Facebook ist out, Instagram ist längst die Lieblingsplattform der Jugendlichen. Allein in Deutschland sind regelmäßig 15 Millionen Menschen auf der Plattform unterwegs, um ästhetisch-ansprechende Fotos von sich zu teilen oder sich auf anderen Profilen umzusehen. Doch die Dauerberieselung mit schönen Bildern hat auch ihre Schattenseiten.
In einem Café in Hannovers Nordstadt nimmt Julia Luge einen Schluck aus ihrer Cappuccino-Tasse. Auf dem dunklen Holztisch vor ihr liegt ihr hellgraues Smartphone. Sie greift immer wieder danach. "Ich habe immer Hochzeiten, wo ich oft, manchmal schon aus Reflex, draufschaue, was passiert ist ", erzählt Luge. Vor allem, was bei Instagram passiert, interessiert die 24-Jährige.
Die Kuschelwiese der sozialen Medien
Verglichen mit Twitter oder Facebook, wo die Kommentare schnell mal beleidigend werden, gilt Instagram als Kuschelwiese unter den sozialen Medien. Hier geht es um die schönen Momente im Leben. Die Motive ähneln sich oft: Bilder von Menschen, die barfuß an einem weißen Sandstrand entlang laufen, sich in bemalten Häusereingängen in Szenevierteln präsentieren oder während eines Sonnenuntergangs nachdenklich aufs Meer blicken.
Marketing-Denken schwappt in private Nutzung über
Julia Luge nutzt Instagram seit sechs Jahren. Im Laufe der Zeit habe sich die Plattform stark verändert. Wurde Instagram zu Beginn vor allem von privaten Personen genutzt, nutzen inzwischen viele Firmen die Möglichkeit, ihre Marke vor allem einem jungen Publikum zu präsentieren. Die Folge: Die Bilder wurden im Laufe der Jahre immer professioneller. Das hat auch Auswirkungen darauf, wie sich private Nutzerinnen und Nutzer darstellen, erzählt Luge: "Ich merke, dass ich mittlerweile vor dem Hochladen darüber nachdenke, ob ein Foto von der Farbe, vom Thema oder vom Bildausschnitt her passt. Das sehe ich auch definitiv bei den Leuten, denen ich folge, auch bei meinen Freunden."
Längst fragen sich auf Instagram nicht mehr nur Modemarken und Influencer, wie sie ihren Wiedererkennungswert, ihr Profil stärken können - das Marketing-Denken schwappt über in den Bereich der privaten Nutzung.
Schwierige Themen kosten Follower
Bianca Jankovska ist Medienwissenschaftlerin. Die 27-Jährige hat im vergangenen Jahr das Buch "Das Millennial-Manifest" veröffentlicht, in dem sie sich kritisch mit ihrer Generation, den sogenannten Millennials, auseinandersetzt. Auch sie nutzt Instagram, steht der Plattform aber kritisch gegenüber: "Die meisten möchten sich da vor dem Schlafengehen noch von so einer Scheinwelt berieseln lassen. Ich merke auch, dass ich - wenn ich besonders schwierige Themen anspreche - sofort 20 bis 40 Follower verliere. Wenn ich dagegen ein beliebiges Bild von einem Sonnenuntergang am Meer poste, hat das immer noch sehr viele Likes, obwohl man denken könnte, dass man sich an solchen Bildern längst sattgesehen hat."
Es sind Instagram-Maßstäbe, die Menschen dazu bringen, sich immer nur von der besten Seite und in den schönsten Augenblicken zu zeigen. Die Bilder, meist nachbearbeitet, zeigen eine perfekte Welt.
Studie: Instagram fördert Schlafstörungen und Depressionen
Doch die Dauerberieselung kann negative Auswirkungen auf die Nutzerinnen und Nutzer haben. Einer Studie der britischen Royal Society for Public Health aus dem Jahr 2017 zufolge zählt Instagram zu den gesundheitsgefährdendsten sozialen Plattformen. Instagram fördere demnach Schlafstörungen und sogar Depressionen. Von Letzteren seien vor allem Mädchen und junge Frauen betroffen, erzählt Medienwissenschaftlerin Jankovska: "Dies wird dadurch gefördert, dass diese Nutzerinnen Accounts folgen, die ein bestimmtes Weiblichkeits-Ideal zeigen. Und dann setzt eben dieser Vergleichsmechanismus ein. Von der Couch aus sieht man sich jemanden an, der das scheinbar perfekte Leben lebt."
Kein Gramm zu viel
Perfekte Leben und perfekte Körper, kein Gramm zu viel an der falschen Stelle - zumindest soll es nicht gesehen werden.
Julia Luge denkt beim Cappuccino darüber nach, ob bei Instagram die Vor- oder Nachteile überwiegen. Ihr Fazit für heute:"Ja, ich finde es nett, mit Freunden meine Bilder zu teilen und deren Bilder zu sehen. Aber ich merke auch, dass mir nichts fehlt, wenn ich es mal nicht benutze."