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Ilka Bessin in Großenbrode: Die Frau, die „Cindy aus Marzahn" war

Großenbrode. Es ist das erste Mal, dass Ilka Bessin für einen Auftritt in Großenbrode vorbeigeschaut hat. „Ich muss sagen, es ist verdammt schön hier", sagte die 47-Jährige, die sonst in Berlin wohnt, am Donnerstagabend. „Ich bin auf dem Weg zur Lesung direkt am Wasser entlang gefahren und dachte so: Hier kann man auch schön leben."


Seit 2004 hat Ilka Bessin mit ihrer Kunstfigur „Cindy aus Marzahn“ eine steile Karriere in der deutschen Comedy-Szene gemacht. 2016 war plötzlich Schluss, die Rolle wurde Ilka Bessin zu eng. Zeit für eine Trennung von „Cindy“. Das und weitere prägende Stationen in ihrem Leben thematisiert Bessin in ihrem Ende 2018 erschienenen Buch „Abgeschminkt“ und während ihrer Lesereise. Die hat sie auch nach Großenbrode geführt.


Nicht nur Comedy: Ilka Bessin erzählt von Mobbing

So richtig vorgelesen hat Ilka Bessin aber nicht. Sie brach immer wieder ab, und erzählte dann anekdotenhaft weiter. „Wie Sie merken, rede ich sehr gerne“, sagte sie. Den größten Teil ihrer Darbietung über entfaltete sich ein Gespräch mit dem Moderator Florian Hacke, auch bekannt als amtierender Schleswig-Holstein-Meister im Poetry Slam. Gemeinsam gingen sie die wichtigen Stationen ihres Lebens durch.


Ilka Bessin driftete zur Freude des Publikums zwar immer wieder ins Scherzen ab, erzählte aber auch verblüffend ehrlich und offen über Niederlagen. „Heute bin ich in meinem Leben angekommen“, sagte Ilka Bessin, die „mit zarten Schritten“ auf die 50 zugehe. Das sei nicht immer so gewesen. Da wäre beispielsweise das Mobbing, das sie wegen ihres Aussehens erfahren habe. „Ich war die dicke, fette Arschbulette“, berichtet Bessin. Groß, dick, Brille – die Schulzeit sei die Hölle gewesen. „Da habe ich mir schon ne große Klappe zugelegt“, erzählt Bessin. Auch als Comedy-Star sei es nicht besser geworden. In Medienberichten sei sie beispielsweise als „dicker Obelix der Comedy-Szene“ bezeichnet worden.


Fehlt der Respekt in der Gesellschaft?

„Ich kann für meinen Humor kritisiert werden, aber nicht dafür, wie ich aussehe“, betonte sie. Nur weil sie sich als „Cindy“ auf der Bühne über sich selbst lustig mache, gebe das niemandem das Recht, verletzende Scherze auf ihre Kosten zu machen. Mit Sorge beobachte Bessin, wie sowohl Kinder als auch Erwachsene heutzutage weniger Respekt vor anderen hätten.


Die Figur „Cindy aus Marzahn“ wurde aus der Not heraus geboren. Vier Jahre lang war Ilka Bessin arbeitslos, als sie beim Quatsch Comedy Club mit der überzeichneten, Jogginganzug tragenden Langzeitarbeitslosen auf sich aufmerksam machte. Kurze Zeit später hatte sie ihren ersten Auftritt bei TV Total, es folgte die erste eigene Nummer als Germanys Next Mob-Model-Verschnitt in Anlehnung an Heidi Klums Model-Show. Als dann die Vermittlerin beim Arbeitsamt sie schließlich nach einem Autogramm fragte, habe Ilka Bessin triumphiert.


Das Ende von „Cindy aus Marzahn“

Das war 2004. Ilka Bessin stand dann jahrelang auf den ganz großen Comedy-Bühnen, erlebte wie sich Ruhm anfühlt, aber auch Niederlagen in der Szene: gehässigen Neid, Angriffe wegen ihrer Figur, Zeitmangel. Vor drei Jahren legte „Cindy von Marzahn“ den pinken Jogginganzugschließlich ab. Sie habe politischer sein wollen. Das Problem: „Ilka Bessin hatte eine Meinung, aber Cindy aus Marzahn wurde nicht für voll genommen.“ Zudem sei etwa zur selben Zeit ihr Vater an Demenz erkrankt und schließlich gestorben. „Ich habe gelernt, dass es Dinge gibt, die wichtiger sind.“


Heute wolle sie auf keinen Berg mehr steigen, „das ist mir zu anstrengend“. Wichtig sei es, eine tolle Familie um sich herum zu haben und so vor dem Spiegel stehen zu können, dass man sagen kann: „Ich bin ein wertvoller, glücklicher Mensch.“ Nach dem großen Erfolg mit „Cindy“ sehe sie die Lesereise mit ihrem Buch als eine schöne Zugabe. „Ich bin dankbar dafür“, sagte Bessin und betonte, dass die Kunstfigur „Cindy“ nicht vorhabe, zurückzukehren.

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