, die man auch zur Kenntnis nehmen muss."
Jutta Ditfurth erhebt einen weiteren Vorwurf: "Man zielt auf junge Leute und sagt, man will die vor allem auch emotional beeinflussen, gemeinsam weinen, meditieren und so weiter. Man will eine manipulierbare sogenannte Klima-Bewegung." Dem widerspricht Lu Yen Roloff entschieden. Es gehe weder um ökonomische Interessen, noch um Manipulation: "Nicht wir schüren Angst, sondern wir haben Angst, weil die Sachlage ganz klar ist, und weil unsere Regierung aber nicht angemessen reagiert."
Erfolgsrezept mit Zukunft?
Für den Protestforscher gehören Emotionen zum politischen Geschäft. Emotionen werden allerdings in Verbindung mit der inhaltlichen Offenheit von Extinction Rebellion zum Problem, sagt Simon Teune: "Problematisch wird es in dem Moment, wo es keine politische Richtungen gibt, wenn diese Emotionen da sind, aber keine Perspektive vermittelt wird. Und das ist bei Extinction Rebellion zum Teil der Fall. Damit hängt die Angst vor der Auslöschung und damit auch der Protest ein bisschen in der Luft."
So viele Menschen wie möglich anzusprechen, auf den kleinsten gemeinsamen Konsens zu bauen - was eigentlich als Erfolgsrezept von Extinction Rebellion gilt, könnte der Bewegung in Zukunft auf die Füße fallen.